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# taz.de -- Inklusive Fußball-Liga in England: Spiel ohne Grenzen
> In Großbritannien kicken Menschen aller sexuellen Orientierungen und
> Identitäten in einer landesweiten Liga. Ein Besuch bei einer Partie in
> Bristol.
Bild: Fußball ohne Vorurteile: Die britische Liga des Gay Football Supporters …
Bristol taz | Fußballspielen ist anstrengend an diesem feuchtkalten
Samstagnachmittag im Dezember. Der Kunstrasen des South Bristol Sports
Centre ist rutschig, der Ball durch starke Windböen unberechenbar. Das
Publikum ist dick eingepackt, viele sind lieber zu Hause geblieben. Auf dem
Platz lässt sich niemand beeindrucken, für Bristol City Panthers FC und
Leicester Wildcats FC geht es um wichtige Punkte. Beide Teams spielen in
der britischen [1][Liga des Gay Football Supporters Network], kurz GFSN.
Sie sind LGBTQ+-inklusiv, für Menschen aller sexuellen Orientierungen und
Identitäten.
Inklusion – offensichtlich ein Erfolgsmodell. „Hier gibt es einfach keine
Vorurteile“, betont Mike Kalogerou aus Leicester. Als Kind überredete ihn
ein Freund, bei den Wildcats vorbeizuschauen. Er blieb, spielt bis heute
und ist mittlerweile im Vorstand des GFSN. „Ich habe sofort gute Freunde
gefunden“, erinnert er sich, „und das war für mich noch wichtiger als der
Sport.“
So ging es auch Stürmerin Samantha Walker, die seit einigen Monaten in
Bristol wohnt: „Dank den Panthers habe ich mich sofort zu Hause gefühlt.“
Zuvor spielte sie beim Soho FC, ebenfalls inklusiv. Jagte sie bereits mit
vier Jahren dem Ball hinterher, kam Verteidiger und Pressesprecher Jonathan
Downing erst mit 28 Jahren zum Fußball. „Ich bin vor fünf Jahren hergezogen
und wollte Kontakte zu Gleichgesinnten aus der LGBTQ-Gemeinschaft knüpfen“,
erzählt er. Die fand er bei den Panthers. Kalogerou lernte sogar seinen
Lebenspartner über den Fußball kennen.
Das Problem in klassischen Teams? Kalogerou ist nachdenklich:
„Männerfußball wird immer noch von selbst ernannten Alpha-Männchen
dominiert, vor allem die Fanclubs.“ Anfeindungen nach dem Coming-out seien
leider immer noch sehr verbreitet. Nicht nur gegen Männer, wie Walker weiß.
Als Teenagerin trainierte sie unter anderem an der Watford Academy und galt
als Ausnahmetalent. Mit dem Bewusstsein, transgeschlechtlich zu sein, kam
die Angst davor.
## Strikt gegen Abschottung
„Mein Umfeld hatte klare Ansichten, wie ein Junge zu sein hat“, erinnert
sie sich. Der Konflikt zwischen Erwartung und ihren eigenen Bedürfnissen
führte zu seelischen Problemen und sie kehrte dem Fußball den Rücken. Erst
mit 26 Jahren schaffte sie ihr Coming-out und kam schließlich nach über
acht Jahren zum Fußball zurück. In einem Frauenteam hielt sie es nur ein
halbes Jahr aus. Ihr wurde vorgeworfen, als „Mann“ sportliche Vorteile zu
haben. Walker, etwa 1,75 m groß und schlank, verdreht die Augen. „Viele
Frauen waren größer als ich, beim Zusammenstoß bin ich einfach abgeprallt.
Mein einziger wirklicher Vorteil: Ich hatte eine hervorragende
fußballerische Ausbildung.“ Einige ehemalige Mitspielerinnen haben sich
mittlerweile bei ihr entschuldigt.
Samantha Walker ist strikt gegen Abschottung: „Fußball ist für alle da!“
Auch für heterosexuelle Menschen wie Chris Miles, seit eineinhalb Jahren
Trainer der Panthers. Er hat eine Profi-Lizenz, fühlt sich aber so wohl,
dass er nicht wegmöchte. „Ich kenne kaum so ein harmonisches Team wie
dieses. Und auch kein derart lernwilliges“, erklärt er. An den Job kam er,
weil sein Bruder hier spielte. Die Panthers sind in der Stadt präsent. 2018
nahmen sie erstmals an der Bristol Pride teil. „Die Zuschauer waren positiv
überrascht, einen Fußballverein dort anzutreffen“, erinnert sich Jonathan
Downing. Walker hat eine Kampagne gestartet. Sie spricht öffentlich über
ihre Vergangenheit, die Konflikte zwischen Sport und Geschlechtsangleichung
und die schlimmen Folgen für ihr Leben. „Das möchte ich anderen ersparen“,
erklärt sie. „Die Botschaft ist: Menschen müssen so leben können, wie sie
möchten – und auch den Sport machen können, den sie lieben!“
Eine landesweite LGBTQ+-Liga gibt es in [2][Deutschland] noch nicht – aber
Ideen, die sich der Thematik stellen. Der Berliner Fußballverband überlässt
Menschen, die im Ausweis keinen oder den Geschlechtseintrag „divers“ haben,
in welchem Team sie spielen möchten. Bei transgeschlechtlichen Menschen
erfolgt eine Einzelfallentscheidung. Auch gemischte Teams sollen überdacht
werden. Im Vereinigten Königreich und in Irland gibt es bereits etwa 30
inklusive Freizeitteams, 14 spielen in der GFSN-Liga. Ursprünglich von
schwulen Fußballfans ins Leben gerufen, öffneten sie sich bald für die
ganze LGBTQ+-Gemeinschaft. Die Panthers setzten schon bei der Gründung im
Jahr 2000 auf Inklusion.
Die Ausweitung des inklusiven Modells liegt allen am Herzen. Mike Kalogerou
möchte „die Grenze zwischen unserer Gemeinschaft und den übrigen
Sporttreibenden komplett einreißen“, etwa durch die Aufnahme inklusiver
Teams in die allgemeine Fußballliga. „Inklusion könnte das Standardmodell
der Zukunft sein“, ist Samantha Walker überzeugt. „Ein Team besteht ja
nicht nur aus einzelnen Mitgliedern. Alle haben individuelle Fähigkeiten,
völlig egal welches Geschlecht, welche Orientierung, welche Vorlieben sie
haben.
Diese Fähigkeiten sinnvoll zu verknüpfen, das macht doch in Wirklichkeit
die Stärke des Teams aus.“ Natürlich gebe es auch typische Unterschiede. So
sei klassischer Männerfußball oft kraftbetonter. „Ich mag Frauenfußball
deshalb lieber“, erklärt sie. „Sie spielen weniger aggressiv, dafür mit
ausgefeilterer Technik und Taktik.“ Das stellt sie unter Beweis, als sie
eineinhalb Minuten nach Spielbeginn einem deutlich kräftigeren Gegenspieler
gewieft den Ball abnimmt und einen Treffer erzielt. 2:2 trennen sich
Panthers und Wildcats am Ende.
11 Feb 2020
## LINKS
[1] https://en-gb.facebook.com/GayFootballSupportersNetwork/
[2] /Homophobie-im-Fussball/!5289751
## AUTOREN
Steffen Loh
## TAGS
Fußball
Schwerpunkt LGBTQIA
Großbritannien
Fußball
Fußball
Frauenfußball
Homosexualität im Profisport
Georgien
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