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# taz.de -- Initiative für faire Lebensmittel: Du bestimmst den Preis
> Wie teuer darf die Milch im Supermarkt sein? Welche Qualität soll sie
> haben? Verbraucher können das jetzt per Online-Voting selbst entscheiden.
Bild: Darüber, wie bio Milch sein sollte und welche Verpackung die beste ist, …
Berlin taz | Dieses „billig, billig“, mit dem die Supermärkte locken –
[1][es ärgert nicht nur die Landwirte], zu deren Lasten es geht. Auch viele
VerbraucherInnen haben es satt. Für sie gibt es jetzt eine neue Idee: Sie
sollen das Sortiment der Supermärkte mitbestimmen und wählen, wie fair es
zugehen soll. Für die Bauern. Für die Tiere. Für die Umwelt.
Los geht es mit der Milch. Dazu läuft derzeit ein Voting im Netz. Noch bis
Ende Februar kann jeder unter [2][www.dubisthierderchef.de] mitmachen. Wie
bio soll die Milch sein? Woraus wird die Verpackung bestehen? Wie gut
sollen Landwirte vergütet werden? Und: Was also soll an der Ladentheke
bezahlt werden?
Insgesamt können sich die Verbraucher bei acht Fragen entscheiden. Je
nachdem, was sie anklicken, verschiebt sich auch der Preis für die Milch.
Man sieht das beim Voting sofort. Je nach Anspruch liegt er am Ende
zwischen 73 Cent und 1,46 Euro pro Liter. Dahinter stecken Nicolas
Barthelmé und seine Mitstreiter. Der gebürtige Franzose, 44 Jahre, hat 20
Jahre in der Lebensmittelbranche gearbeitet, die meiste Zeit bei einem
Käsehersteller, „viel Marketing, auch Vertrieb“, sagt er. Im Februar 2019
machte er damit Schluss.
Stattdessen gründete er im hessischen Eltville, wo er wohnt, mit acht
Leuten einen Verein namens „Die Verbrauchergemeinschaft“ und eine Firma,
die die Marke „Du bist hier der Chef“ in die Läden bringen will.
## Die Idee stammt aus Frankreich
Das Ziel: „Wir wollen den Verbrauchern die Kontrolle über ihre Ernährung
zurückgeben. Sie sollen wissen, was sie essen und wie es produziert wird
und wie sie die Landwirte unterstützen“, sagt Barthelmé. In Frankreich sei
das bereits erfolgreich. Von dort stammt die Idee.
2016 gründete sich in Paris „[3][C’est qui le patron?]!“ Gut drei Jahre
später werden unter der Marke bereits 35 Produkte verkauft, zum Beispiel
bei der großen Supermarktkette Carrefour. Neben Milch sind das etwa Äpfel
und Butter. Die Biobutter der Marke sei die meistverkaufte in Frankreich,
sagt Barthelmé.
3.000 Landwirte produzierten bereits exklusiv für die Initiative – und
würden fair bezahlt. Nur: Frankreich ist nicht Deutschland, nicht das Land
der Schnäppchenjäger. Und wenn sich die Kunden mehrheitlich für das
billigste Produkt entscheiden, für die Milch zum Einsteigerpreis von 73
Cent?
Barthelmé sieht „gar keine Gefahr“. Dass Lebensmittel häufig zu billig
seien, Bauern davon nicht leben, Umwelt und Tiere auch nicht schonen
könnten, das sei vielen auch hierzulande unbehaglich. Die [4][Kanzlerin hat
vor kurzem zum Lebensmittel-Gipfel geladen], über das Verramschen von Essen
ist viel debattiert worden.
## Vier Möglichkeiten bei Vergütung von Lebensmitteln
Bewegt hat sich aber – wenig. Barthelmé meint: „Ich bin überzeugt, die
meisten Verbraucher greifen zum günstigsten Produkt, weil sie nicht
glauben, dass das teurere besser ist.“ Anders werde das erst, wenn sie
sicher seien, dass Qualität drinstecke und die Bauern fair bezahlt werden.
Das sei eine „super Möglichkeit, den Markt zu verändern“.
Bei der Vergütung der Landwirte gibt es vier Möglichkeiten für die
wählenden Verbraucher. Erstens: Der Landwirt bekommt den Marktpreis.
Zweitens: Er produziert kostendeckend. Drittens: Er kann mit dem Einkommen
in seinem Betrieb investieren. Viertens: Er soll auch noch Zeit für soziale
und gesellschaftliche Projekte haben.
Barthelmé hat längst Landwirte gefunden, die die Milch nach Kundenwunsch
produzieren wollen. Ein Vorteil für sie: Die Preise werden ihnen für drei
Jahre garantiert, sie können damit rechnen. In der Branche ist das selten.
Auch zwei Molkereien wollen mitmachen. Die Handelskonzerne Rewe, Kaufland,
Real und Globus sind bisher indes nur „interessiert“.
Aber Barthelmé ist zuversichtlich. Die erste Milch in der blau-weißen
Verpackung soll spätestens im Mai in den Supermärkten stehen. Denn schon in
kürzester Zeit hätten 5.000 Verbraucher beim Voting mitgemacht. Das habe
ihn selbst „überrascht“, sagt er. Früher als gedacht gäbe es damit ein
aussagekräftiges Ergebnis – und eine ausreichend große potenzielle
Kundschaft.
11 Feb 2020
## LINKS
[1] /Streit-ueber-Lebensmittelpreise/!5657949
[2] https://dubisthierderchef.de/
[3] https://lamarqueduconsommateur.com/
[4] /Diskussion-um-Fleischpreis/!5657897
## AUTOREN
Hanna Gersmann
## TAGS
Lebensmittel
Konsum
Landwirtschaft
Agrarpolitik
Landwirtschaft
Landwirtschaft
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