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# taz.de -- Radfahren in Nigeria: Nachts ohne Licht und Gullys
> Nigerias Megacity Lagos versinkt im Verkehrschaos. Der Umstieg aufs
> Fahrrad könnte helfen. Dem stehen einige Tücken entgegen – und ein
> Imageproblem.
Bild: Godfrey Angya verkauft seit Jahren gebrauchte Fahrräder
Lagos taz | In [1][Ikoyi], einem der besonders teuren Wohn- und
Geschäftsviertel von Lagos, hat Godfrey Angya ein kleines Unternehmen
aufgebaut. Das Geschäft liegt unter freiem Himmel an der Bayo Kuku Road
Ecke Gerrard Road und besteht aus einem guten Dutzend Fahrrädern in allen
Größen, die er an einem Zaun aufgereiht hat.
Zudem bietet er Ersatzteile an und führt Reparatur- und Wartungsarbeiten
durch. „Fahrräder waren schon immer meine Leidenschaft“, sagt der
44-Jährige, der ursprünglich aus dem Bundesstaat Benue im Zentrum des
Landes stammt. Lange musste er auf ein eigenes Rad verzichten. Seine Mutter
hatte nicht genügend Geld dafür. Ein geschenktes Fahrrad durfte er nicht
annehmen. Erst als er nach Lagos, mit 21 Millionen EinwohnerInnen die
größte Stadt des Landes zog, konnte er sich sein erstes Rad leisten.
Daraus hat Godfrey Angya vor mehr als zehn Jahren ein Geschäft gemacht. Er
verkaufte das Rad einem Freund, kaufte sich ein neues. Neben dem Handel mit
gebrauchten Rädern entstand ein Verleih. Angya muss immer wieder gegen den
Autolärm ansprechen.
Entweder wird gehupt oder ordentlich aufs Gas gedrückt, falls sich auf der
viel befahrenen Gerrard Road tatsächlich eine Lücke auftut. Das könnte
anders werden, wenn in der [2][Megacity Lagos] viel mehr Menschen aufs
Fahrrad umstiegen. Mit seinem kleinen Unternehmen will Godfrey Angya dazu
einen Beitrag leisten.
## Radeln gilt als hochgefährlich
Es gibt keine Zahlen, wie viele Menschen in Lagos Fahrrad fahren oder sich
vorstellen könnten umzusteigen. Radfahrer sind noch immer eine Seltenheit
im Stadtbild, gilt das Radeln hier doch als umständlich – und
hochgefährlich: Es gibt kein Radwegenetz, die Abwasserkanäle sind nicht
abgedeckt, der Verkehr ist verglichen mit Europa aggressiv.
Gleichzeitig braucht die City dringend und schnell Alternativen, sagt
Olamide Udoma Ejorh von der Organisation Entwicklungsinitiative für Lagos
(LUDI): „Mobilität ist für alle, egal ob superreich oder Geringverdiener,
eine große Herausforderung. Die Staus sind ein riesiges Problem.“
Wer Pech hat, braucht in Lagos für wenige Kilometer mehrere Stunden.
Alternativen wie Schienenverkehr oder Fähren gibt es nicht. Bisher konnte
man Staus mitunter auf einem Okada, einem Moped-Taxi, umfahren. Zum 1.
Februar hat die Landesregierung diese jedoch von den Hauptverkehrsstraßen
verbannt – sie galten zwar als das schnellste Verkehrsmittel im Land, aber
auch als das gefährlichste.
In einigen Vierteln dürfen sie schon länger nicht mehr genutzt werden.
Betroffen sind auch Unternehmen wie Gokada und ORide, die 2019 in Lagos
populär geworden sind. Die Taxen ließen sich per App bestellen, der Fahrer
brachte einen Helm mit, der Preis musste nicht langwierig ausgehandelt
werden.
## Mopeds verlieren Bedeutung
In einem öffentlichen Transportsystem, das nach Einschätzung von Olamide
Udoma Ejorh zuverlässig und bezahlbar sein muss, dürften die Mopeds künftig
aber an Bedeutung verlieren. Mehr Raum für Fußgänger*innen und
Radfahrer*innen zu schaffen, ist deshalb umso wichtiger.
„Wir müssen dafür nicht die komplette Infrastruktur ändern, Hindernisse
müssen aber verschwinden: Gibt es abends genügend Licht? Sind Gullys
abdeckt?“ Das Verkehrsministerium hat zwar 2018 einen Strategieplan für den
nicht motorisierten Verkehr veröffentlicht. „Doch das reicht nicht aus. Es
braucht auch Lobbyarbeit“, erklärt die Mobilitätsexpertin Ejorh.
Darum bemühen sich seit dem vergangenen Jahr die drei Jungunternehmer von
Awa Bike, Damilola Olugbemi, Ifeoluwa Ogundipe und Ibukun Tunde-Oni. Ihre
[3][leuchtend grünen Räder] fallen schon von Weitem auf. Für die Mieträder,
die ebenfalls per App und Kundenkonto verliehen werden, gibt es in Lagos
derzeit drei Standorte mit gut 200 Rädern.
Noch werden sie ausschließlich auf zwei Hochschul-Standorten und einer
Siedlung genutzt. Der Vorteil: So können sie leichter zeitnah gewartet und
zur Leihstation gebracht werden. Ziel ist es aber, dass die Fahrräder
künftig nicht nur in der ganzen City, sondern auch in anderen Städten
Nigerias verliehen werden. Ibukun Tunde-Oni, der eigentlich Arzt ist, geht
es dabei nicht nur um bessere Mobilität: „Wir müssen auch über den
Klimawandel und Gesundheit sprechen.“
Alle Welt fährt Rad. In Nigeria gibt es allerdings auch noch ein
Imageproblem, sagt Tunde-Oni. Dort gilt das Auto als Statussymbol. Wer sich
das nicht leisten kann, hat zumindest ein Moped. Doch ständig steigende
Kosten könnten das neben dem Verkehrschaos ändern. Werbung in sozialen
Netzwerken und Radtouren oder Lernkurse für Einsteiger seien jetzt wichtig,
sagt Tunde-Oni. Alles solle den Lagosians vermitteln: Fahrradfahren ist
cool, meint Tunde-Obi, „unsere Fahrräder sind cool“.
3 Mar 2020
## LINKS
[1] /Archiv-Suche/!5453609&s=Ikoyi&SuchRahmen=Print/
[2] /Archiv-Suche/!5653888&s=nigeria&SuchRahmen=Print/
[3] https://awabike.com/
## AUTOREN
Katrin Gänsler
## TAGS
Fahrrad
Mobilität
Nigeria
Schwerpunkt Rassismus
Gentrifizierung
Tour de France
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