Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Pressefreiheit in Gefahr: Retten wir Julian Assange
> Aus einem Mann wurde ein Monster und aus Journalismus Spionage: Die
> Öffentlichkeit hat sich im Fall Assange manipulieren lassen. Ich auch.
Bild: Wikileaks-Gründer Julian Assange in London: Sein öffentliches Bild wurd…
Die Öffentlichkeit ist manipulierbar, das ist bekannt. Es ist unfassbar,
wie leichtgläubig Leute alles schlucken, was ihnen von interessierter Seite
vorgesetzt wird. Mir kann das nicht passieren. Ich durchschaue die Gesetze
der Kommunikation. Bilde ich mir ein. Es ist unfassbar, wie leichtgläubig
ich mir selbst gegenüber bin und wie gerne ich diesen Selbstbetrug mit der
Realität verwechsle. Wie mir vor einigen Tagen schmerzlich bewusst wurde,
als der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, dramatische –
ja: [1][dramatische – Vorwürfe] im Zusammenhang mit der Behandlung von
Julian Assange, dem Mitbegründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, erhob.
Den Fall Assange fand ich immer unappetitlich, und ich habe mich wenig
dafür interessiert. Der Mann ist mir nicht sympathisch, er sieht auch nicht
so gut aus wie der Whistleblower Edward Snowden. Als ob Menschenrechte nur
für diejenigen gelten, die ich nett oder sexy finde.
Es hat in den letzten Jahren nicht an Appellen gefehlt, sich für Assange
einzusetzen. Mit denen habe ich mich nicht ernsthaft auseinandergesetzt. Es
wird schon alles irgendwie seine Richtigkeit haben, dachte ich. Wenn ich
überhaupt darüber nachdachte. Offenbar war ich da nicht die Einzige. Wie
Nils Melzer berichtet, wurde er auch im Auswärtigen Amt gefragt, warum er
sich überhaupt mit dem Fall befasse. Seine Antwort könnte nicht deutlicher
sein: „Julian Assange hat Folter aufgedeckt, er wurde selber gefoltert und
könnte in den USA zu Tode gefoltert werden.“
Der UN-Sonderberichterstatter zögerte ebenfalls lange, sich der Sache
anzunehmen: „In meiner von den Medien geprägten Wahrnehmung hatte auch ich
das Vorurteil, dass Julian Assange irgendwie schuldig ist und, ja, dass er
mich manipulieren will.“ Nach Studium der Akten hat er seine Ansicht
geändert. Nun wirft er Behörden in Schweden, Ecuador, Großbritannien und
den USA vor, „mit ihrer geballten Macht“ aus „einem Mann ein Monster“
gemacht zu haben.
## An Assange ein Exempel statuieren
Ziel sei es, an Assange ein Exempel zu statuieren. Er habe Kriegsverbrechen
bekannt gemacht. Aber statt die Verbrecher zu bestrafen, „sitzt der Mann,
der die Öffentlichkeit informiert hat, in London in Auslieferungshaft und
könnte in den USA dafür 175 Jahre ins Gefängnis kommen“. Und weiter: „175
Jahre unter Haftbedingungen, die vom UNO-Sonderberichterstatter und von
Amnesty International als unmenschlich eingestuft werden. Das wirklich
Erschreckende an diesem Fall ist der rechtsfreie Raum, der sich entwickelt
hat: Mächtige können straflos über Leichen gehen, und aus Journalismus wird
Spionage.“
Die Bilanz von Nils Melzer: „Ich bin überzeugt, dass wir in ernsthafter
Gefahr sind, die Pressefreiheit zu verlieren.“ Wenn ein Mann wie der
UN-Sonderberichterstatter für Folter so etwas sagt, dann kann und sollte
das der Öffentlichkeit in einem demokratischen Land nicht gleichgültig
sein. Aber gilt das nur, wenn jemand in einer einflussreichen Position
warnend die Stimme erhebt?
Ich fürchte: Ja. Das sagt eine Menge über Lippenbekenntnisse zugunsten von
Graswurzelbewegungen aus, auch über meine eigenen. Ich wünschte, ich könnte
sagen, dass ich meine Lektion gelernt habe und künftig genauer hinschauen
werde, wenn Vorwürfe laut werden, dass der Rechtsstaat versagt und
Menschenrechte missachtet werden. Aber ich will mich da nicht überschätzen.
Immerhin: Vielleicht lässt sich wenigstens Julian Assange noch retten. Am
24. Februar beginnt in London die Anhörung über sein
Auslieferungsverfahren.
7 Feb 2020
## LINKS
[1] https://www.republik.ch/2020/01/31/nils-melzer-spricht-ueber-wikileaks-grue…
## AUTOREN
Bettina Gaus
## TAGS
Kolumne Macht
Julian Assange
Schwerpunkt Pressefreiheit
Whistleblower
Julian Assange
Schwerpunkt Rassismus
Whistleblower
Julian Assange
Julian Assange
Julian Assange
Julian Assange
## ARTIKEL ZUM THEMA
Auslieferungsverfahren Julian Assange: Leben oder Tod
Im Auslieferungsverfahren gegen Wikileaks-Gründer Julian Assange verstößt
Großbritannien gegen die Menschenrechte.
Gesellschaftsverändernde Ereignisse: Tschernobyl, Mauerfall, Corona
Es gibt Geschehnisse, die alles verändern. Das ist ganz sicher auch im Fall
von Corona so. Einiges wird aber doch bleiben. Rassismus zum Beispiel.
Julian Assange vor Gericht: Bedrohte Pressefreiheit
Auf den Wikileaks-Gründer Julian Assange wartet in den USA eine Anklage
wegen „Hackens“ und Spionage. Dahinter stehen Rachegefühle.
Wikileaks und Pressefreiheit: Keine Auslieferung von Assange
Julian Assange darf nicht an die USA ausgeliefert werden, fordert Reporter
ohne Grenzen. Der Wikileaks-Gründer solle umgehend freigelassen werden.
Bündnis für Meinungs- und Pressefreiheit: Appell für Assange
Prominente aus Politik, Wissenschaft, Kultur und Medien fordern die
Freilassung Julian Assanges. Sie sehen den Rechtsstaat in Gefahr.
Solidarität mit Wikileaks-Gründer: Gegen die Auslieferung Assanges
Wie kann die Überstellung Assanges an die USA verhindert werden? Die
Anwälte des Wikileaks-Gründers stellen ihre Strategie vor.
Wikileaks und Pressefreiheit: Solidarisch mit Julian Assange
Was wäre von einem Prozess gegen Assange aufgrund von Whistleblowing zu
erwarten? Sicher ist: Er würde eine Gefahr für die Pressefreiheit
darstellen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.