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# taz.de -- Vasektomie – angesagt wie nie!: Schnipp, schnapp, ab
> Als Reaktion auf das rigide Antiabtreibungsgesetz in Alabama fordert eine
> demokratische Abgeordnete: Alle Männer ab 50 sollen sterilisiert werden.
Bild: Demonstration in New York gegen strengere Abtreibungsgesetze in Alabama u…
Auge für Auge, Zahn für Zahn, Ei für Ei(-Zelle). So etwas in der Art muss
sich die demokratische Abgeordnete Rolanda Hollis gedacht haben, als sie
vergangene Woche einen Gesetzentwurf im Repräsentantenhaus des
erzevangelikalen Bundesstaats Alabama einbrachte. Die Forderung: Männer,
die das 50. Lebensjahr überschreiten oder bereits drei Kinder haben, sollen
zwangssterilisiert werden.
Der alttestamentarische Aphorismus „Auge für Auge, Zahn für Zahn“ passt an
dieser Stelle tatsächlich sehr gut. Denn natürlich ist es nicht der Plan
der Abgeordneten Hollis, halb Alabama stillzulegen. Der Antrag ist
[1][lediglich eine Reaktion auf das derzeit strikteste
Antiabtreibungsgesetz der Vereinigten Staaten], das die Gouverneurin von
Alabama, Kay Ivey, im Mai mit den Worten „Jedes Leben ist ein Geschenk
Gottes“ unterzeichnete.
Derzeit wird dieses Gesetz zwar noch vor dem Obersten Gerichtshof des
Bundesstaates verhandelt, träte es jedoch in Kraft, wäre ein
Schwangerschaftsabbruch selbst nach einer Vergewaltigung nicht mehr
möglich.
Alle Männer, die dieses Antiabtreibungsgesetz zwar zu Recht schwachsinnig
finden, bei Hollis’ Vasektomie-Antrag aber trotzdem kurz aufgeschrien und
sich schützend an ihre Kronjuwelen gefasst haben, aufgepasst:
## Männliche Bringschuld
Rolanda Hollis’ Seitenhieb auf die Gesetzgebung in Alabama macht nämlich
ganz nebenbei auf etwas anderes aufmerksam: „Zum Tangotanzen gehören immer
zwei“, kommentierte sie ihren Antrag sinngemäß auf Twitter. Trotzdem liegt
die Bringschuld bei der Familienplanung bis heute bei der Frau. Nicht nur
in den Vereinigten Staaten, sondern auch hier in Deutschland.
Pille, Spirale, Nuva-Ring, Depot-Spritze: Die Liste der Verhütungsmittel
für die Frau ist lang. Männer haben das Kondom und die Vasektomie. Punkt.
Die Pille für den Mann gibt es zwar theoretisch, sie ist aber nicht als
Arzneimittel zugelassen. Der Grund: Der Eingriff in den Hormonhaushalt wäre
zu groß. Ein Risiko, das man Frauen zumutet, Männern aber nicht.
Bleibt also die Vasektomie. Wenn man sich die Sache genauer anschaut,
spricht wenig, sehr wenig gegen diesen Eingriff. Vorausgesetzt, die eigene
Familienplanung ist bereits abgeschlossen.
Zwei kleine Schnitte in den Hodensack, zwei weitere, um die Samenleiter zu
durchtrennen. Samenleiter abbinden, Hoden zunähen, das war’s. Das alles
ambulant und bei örtlicher Betäubung. Dauer des Eingriffs: 15 bis 20
Minuten. Kostenpunkt für den Eingriff allein: circa 250 Euro. Die
Vasektomie hat sich gegenüber der Pille also nach nicht mal einem Jahr
amortisiert. Nebenwirkungen gibt es in aller Regel nicht, und wer nach
einigen Jahren beschließt, doch noch Nachwuchs zeugen zu wollen, kann
vorher Sperma einfrieren oder sich Samen zur Befruchtung entnehmen lassen.
## Kaum Nebenwirkungen
„Im Prinzip ist die Sterilisation des Mannes die Methode mit den wenigsten
Nebenwirkungen“ und dabei auch [2][noch sicherer als das Kondom oder
hormonbasierte Verhütungsmethoden wie die Pille,] sagt der Urologe Wolfgang
Bühmann der taz.
So abgedreht der Antrag von Frau Rolando Hollis also klingen mag und so
sehr man den Männern in Alabama wünschen mag, dass ihre Forderung kein
Gesetz wird, so lehrreich ist er auch. Erstens, weil er zeigt, wie daneben
Antiabtreibungsgesetzgebung generell und die in Alabama im Speziellen ist,
und zweitens, weil er Aufmerksamkeit dafür schafft, wie einfach und
risikoarm Familienplanung sein kann. Zumindest, wenn sie gleichberechtigt
diskutiert würde.
In diesem Sinne: Schnipp, schnapp, Samenleiter ab!
17 Feb 2020
## LINKS
[1] /Kommentar-Abtreibungsverbot/!5595866
[2] https://www.bento.de/politik/warum-gibt-es-noch-keine-pille-fuer-den-mann-a…
## AUTOREN
Patrick Wagner
## TAGS
Männer
Familienplanung
Schwerpunkt Abtreibung
Sterilisation
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