Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kriminalisierte FlüchtlingshelferInnen: Amnesty-Preis für Iuventa…
> Die Menschenrechtsorganisation zeichnet eine zehnköpfige Gruppe von
> SeenotretterInnen aus. Der Crew droht in Italien 20 Jahre Gefängnis.
Bild: M. Beeko und F. Vilmar (Amnesty) mit S. Girke, Dariush Beigui und Hendrik…
Berlin taz | Die deutsche Sektion von Amnesty International vergibt ihren
diesjährigen Menschenrechtspreis an zehn ehemalige Crewmitglieder des
Rettungsschiffes Iuventa. Das gab [1][Amnesty] Deutschland-Generalsekretär
Markus Beeko am Dienstag bekannt. Die als „[2][Iuventa 10]“ bekannte Gruppe
war 2016 und 2017 an 16 Missionen der deutschen NGO Jugend Rettet im
Mittelmeer beteiligt. Dabei rettete sie etwas mehr als [3][14.000 Menschen]
aus Seenot. Seit 2017 ermittelt die Staatsanwaltschaft in Sizilien gegen
die AktivistInnen wegen Beihilfe zur illegalen Einreise. Ihnen drohen bis
zu 20 Jahre Haft, der Prozess könnte sie rund eine halbe Million Euro
kosten.
Es handele sich im „politisch motivierte Ermittlungen“ sagte Beeko. Retter
würden in Europa heute „nicht gefeiert, sondern angefeindet und
kriminalisiert“. Das Vorgehen gegen die Iuventa 10 sei Teil Teil einer
zunehmenden Verfolgung von MenschenrechtsverteidigerInnen – insbesondere
solcher, die sich für das Überleben oder die Rechte von Flüchtlingen und
MigrantInnen einsetze, so Beeko.
Die italienische Staatsanwaltschaft hatte die Iuventa im August 2017 auf
Lampedusa beschlagnahmt. „Seitdem liegt das Schiff im Hafen von Trapani und
verrottet, es kann nicht mehr für Rettungen eingesetzt werden,“ sagt Sascha
Girke, eines der 10 Crewmitglieder. Er wies den Vorwurf der Beihilfe zur
illegalen Einreise zurück. „Alle unsere Einsätze wurden mit Italiens
Behörden koordiniert und die Geretteten den Behörden dann an Land
übergeben“, sagte er. Selbst die italienische Staatsanwaltschaft habe
festgestellt, dass die Crew „aus Solidarität“ gehandelt haben. „Was
kriminalisiert wird, ist also die Solidarität.“
Girke erinnerte daran, dass Hunderte Menschen wegen ähnlicher Vorwürfe
bereits in südeuropäischen Gefängnissen sitzen – nämlich Flüchtlinge
selbst, etwa wenn diese ein Boot, in dem sie selbst saßen, gesteuert
hätten. „Und die bekommen keine Aufmerksamkeit.“ In der vergangenen Woche
hatte der Spiegel berichtet, dass allein in Griechenland zwischenzeitlich
fast 2.000 Häftlinge wegen Beihilfe zu illegalen Einreise im Gefängnis
saßen. Im Herbst hatte die Justiz den Afghanen Naim K. zu [4][288 Jahren]
Knast und 3,8 Millionen Euro Geldstrafe verurteilt.
## Auch andere Helfer sind im Visier
Am 4. Februar verurteilte eine Richterin in Komotini in Griechenland, die
Marokkaner Hamza Haddi und Mohamed Haddar zu jeweils [5][vier Jahren Haft.]
Wie die NGO [6][Borderline Europe] berichtet, hatten die beiden während
ihrer eigenen Flucht ein Boot gerudert hatten, in dem noch zwei weitere
Flüchtlinge saßen.
Auch gegen die deutsche NGO [7][Mare Liberum], die seit 2018 in der Ägäis
Menschenrechtsbeobachtungen durchführt, hat die griechische
Staatsanwaltschaft Vorermittlungen aufgenommen. Im Januar 2019 wurde Mare
Liberum-Vorstand Philipp Hahn deshalb bei der Küstenwache von Mitilini auf
der Insel Lesbos einbestellt. Das Ermittlungsverfahren wegen Verdachts auf
„Schmuggel“ ist anhängig.
Die Amnesty-Referentin Franziska Vilmar wies darauf hin, dass die
Strafverfolgung von SeenotretterInnen und anderen FlüchtlingshelferInnen
fast immer auf einer Anti-Schlepper-Richtlinie der EU beruhe. Diese sei vor
etwa 20 Jahren eingeführt worden, um Kriminelle zu bekämpfen, die sich mit
Menschenschmuggel bereichern. Davon könne bei den SeenotretterInnen keine
Rede sein, sagte Vilmar.
Zwar sehe die Richtlinie durchaus vor, Menschen von der Strafverfolgung
auszunehmen, die anderen aus „humanitären Gründen“ bei der Einreise helfe…
Doch weil es den Mitgliedsstaaten selbst überlassen bleibe, ob sie diese
Klausel anwenden oder nicht, würde die Richtlinie heute immer öfter
missbraucht um humanitäre Helfer zu verfolgen, sagte Vilmar.
Eine im Mai 2019 veröffentlichte Studie der britischen Forschungsplattform
Asyl und Migration zufolge wurden zwischen 2015 und 2019 insgesamt in elf
Ländern mindestens 49 Verfahren [8][gegen 158 Personen] eröffnet, die
humanitäre Hilfe für Migranten und Flüchtlinge geleistet hatten. Grundlage
war in allen Fällen die Anti-Schlepper-Richtlinie.
11 Feb 2020
## LINKS
[1] https://www.amnesty.de/allgemein/pressemitteilung/deutschland-amnesty-mensc…
[2] https://iuventa10.org/
[3] /Seenotrettung-im-Mittelmeer/!5592061/
[4] https://www.spiegel.de/politik/ausland/griechenland-justiz-geht-hart-gegen-…
[5] https://www.borderline-europe.de/unsere-arbeit/bericht-prozess-gegen-hamza-…
[6] https://www.borderline-europe.de/
[7] https://mare-liberum.org/en
[8] https://www.opendemocracy.net/en/5050/hundreds-of-europeans-criminalised-fo…
## AUTOREN
Christian Jakob
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Mittelmeer
Seenot
Amnesty International
Flüchtlinge
Seenotrettung
Schwerpunkt Libyenkrieg
Schwerpunkt Europawahl
## ARTIKEL ZUM THEMA
Aufnahme von Flüchtlingen in Kommunen: Noch mauert der Bund
Viele Kommunen wollen aus Seenot gerettete Flüchtlinge aufnehmen. Doch eine
Entscheidung des Innenministeriums steht noch aus.
Flucht aus Libyen: 700 Menschen in Seenot
Vor der Küste Libyens sind seit Freitag mehr Flüchtlingsboote unterwegs als
im Winter üblich. Rettungsschiffe sind im Dauereinsatz.
Seenotrettung im Mittelmeer: Die Strafe Salvinis
Sie retteten Menschen in Seenot. Nun droht Mitgliedern der „Iuventa“-Crew
eine Anklage aus Italien wegen „Beihilfe zur illegalen Einreise“.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.