# taz.de -- Fridays for Future: Greta und die #Rezoluzzer | |
> Die Klimabewegung argumentiert mit Fakten und Vernunft. Sie will nicht | |
> belehren, sondern fordert dazu auf, Beschlüsse umzusetzen. | |
Bild: 20. September 2019, globaler Streiktag für das Klima, in München | |
Was ist da eigentlich passiert im letzten Jahr? Im März folgen weltweit | |
über eine Million junge Leute dem Vorbild Greta Thunbergs und streiken für | |
den Klimaschutz. Im Mai geht in Deutschland das Video von Rezo viral. Dann | |
die Ergebnisse der Europawahl: Schock in den Volksparteien. Nach der | |
[1][Ansprache von Greta Thunberg vor den UN] schreibt der Guardian über | |
die 16-Jährige: „Sie zeigt der Welt, was Führung heißt.“ Fridays for | |
Future (FFF) wird für den Friedensnobelpreis gehandelt. | |
Im September treten dann nicht mehr nur die Jungen, sondern ganz | |
unterschiedliche Altersgruppen demonstrierend in den Klimastreik. 27.000 | |
Wissenschaftler*innen erklären sich in einem Aufruf von „Scientists for | |
Future“ mit den Zielen von Fridays for Future solidarisch. Die ersten | |
Reaktionen sind patriarchalisch-autoritär. „Geht zurück in die Schule, | |
Kinder!“, „Überlasst die Klimaforschung den Profis!“ Oder auch zu Rezo: | |
„Das darf der gar nicht!“, „Kann man das vielleicht gesetzlich in den Gri… | |
kriegen?“ | |
Die zweite Reaktionswelle, nach der Europawahl: „O Gott, wir verlieren die | |
Jugend!“, „Wir haben keine Netzkompetenz.“ Und dann: „Bitte lasst uns | |
wieder miteinander reden.“ Die dritte Reaktionswelle: In den Parteien und | |
im politischen Apparat entsteht nackte Angst vor Wahlstimmenentzug und | |
Machtverlust. Das Thema wird schlagartig auf die Tagesordnung gesetzt, um | |
an der Macht bleiben zu können. Das Klimapaket wird geschnürt. | |
Der eigentliche Erfolg der Bewegung ist, dass sie einen überraschenden | |
neuen Diskurs über das Thema Klimaschutz in Gang bringt. Es wird neu | |
durchdacht. Das Problem, das seit dem Bericht des Club of Rome 1972, also | |
seit 45 Jahren bekannt ist, erfährt eine neue, verblüffende Dringlichkeit. | |
Der unmittelbare Bezug auf die Menschheit, auf die junge Generation selbst | |
ist neu. Und das ist die Quelle ihrer Wucht. In der „How dare you“-Rede, | |
„Wie könnt Ihr es wagen“, sagt Greta Thunberg: | |
## FFF brachte überraschenden neuen Diskus in Gang | |
„Menschen leiden, Menschen sterben, ganze Ökosysteme brechen zusammen, wir | |
stehen am Beginn eines Massensterbens.“ FFF schreibt: | |
„$(LB3616987:„Scientists for Future“|_blank)$.“ Und bei Rezo heißt es | |
schlicht: „Wenn wir nicht krass was ändern, (ist) die Zukunft von der | |
jungen Generation und von allen folgenden Generationen im Arsch.“ | |
Die Klimakrise wird damit auf die eigenen Chancen, ein gutes Leben zu | |
führen, bezogen: Ihr macht unsere Zukunft kaputt! Das ist eine neue | |
Dringlichkeit. Es geht um uns selbst. Nicht so sehr um eine „Um-welt“ da | |
draußen, um irgendetwas Externes, das wir freiwillig, weil wir gute | |
Menschen sind, pfleglich behandeln sollten. Weil wir Bienen lieben, Bäume | |
umarmen, Eisbären süß finden. | |
Nein, hier wird ein direkter Bezug des Handelns und des Nichthandelns auf | |
die Lebenschancen der heute lebenden jungen Menschen hergestellt. Diese | |
dringlichen Botschaften werden mit einer unerwarteten Haltung vorgetragen. | |
Die Jungen rennen nicht gegen die Herrschenden an, sondern sie beobachten | |
sie. Rezo sagt: „Ihr haltet eure eigenen Ziele nicht ein.“ [2][Luisa | |
Neubauer erklärte im taz-Interview]: „Wir sagen nicht, wie es anders und | |
besser geht. | |
Wir sagen: Freunde, könntet ihr mal bitte schleunigst durchsetzen, was ihr | |
schon 1992 in Rio und 2002, 2006 und 2015 alles beschlossen habt?“ Es sei, | |
„als würden wir unsere Eltern und unseren Staat ein bisschen […] erziehen.… | |
Tatsächlich schlüpfe man „in so eine ganz merkwürdige | |
Lehrer-und-Lehrerinnen-Rolle“. Redakteur Peter Unfried bringt es auf den | |
Punkt: „Die ‚Mündigkeitszuständigkeit‘ hat sich umgedreht.“ | |
## Ein Grundkonsens braucht mehr als Fakten | |
Was die neue Bewegung inhaltlich stark macht, ist die Verankerung in der | |
Wissenschaft. Greta Thunberg: „Ihr müsst uns Kindern nicht zuhören, niemand | |
muss kommen, wenn ich rede. Okay. Aber was wir erwarten, ist: Nehmt die | |
Wissenschaft zur Kenntnis“, die sagt, dass „unser CO2-Budget noch für acht | |
Jahre reicht. „Viele glauben, es sei unsere Meinung, die wir hier | |
vertreten. Uns wird gesagt: ‚Wir sind nicht deiner Meinung!‘ Aber schaut | |
euch doch einfach den letzten Bericht des Weltklimarats an. | |
Hier findet ihr alle unsere ‚Meinungen‘ zusammengefasst.“ Der | |
Gültigkeitsanspruch der wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Klimakrise | |
wird von Einstellungen und Meinungen entkoppelt. Ähnlich Luisa Neubauer: | |
„Das Spannende an der Klimakrise ist ja, dass es eine geophysikalische | |
Wahrheit gibt, an der nicht zu rütteln ist, plus minus Abweichung. | |
Wissenschaftliche Tatsachen haben eine andere Stellung als kulturelle | |
Wahrheiten.“ | |
Sie stellt damit „harte“ naturwissenschaftliche gegen „weiche“ kulturel… | |
Wahrheiten bzw. Meinungen. Das ist eine geschickte Argumentationsstrategie, | |
greift aber zu kurz. Die neue Bewegung, sollte genau hier, bei den „weichen | |
Faktoren“, ihre Argumentationen und Handlungsstrategien noch schärfen. Denn | |
aus den objektiven Daten der Klimaforschung ergibt sich nicht automatisch, | |
wie der gesamte gesellschaftliche Transformationsprozess – einschließlich | |
der Frage subjektiver Akzeptanz – fortgesetzt werden kann. | |
Wie auch jene Gruppen einbezogen werden können, die sich bisher mit ihren | |
Einstellungen gegen die Erkenntnisse der Klimaforschung abschotten. Denn um | |
eine wirksame Klimaschutzpolitik wirklich praktizieren zu können, benötigen | |
wir einen gesellschaftlichen Grundkonsens. | |
Dieser entsteht nicht automatisch auf Basis „geophysikalischer Wahrheiten“, | |
sondern es braucht gleichzeitig ein kritisches, sozialökologisches | |
Transformationswissen, das auch die weichen Faktoren der Meinungen und | |
Grundeinstellungen unterschiedlicher sozialer Gruppen berücksichtigt. | |
19 Jan 2020 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Götz | |
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