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# taz.de -- Nachruf auf Harry Kupfer: Ein Tor zur Welt geöffnet
> Der Opernregisseur Harry Kupfer ist tot. Er war ein Weltstar aus der DDR,
> ein charismatischer Workaholic und Wagner-Wiederholungstäter.
Bild: Harry Kupfer in einer Probenpause bei seiner letzten Händelinszenierung …
Harry Kupfer ist tot. Er wurde 84 Jahre. Wenn er ging, dann merkte man ihm
in den letzten Jahren des Alters Mühe an. Wenn er redete nicht. Seine
Stimme, mit der er über seine Herzensangelegenheiten, also die Oper,
redete, schien irgendwie nicht mitgealtert zu sein.
Ich traf ihn im letzten Frühjahr in Berlin. Natürlich musste er zu den
Zeitzeugen gehören, die im Almanach der Freunde der Bayreuther Festspiele
mit ihren Erinnerungen an Wolfgang Wagner zu Worte kommen sollten. Das
Treffen fand in der Komischen Oper statt. Wo auch sonst. [1][Dort bereitete
er gerade seine (nun wirklich) letzte Händel-Inszenierung vor]. Weiter
mache er so lange, wie er eine mehrstündige Chorprobe stehend durchhalte,
meinte er auf seine manchmal flapsige Berliner Art.
Dass er zufrieden war mit dem, was der Intendant Barrie Kosky mit und an
seinem ehemaligen jahrzehntelangen Stammhaus macht, nahm man ihm ohne
Weiteres ab. Kupfer war nicht der Mann, der mit seiner Meinung hinterm Berg
hielt – er war das, was man authentisch nennt. Die heute übliche Praxis im
Opernbetrieb etwa, dass der Dirigent nicht von Anfang an in die
Probenarbeit einbezogen ist, war für ihn schlichtweg eine „Schlamperei“,
die beispielsweise bei Wolfgang Wagner „vollkommen unmöglich“ gewesen wär…
Harry Kupfer war einer der wenigen deutschen Regisseure, die schon vor der
Wiedervereinigung im Osten und Westen Deutschlands Maßstäbe im Musiktheater
setzten. Nach dem Studium begann er Ende der fünfziger Jahre an kleineren
Bühnen der DDR. Sein Berlin-Debüt, 1971 „Frau ohne Schatten“ (Richard
Strauss) brachte es gleich zu Kultstatus. Kupfer war aber zunächst
Operndirektor in Dresden (1972–1981), um dann von 1981 bis 2002 als
Chefregisseur die Komische Oper Berlin entscheidend zu prägen. Für viele
Opernfans in der DDR war es vor allem er, der neben Ruth Berghaus und
Joachim Herz mit seiner Art von Theater das Tor zur Welt im übertragenen
Sinne auch bei geschlossener Mauer offen hielt.
## Kupfer stand für ein realistisches Musiktheater
Harry Kupfer hat viele Stücke mehrfach inszeniert. Meist war seine erste
Version ein echter Wurf. Wer das „Löse von der Welt mich los“ im Dresdner
„Tristan“ (1975) miterlebt hat, oder wem seine Berliner „Salome“ (1979)…
Atem verschlagen hat, der wird das nie wieder vergessen und alles, was
danach kam, daran messen. Zum Glück gab es auch ein paar Gastspiele seiner
„Elektra“, die er 1978 in Cardiff inszeniert hatte, in der DDR. Das ließ
sich mit seinem Bayreuther „Holländer“-Coup von 1978 zwar nicht
wiederholen, aber seiner Weltkarriere verpasste der einen gehörigen Schub.
Klar, dass dann in Bayreuth auch ein Kupfer-Ring (mit Barenboim 1988–1992)
folgte. Zumal die Beziehung von Wolfgang Wagner und Harry Kupfer schnell
einer gegenseitigen Bewunderung wich. Kupfer selbst war immer klug genug,
auch an „seiner“ Komischen Oper die „Intendantenwürde“ zu meiden.
Oberspielleiter, Chefregisseur – das genügte dem charismatischen Workaholic
vollauf, um ein Haus zu prägen. [2][Gemeinsam mit Daniel Barenboim gelang
ihm das in Berlin – vor allem als notorischer Wagnerwiederholungstäter –
dann noch einmal in der Staatsoper unter den Linden].
Kupfer stand für ein realistisches Musiktheater, das er eigenständig
profilierte. Eigentlich hat er in seiner langen Karriere alles inszeniert,
was die Opernliteratur so bietet. Inklusive den DDR-Erstaufführungen von
Neutönern, wie Schönbergs „Moses und Aron“ (1975), Aribert Reimanns „Le…
(1983) oder „Judith“ von Siegfried Matthus (1985).
Neben seiner Dauerpräsenz in Berlin gelang es dem Meister der Personenregie
auch, sich selbst neue Aufgaben zu stellen. Exemplarisch mit dem
„Elisabeth“-Musical in Wien 1992. Harry Kupfer war ein ganz großer seines
Fachs. Für seine Landsleute im Osten Deutschlands kommt hinzu, dass man bei
einer Kupfer-Inszenierung auch vor 1990 gleichsam in der ersten Reihe des
Musiktheaters saß. Gegenüber dieser Dankbarkeit verblassen alle Einwände,
die man in den letzten Jahren gelegentlich gegen seine Inszenierungen
vorbringen konnte.
1 Jan 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Joachim Lange
## TAGS
Komische Oper Berlin
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DDR
Richard Wagner
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Daniel Barenboim
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