Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Erdbebenserie in Puerto Rico: Tausende schlafen auf Parkplätzen
> Seit über drei Wochen erschüttern Erdbeben das US-„Außengebiet“ Puerto
> Rico. Hilfe aus Washington kommt nur zögerlich, wie beim letzten
> Hurrikan.
Bild: Wütende Menschen ziehen zum Kapitol in San Juan wegen unterlassener Vert…
Cabo Rojo taz | Bei der Apotheke am Hauptplatz von Cabo Rojo im Südwesten
von Puerto Rico ebbt der Betrieb seit dem schweren Erdbeben am 7. Januar
nicht mehr ab. Viele KundInnen verlangen Schlafmittel und Psychopharmaka,
der Apotheker händigt die Mittel auch ohne Rezept aus. „Wir haben hier
nicht mehr genug Ärzte“, sagt er, „und die verbliebenen sind völlig
überfordert.“
Eine Frau in der Warteschlange berichtet von schlaflosen Nächten. Eine
andere spricht über die Hunde der Nachbarn, die in der Vornacht wieder
viermal angeschlagen haben. „Sie bellen vor jedem Beben“, sagt sie. Ihr
Haus hat trotz der 186 spürbaren und der 1.104 gemessenen Erdbeben, die
schon in den ersten beiden Wochen dieses Jahres im Südwesten der Insel
erfasst worden sind, keinen Schaden genommen. Aber mit ihrer Seelenruhe ist
es vorbei.
In der Nachbarschaft und in den Nachbarorten sind zahlreiche Privathäuser,
Schulen und andere öffentliche Gebäude einsturzgefährdet. An Fassaden
klaffen tiefe Risse. Oft haben sie sich x-förmig zwischen Fenstern und
Türen in die Gemäuer gegraben. Auch Kirchtürme und vermeintlich solide alte
Häuser sind betroffen.
Die Behörden haben Zwangsevakuierungen angeordnet und bislang acht
Notunterkünfte eingerichtet. Ganze Familien sind aus ihren Wohnräumen in
Zelte umgezogen oder schlafen in Autos. In Ponce, der zweitgrößten Stadt
der Insel, die besonders hart von den Beben betroffen ist, leben Tausende
seit Wochen auf Parkplätzen. Die Stromversorgung auf der Insel fiel für
vier Tage komplett aus. Vielerorts sind die InsulanerInnen immer noch auf
ihre privaten Notstromaggregate angewiesen.
## Die Experten sprechen von „Erdbebenschwärmen“
Die Serie von Erdbeben erschüttert die Karibik-Insel seit dem 28. Dezember.
Die Experten sprechen von „Erdbebenschwärmen“. Sie erklären, dass
verschiedene Platten an dem aus Vulkanen entstandenen Meeresgrund in
Bewegung geraten sind. Insbesondere die große karibische gegen die große
nordamerikanische Platte. Aber sie können nicht sagen, ob und wie lange und
mit welcher Stärke die Beben weitergehen werden.
In manchen Nächten hat die Erde seit dem 28. Dezember ein halbes und bis zu
einem ganzen Dutzend Mal gebebt. Die meisten Beben blieben unter der Stärke
4. Aber immer wieder gehen sie auch weit über die Stärke 5 hinaus. In der
Nacht zum 7. Januar erschütterte das bislang stärkste Beben die Insel mit
einer Stärke von 6,4.
In den Minuten nach dem Beben um 4 Uhr 24 morgens flüchteten Zigtausende
Puerto RicanerInnen, insbesondere solche, die direkt am Meeresufer leben,
aus ihren Häusern. Viele hatten Tsunamiwarnungen auf ihren Handys erhalten.
Andere brauchten diese Warnung, die sich später als falsch entpuppte, gar
nicht, weil das starke Erdbeben ihnen schlagartig automatisch die
Erinnerung an die Horrorgeschichten wachrief, die sie über das letzte große
Beben gehört hatten. Im Oktober 1918 hatten wenige Minuten nach dem
San-Fermín-Beben bis zu sechs Meter hohe Flutwellen Dutzende Menschen
getötet.
Dieses Mal starb nur ein Mann in Ponce an den direkten Folgen des
Erdbebens. Wenige Nächte später kam eine Frau, in der Aufregung über ein
neues Nachbeben, durch einen Herzstillstand ums Leben. Aber viele andere –
insbesondere DiabetikerInnen und andere, die auf regelmäßige medizinische
Versorgung und eine solide Stromversorgung angewiesen sind – leiden.
## Die Folgen von „Maria“ noch nicht überwunden
Für die drei Millionen EinwohnerInnen der Insel, ein „Außengebiet“ der US…
ist es eine neue Katastrophe. Dabei sind die Folgen der vorausgegangenen
immer noch spürbar. Im Jahr 2017 starben Tausende im [1][Hurrikan „Maria“]
und an seinen Folgen. Immer noch erinnern provisorische Dächer, schlecht
geflickte Straßen und ein pannenanfälliges Netz von Wasser- und
Stromversorgung an den zerstörerischen Sturm.
In den Jahren vor „Maria“ hatte die Verschuldung der Insel, die auf nominal
72 Milliarden Dollar im Jahr 2015 gestiegen war, die Insel erschüttert.
Washington hat Puerto Rico seither einen rigorosen Austeritätsplan
aufgezwungen, der die Infrastruktur noch weiter geschwächt und auch zur
Schließung von Krankenhäusern und Schulen geführt hat.
Nach jeder neuen Katastrophe der letzten Jahre haben Hunderttausende Puerto
RicanerInnen die Insel Richtung Kontinent verlassen. Angesichts der
Erdbeben zeigte die Regierung in Washington, die politisch über Puerto Rico
entscheidet, obwohl die InsulanerInnen nicht wahlberechtigt sind, erneut
die kalte Schulter. Washington bewilligte erst in der vergangenen Woche
eine Katastrophenhilfe.
Während Präsident Donald Trump noch abwartete, kam unter anderem der
Gouverneur des Bundesstaats New York, Andrew Cuomo, mit Decken und einem
Tross von BauingenieurInnen auf die Insel. In seinem Bundesstaat lebt die
größte puerto-ricanische Exilgemeinde.
21 Jan 2020
## LINKS
[1] /Nach-Hurrikan-ueber-Puerto-Rico/!5450785
## AUTOREN
Dorothea Hahn
## TAGS
Puerto Rico
Erdbeben
Donald Trump
USA
Puerto Rico
USA
Schwerpunkt Klimawandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Nach Massenprotesten in Puerto Rico: Gouverneur kündigt Rücktritt an
Ricardo Rosselló will nun doch sein Amt niederlegen. Das gab er
überraschend per Videobotschaft bekannt. Seit zwei Wochen wird auf der
Karibikinsel gegen ihn protestiert.
Rücktrittsforderung in Puerto Rico: Der trotzige Gouverneur
In Puerto Rico protestieren die Menschen gegen Gouverneur Rosselló. Obwohl
dieser kaum mehr Unterstützung hat, will er nicht gehen.
Klima-Risiko-Index in Kattowitz: Größter Schaden in Puerto Rico
Das vergangene Jahr brachte so viele Wetterschäden wie noch nie: über
11.000 Tote, viele Milliarden Verluste. Am stärksten betroffen sind arme
Länder.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.