# taz.de -- Die Wahrheit: Oscar-Nachwehen | |
> Neues aus Neuseeland: Das ganze Land feiert Erfolgsregisseur Waititi, | |
> aber ein alter Rassist zeigt noch immer den Stinkefinger. | |
Wahrscheinlich bin ich die einzige Neuseeländerin, die an „Jojo Rabbit“ | |
rummäkelte, als er bei uns anlief. Alles vergessen: Jetzt zählt nur der | |
Glanz, in dem wir uns sonnen, seit Taika Waititi den Oscar für die beste | |
Drehbuch-Umsetzung der Hitler-Komödie kassierte. Er ist nicht der erste | |
Maori mit dem goldenen Männlein, aber der erste Maori-Filmemacher. Ein | |
Genie ist er so oder so – und mit jüdischem Großvater. | |
Waititi widmete den Pokal „all den indigenen Kindern auf der ganzen Welt, | |
die Kunst machen und tanzen und Geschichten schreiben wollen. Wir sind die | |
ursprünglichen Geschichtenerzähler, und auch wir können es hier schaffen.“ | |
Da blieb kein Auge im Saal trocken. Hinter den Kulissen gab der Star | |
lustige Interviews ohne Allüren. Was Landesmutter Ardern politisch schafft, | |
setzt unser Lieblingsmann in Hollywood fort. | |
Während das ganze Land den Oscar-Helden feierte, fand sich eine andere | |
Filmemacherin im höchsten Gericht in Auckland wieder. Renae Maihi, | |
ebenfalls Maori, hatte eine Petition gegen den 600 Millionen Dollar | |
schweren Grundstückinvestor Sir Bob Jones gestartet, um ihm den einst von | |
der Queen verliehenen Ehrentitel als „Knight“ (Ritter) aberkennen zu lassen | |
– da er ein Rassist sei. | |
Sir Bob ist 80, der Bruder des preisgekrönten Schriftstellers Lloyd Jones | |
und aus altem weißen Kolonialholz geschnitzt. Er war Boxer, gründete in den | |
achtziger Jahren die kurzlebige liberale New Zealand Party. Er boxte einem | |
Fernsehreporter, der ihn beim Fischen in der Wildnis störte, auf die Nase, | |
das gab eine Geldstrafe. 2015 musste er einen Air-New-Zealand-Flug | |
verlassen, da er sich nicht an die Anweisungen hielt. Seitdem fliegt er im | |
Privatjet. | |
Mindestens so berüchtigt ist der Ritter der Queen jedoch für alles, was er | |
über Maori von sich gibt. Den Nationalfeiertag Waitangi, der für die | |
gleichen Rechte der indigenen Menschen Aotearoas steht, will Sir Bob in | |
„Maori-Dankbarkeitstag“ umbenennen. In seiner Kolumne schrieb er: „Ich | |
wünsche mir einen Tag, an dem uns Maori Frühstück ans Bett bringen oder | |
unser Unkraut jäten, unsere Autos waschen und polieren, aus Dankbarkeit für | |
ihre Existenz.“ Das sei Satire, sagt er. | |
Keine Satiren waren all seine anstößigen bis abwertenden Kommentare der | |
letzten Jahrzehnte. Aber dafür ein Rassist geschimpft zu werden, ging ihm | |
zu weit: Er verklagte Maihi, die die Petition mit 90.000 Unterschriften | |
gegen ihn dem Parlament vorlegte, wegen Rufschädigung. Das Schauspiel vor | |
Gericht dauerte statt zwei Wochen jedoch nur fünf Tage. Dann zog Jones | |
seine Klage zurück. | |
„Die Nebeneinanderstellung von zwei Filmemachern, die eine im Gericht, der | |
andere bei den Oscars, ist die perfekte Repräsentation der Geschichte der | |
Maori im Film“, kommentierte Regisseur Heperi Mita den Prozess auf der | |
Website TheSpinoff. So klein ist die Welt: Seine Mutter drehte 1981 den | |
Dokumentarfilm „Patu!“, in dem Sir Bob Jones Antiapartheid-Demonstranten | |
den Mittelfinger zeigte. | |
20 Feb 2020 | |
## AUTOREN | |
Anke Richter | |
## TAGS | |
Neuseeland | |
Oscars | |
Film | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
Neuseeland | |
Neuseeland | |
Schwerpunkt Rassismus | |
Neuseeland | |
Neuseeland | |
Whaakari | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Die Wahrheit: Dinosaurier im Lockdown | |
Neues aus Neuseeland: Dieses Mistding von Virus hat es bis ans Ende der | |
Welt geschafft. Jetzt soll es möglichst wieder zurückgeschickt werden. | |
Die Wahrheit: Reiche auf der Flucht | |
Neues aus Neuseeland: Bislang galt Aotearoa als halbwegs coronasicherer | |
Hafen, doch auch down under steigen die Infektionsfälle. | |
Die Wahrheit: Gladiator für Kiwis | |
Neues aus Neuseeland: Verhaltensauffällig gewordene Aotearoaner schiebt | |
Australien gern ab: Ins Land der langen weißen Wolke. | |
Berlinale-Retrospektive King Vidor: Antikommunismus als Komödie | |
Disparat und überraschend: Die Berlinale Retrospektive lädt ein, den | |
politisch notorisch unzuverlässigen US-Regisseur King Vidor | |
wiederzuentdecken. | |
Die Wahrheit: Reiz für Risikotouristen | |
Neues aus Neuseeland: Da hingehen, wo es wehtut? Das machen viele Reisende | |
down under und begeben sich gedankenlos in Gefahr. | |
Die Wahrheit: Verdrehte Jacinda | |
Neues aus Neuseeland: Meninisten wollen „Jacinda Ardern“ umdrehen – | |
jedenfalls das gleichnamige Buch. Mit #returnArdern gibt es schon eine | |
Antwort. | |
Die Wahrheit: Katastrophenkarikatur | |
Neues aus Neuseeland: Die Südsee wird immer wieder von Katastrophen | |
heimgesucht. Offene Vulkane, ausbrechende Kinderkrankheiten und anderes. |