# taz.de -- Verkehrswende in Hamburg: Radeln mit der grünen Welle | |
> Die Hamburger Grünen haben ihr Ziel beim Ausbau des Radverkehrs verfehlt | |
> – und verdoppeln es für die kommende Legislaturperiode. | |
Bild: Mal direkt neben Autoschlangen, dann wieder ein Radweg: Radeln in Hamburg… | |
Die Hamburger Grünen ziehen mit dem Thema Verkehrswende in den | |
Bürgerschaftswahlkampf. Dazu gehört ein Konzept für die Fahrradstadt mit | |
einigen originellen Ideen und großen Ambitionen sowie ein | |
[1][Innenstadtkonzept], das eine autoarme City mit verkehrsberuhigten | |
Quartieren vorsieht und gern verkürzt als autofreie Innenstadt diskutiert | |
wird. | |
Der Hang zur Verkürzung in öffentlichen Debatten sorgte dabei gerade wieder | |
für Aufregung. „Hamburgs zweite Bürgermeisterin gegen komplett autofreie | |
Innenstadt“, titelte [2][der NDR am Mittwoch] auf seiner Website. Eine | |
komplett autofreie Innenstadt sei „irre und funktioniert so einfach nicht“, | |
hatte Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) während | |
einer zweistündigen Diskussion in der Handelskammer gesagt und der Kollege, | |
wie es sich gehört, machte eine Schlagzeile daraus. | |
Zucken die Hamburger Grünen also zurück, aus Angst ihre Chance, | |
Mehrheitspartei zu werden, zu gefährden? Sind sie weniger ehrgeizig als | |
Oslo, das ja angeblich eine autofreie Innenstadt hat? Mitnichten, denn das, | |
was die Grünen für Hamburg planen, ähnelt sehr dem Konzept der norwegischen | |
Hauptstadt. Es geht um einzelne Quartiere in der Innenstadt, in denen die | |
Lebensqualität durch Eindämmung des Autoverkehrs verbessert werden soll – | |
keineswegs die ganze Innenstadt. | |
In Oslo ist die Rede von 1,2 bis zwei Quadratkilometern, die | |
verkehrsberuhigt werden sollen. Zum Vergleich: Die Hamburger Außenalster | |
ist 1,6 Quadratkilometer groß. Die Quartiere, die die Grünen stilllegen | |
wollen, dürften insgesamt einen halben Quadratkilometer groß sein. | |
## Autofrei kommt an | |
Ihre Äußerung habe sich auf die Volksinitiative „Klimawandel jetzt“ | |
bezogen, die der Bürgerschaft vergangene Woche Unterschriften für eine | |
komplett autofreie Innenstadt innerhalb des ehemaligen Wallrings (siehe | |
Karte) vorlegte. Das geht den Grünen zu weit. „Allein unser Vorschlag ist | |
schon nicht mehrheitsfähig“, sagte Fegebank vor der Presse. Die Idee der | |
Initiative, mit einem Stift einen sehr viel größeren Kreis zu ziehen, sei | |
kontraproduktiv. | |
Die Grünen setzen dagegen auf ein schrittweises Vorgehen und Ausprobieren. | |
Sie tun das im kleinteilig strukturierten Stadtteil Ottensen, wo sie ein | |
paar Straßen versuchsweise autofrei gemacht haben. Sie tun das hinter dem | |
Hamburger Rathaus, ausgerechnet vor der Handelskammer, wo das erstaunlich | |
positiv aufgenommen wurde. Und sie wollen das in Absprache mit den | |
Betroffenen weiter vorantreiben. | |
Gestützt werden sie dabei durch eine [3][aktuelle Umfrage im Auftrag des | |
NDR], in der sich 67 Prozent der Befragten für „autofreie | |
Innenstadtbereiche“ aussprachen. | |
Wie ihr Koalitionspartner SPD setzen die Grünen nicht auf eine | |
Verkehrswende mit der Brechstange, sondern eine, die verlockende Angebote | |
macht. Am deutlichsten zeigt sich das beim Fahrradverkehr, zu dem die | |
Grünen am Donnerstag ihre Ziele vorstellten. Dabei hatte ihnen die CDU | |
gerade unter die Nase gerieben, dass sie in den vergangene fünf Jahren | |
hinter ihren gesetzten Zielen zurückgeblieben sind. | |
Lediglich zwischen 32 und 44 Kilometer Radverkehrsanlagen wurden in den | |
Jahren 2015 bis 2019 jeweils gebaut, saniert und gewidmet. Als Ziel | |
festgelegt hatte die rot-grüne Koalition 50 Kilometer jährlich. Die | |
Bauleistung hänge von verschiedenen Faktoren ab, antwortete der Senat der | |
CDU: der Baustellenkoordinierung, Ressourcen in den Bezirksämtern, bei | |
Planungsbüros und Baufirmen sowie öffentlichen Beteiligungsverfahren. | |
## Billiger als eine U-Bahn | |
Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks sagte dazu: „Wir mussten erst die | |
Strukturen schaffen.“ Rot-Grün habe die neu geschaffene Position einer | |
Radverkehrskoordinatorin erst mal besetzen müssen und dann erst ein Bündnis | |
für den Radverkehr schmieden können. Allerdings zeigen die | |
Fertigstellungszahlen über die Legislaturperiode hinweg keinen stetig | |
steigenden Trend. | |
Was in der zu Ende gehenden Legislaturperiode nur teilweise gelang, | |
versprechen die Grünen in der kommenden Legislaturperiode umso ehrgeiziger | |
anzugehen. 100 Kilometer Radverkehrsanlagen pro Jahr sollen gebaut, saniert | |
und gewidmet werden. Hamburg könnte ruhig mehr Geld für den Radverkehr | |
ausgeben, sagt der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Martin | |
Bill. | |
Die Investitionen lägen im Radverkehr pro Kopf und Jahr heute bei elf Euro. | |
„Die anderen Fahrradstädte geben 40 Euro pro Kopf aus“, sagt Bill mit Blick | |
auf Vorbilder wie Kopenhagen. Radwege zu bauen sei viel günstiger als | |
Straßen oder U-Bahnen zu bauen. „Der Radwegebau“, sagte Bill, „ ist eine | |
sehr kosteneffiziente Möglichkeit, die Infrastruktur zu verbessern.“ | |
## Viele fahren gerne Rad | |
81 Prozent der Hamburger mache das Radfahren Spaß, 73 Prozent sagten, es | |
erhöhe die Lebensqualität. Daran gilt es aus Sicht der Grünen anzuknüpfen. | |
Dafür müsse das Radfahren „schnell, einfach und bequem“ sein, sagte die | |
Zweite Bürgermeisterin Fegebank. | |
Konkret schlagen die Grünen ein Fahrradkomfortnetz vor, auf dem man mit | |
weniger lästigen Stopps unterwegs sein kann. Intelligente Schilder sollen | |
Radlern anzeigen, ob sie schneller oder langsamer fahren müssen, um bei | |
Grün an der nächsten Ampel anzukommen. | |
Es soll mehr baulich abgetrennte Fahrradspuren geben, Radschnellwege ins | |
Umland, gut ausgeschilderte Velorouten, die möglichst als vier Meter breite | |
Fahrradstraßen ausgelegt werden sollen. Vor jedem Mietshaus soll es | |
geschützte und sichere Abstellanlagen geben und das Leihradnetz soll | |
dichter werden. Einiges davon haben die Grünen auch schon vor der letzten | |
Wahl versprochen. | |
23 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Innenstadtkonzept-vorgelegt/!5615795 | |
[2] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Fegebank-gegen-komplett-autofreie-In… | |
[3] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/wahl/buergerschaftswahl_2020/Hamburg… | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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