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# taz.de -- Kretschmanns Zwischenbilanz: Luxusprobleme in Südwest
> Ein Jahr vor der Wahl muss der grüne Ministerpräsident Winfried
> Kretschmann neues Personal finden. In Umfragen liegt er weiter einsam
> vorn.
Bild: Winfried Kretschmann: kein Freund von personellen Veränderungen im laufe…
Stuttgart taz | Sollte es als erstes Wahlkampfmanöver geplant gewesen sein,
dann war es kein gelungenes. In einem Interview war Ministerpräsident
Winfried Kretschmann zur Bedeutung der Rechtschreibung für den Unterricht
gefragt worden. Die in der Schule zu pauken werde weniger wichtig, hatte
Kretschmann geantwortet und auf den Fortschritt von Korrekturprogrammen und
Künstlicher Intelligenz verwiesen.
Die Reaktion von Lehrern und Eltern darauf war empört. „Das hat mich sicher
tausende Wählerstimmen gekostet“, gibt Kretschmann einige Tage später recht
gelassen zu. Aber er kann sich das ja leisten, soll das wohl heißen.
[1][Es ist jetzt ziemlich genau ein Jahr bis sich Deutschlands beliebtester
Ministerpräsident am 14. März 2021 der Wiederwahl stellt], der Wahltermin
wurde gerade bekannt gegeben. Aber auch ohne die Empörung zu Kretschmanns
Rechtsschreibung-Einlassung hätte dieses vorerst letzte Jahr der
grün-schwarzen Koalition für Kretschmann deutlich besser anfangen können.
Insgesamt fünf seiner engen Mitstreiter haben seit Jahresbeginn ihren
Ausstieg aus der Politik angekündigt. Los ging es mit Fritz Kuhn, dem
Stuttgarter Oberbürgermeister, [2][der gleich nach den Weihnachtsferien zu
Überraschung aller ankündigte, im Herbst nicht mehr für den OB-Sessel zu
kandidieren]. Kuhn garnierte seine Abschiedserklärung noch mit einer
kleinen Spitze gegen Kretschmann, als er sagte, 65 sei ein Alter, wo man
noch einmal etwas Neues beginnen könne.
Ebenfalls ohne Vorwarnung gab dann vergangene Woche Kretschmanns Vertreter
beim Bund in Berlin [3][Volker Ratzmann seinen Wechsel als Cheflobbyist zur
Post bekannt]. In der gleichen Woche kündigten Umweltminister Franz
Untersteller und die Finanzministerin Edith Sitzmann an, bei der kommenden
Landtagswahl nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Dazu wird auch
Kretschmanns Staatssekretärin für Bürgerbeteiligung Gisela Erler aus
Altersgründen wohl nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Stuttgarter Zeitung
fragt, was den vom Sexappeal des grünen Regierens übrig geblieben ist, wenn
plötzlich keiner mehr dabei sein will.
Tatsächlich wird Kretschmann, der kein Freund von Veränderungen im
laufenden Geschäft ist, nun zu einem fälligen Generationswechsel gezwungen.
Und aus Fraktion und Partei drängen sich auch schon einige um die
freiwerdenden Posten. Mit wem die Grünen in Stuttgart als OB-Kandidat ins
Rennen gehen, soll sich im März klären. Genannt wird nach der Absage der
[4][Landtagspräsidentin Muhterem Aras] immer wieder die stellvertretende
Fraktionsvorsitzende Thekla Walker.
Fraktionschef Andreas Schwarz könnte 2021 wie auch die beiden
Landesvorsitzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand in ein mögliches
Kabinett Kretschmann III aufrücken. Vor einer vorzeitigen
Kabinettsumbildung schreckt der Regierungschef zurück, Untersteller und
Sitzmann werden ihre Ministerien bis zum Ende der Legislatur behalten.
Nur die Ratzmann-Nachfolge bei der Landesvertretung in Berlin ist seit
vergangener Woche geregelt. Sie übernimmt überraschend der ehemalige
Nabu-Landesvorsitzende Andre Baumann, der seit vier Jahren als
Staatssekretär in Unterstellers Umweltministerium fungiert. Möglicherweise
ist auch bei ihm geplant, dass er 2021 ins Kabinett wechselt, dann wohl als
Umweltminister.
Man kann diese Personalrochaden für Luxusprobleme halten. Denn ein Jahr vor
der Wahl hält sich Kretschmann und seine Partei in Umfragen komfortabel bei
über 30 Prozent. Wobei die AfD verhindert, dass CDU (27 Prozent) und SPD
(11 Prozent) eine Mehrheit ohne die Grünen bilden könnten.
Gleichwohl gibt sich die Union zweckoptimistisch. Sie setzt auf die
schwindende Parteibindung der Wähler. Die entschieden sich immer
kurzfristiger, hofft [5][CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann]. Bei
ihrer Wahlkampfklausur ließ sich die Südwest-Union von einer
österreichischen Agentur beraten, die sich den Erfolg von Sebastian Kurz
auf die Fahnen schreibt. Auch Kurz regiert mit den Grünen – aber unter
umgekehrten Vorzeichen.
In Wien sind Grünen der Juniorpartner der Konservativen. Nichts spricht im
Moment dafür, dass sich die Verhältnisse in Baden-Württemberg dahin
entwickeln.
1 Feb 2020
## LINKS
[1] /Gruener-Ministerpraesident-tritt-erneut-an/!5622583
[2] /Wahl-des-Stuttgarter-Buergermeisters/!5650456
[3] /Gruenen-Politiker-Volker-Ratzmann/!5655813
[4] /Gruenen-Politikerin-Aras-ueber-Heimat/!5503484
[5] /Konservative-in-Baden-Wuerttemberg/!5609076
## AUTOREN
Benno Stieber
## TAGS
Stuttgart
Dieselskandal
Volker Ratzmann
Oberbürgermeisterwahl
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