# taz.de -- Rechtsextremismus in Deutschland: Strafe für „Feindeslisten“ | |
> BKA-Chef Münch und Innenminister Seehofer halten die Erstellung von | |
> Listen politischer Gegner für strafwürdig. Ein Gesetzentwurf liegt jetzt | |
> vor. | |
Bild: Holger Münch, Präsident des BKA | |
BERLIN taz | Neben BKA-Chef Holger Münch fordert nun auch Innenminister | |
Horst Seehofer (CSU) eine Strafnorm für die Erstellung und Verbreitung | |
sogenannter Feindeslisten. Das Ministerium unterstütze die Position des | |
BKA-Präsidenten, erklärte ein Sprecher auf Anfrage der taz. | |
Als „Feindeslisten“ oder „Todeslisten“ werden Namens- und Adresssammlun… | |
bezeichnet, die vor allem von Rechtsextremisten angelegt werden und | |
politische Gegner erfassen. Die NSU-Terroristen hatten eine solche Liste, | |
ebenso der Ex-Bundeswehrsoldat Franco A., der bald wegen | |
Terrorvorbereitungen vor Gericht stehen wird. [1][Auch die maßgeblich von | |
der taz aufgedeckte Nordkreuz-Gruppe, die sich in Mecklenburg-Vorpommern | |
auf einen „Tag X“ vorbereitete, sammelte Adressen von vermeintlichen | |
Feinden.] | |
Für Einschüchterung sorgen solche Listen vor allem, wenn sie veröffentlicht | |
und weiterverbreitet werden, wie etwa eine rechtsextreme Liste unter dem | |
Titel #WirKriegenEuchAlle, die rund 200 Namen umfasste. Für den größten | |
Wirbel sorgte eine Liste mit knapp 25.000 Namen und Adressen, die teilweise | |
als „Antifa-Liste“ zirkuliert. Tatsächlich ist es nur die 2015 gehackte | |
Kundenliste eines Punkversands. Die Liste wurde aber mit der Aufforderung | |
verbreitet, man könne jetzt die „subversiven, demokratiefeindlichen | |
Elemente zur Räson bringen“. | |
[2][Im Sommer 2019 wurde erstmals breit über solche Listen diskutiert.] Im | |
Mittelpunkt stand die Frage, ob die Polizei alle Personen benachrichtigen | |
soll, die dort aufgeführt wurden. Die Landespolizeien agierten | |
uneinheitlich. Das Bundeskriminalamt verneinte eine konkrete Gefahr. „Der | |
derzeit in der medialen und öffentlichen Diskussion verbreitete Begriff der | |
‚Feindes-‘ oder gar ‚Todesliste‘ ist daher konsequent zurückzuweisen�… | |
erklärte das BKA damals. | |
Vorschlag wieder aufgegriffen | |
Im Oktober 2019 ging das BKA aber in die Offensive. Es forderte die | |
Schaffung einer neuen Strafnorm gegen das „Outen“. Dies sollte auch „das | |
Erstellen und Verbreiten von Datensammlungen“ erfassen. Die | |
BKA-Formulierung macht jedoch deutlich, dass es hier dann auch um | |
Datensammlungen der Antifa gehen dürfte. Schon mehrfach wurden | |
Delegiertenlisten von AfD-Parteitagen im Internet veröffentlicht. | |
Die Diskussion über ein neues Strafdelikt war aber schnell wieder zu Ende, | |
als Innenminister Seehofer und Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) | |
Ende Oktober ihr Maßnahmepaket gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität | |
vorlegten. Weder in den Eckpunkten noch in Lambrechts Gesetzentwurf wurden | |
Feindeslisten oder Ähnliches erwähnt. | |
Am 19. Februar soll der Gesetzentwurf im Bundeskabinett beschlossen werden. | |
Versucht BKA-Chef Holger Münch im Vorfeld, noch einmal Werbung für seinen | |
Vorschlag zu machen? „Wer Listen vermeintlicher politischer Gegner | |
veröffentlicht – verbunden mit Drohungen wie ‚Wir kriegen Euch alle‘ –… | |
tut dies mit dem Ziel, Menschen einzuschüchtern und Angst zu verbreiten“, | |
erklärte er jüngst und plädierte dafür, dass das Verfassen solcher Listen | |
„unter Strafe gestellt werden sollte“. | |
Mathias Middelberg, der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU, hält das | |
geplante Gesetz für eine gute Gelegenheit, Münchs Vorschlag aufzugreifen. | |
Münch selbst wie auch das Bundesinnenministerium gehen jedoch davon aus, | |
dass die bisher geplanten Verschärfungen ausreichend sind. | |
Vage Drohungen weiterhin nicht strafbar | |
So soll laut bisherigem Entwurf das Delikt „Bedrohung“ im Strafgesetzbuch | |
(§ 241) künftig nicht nur die Androhung eines „Verbrechens“ (etwa von Mord | |
und Vergewaltigung) erfassen, sondern auch von weniger schwer bestraften | |
„Vergehen“ wie Körperverletzung oder Sachbeschädigung. Vage Drohungen | |
sollen aber weiterhin nicht strafbar sein. Das dürfte deshalb auch für | |
Feindeslisten unter der Überschrift „Wir kriegen Euch alle“ gelten oder f�… | |
die Aufforderung, bestimmte Personen „zur Räson“ zu bringen. | |
Der FDP-Abgeordnete Stefan Thomae hat inzwischen darauf hingewiesen, dass | |
die Erstellung von Feindeslisten bereits nach Datenschutzrecht geahndet | |
werden kann. Hier würden „personenbezogene Daten, die nicht allgemein | |
zugänglich sind“, ohne Berechtigung verarbeitet, „um anderen zu schaden“. | |
Laut Bundesdatenschutzgesetz (§ 42 BDSG) drohen hierfür bis zu zwei Jahren | |
Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. | |
Allerdings, so Thomae, würden Delikte nach dem BDSG von Polizei und | |
Staatsanwaltschaft „faktisch nicht verfolgt“. Er schlägt daher vor, die | |
bestehende Strafnorm ins Strafgesetzbuch zu transferieren, um sie | |
sichtbarer zu machen. So will er Schnellschüsse des Gesetzgebers | |
verhindern, die möglicherweise viel zu weit gehen. | |
5 Feb 2020 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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