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# taz.de -- Nachruf Wolfgang Wagner: Der Herr der Opern ist tot
> 57 Jahre leitete Wolfgang Wagner die Bayreuther Festspiele. Er hielt
> starrsinnig an der Macht fest und war doch ein wahrhaft mutiger
> Festspielleiter.
Bild: Schweres Erbe: Wolfgang Wagner war der Enkel von Richard Wagner und Urenk…
BERLIN taz | Überraschend war es nicht, als Montag Nacht die Nachricht aus
Bayreuth kam: Wolfgang Wagner ist ein halbes Jahr nach seinem 90.
Geburtstag gestorben. Er war eine Ausnahmeerscheinung. Eigensinnig und
polternd, aber auch risikobereit. Und vor allem beharrlich. Wenn es um die
Werke und die Festspiele seines Großvaters Richard ging, dann kannte er
buchstäblich keine Verwandten. Also verkrachte er sich nicht nur mit den
Nachkommen seines Bruders Wieland, sondern auch mit den eigenen Kindern.
Doch er fand auch die Kraft zu später Versöhnung, so wie die mit seiner
Tochter aus erster Ehe, Eva Wagner-Pasquier, die 2008 gemeinsam mit seiner
Tochter aus zweiter Ehe, Katharina, seine Nachfolge in der Festspielleitung
angetreten hat. Erst als er diesen letzten großen Kampf um eine dynastische
Nachfolgereglung auf dem Grünen Hügel gewonnen hatte, zog er sich, mit 89
Jahren, endgültig zurück.
Doch all das, was über Jahrzehnte die weltweite Wagnergemeinde, vor allem
aber das Feuilleton und den Boulevard an Streiterei mit Gott, der Welt, dem
Clan und den staatlichen Instanzen in München so zuverlässig unterhalten
hat, wird letztlich wohl im Anekdotischen versinken. Und was dann bleibt,
ist die ganz besondere historische Leistung eines Mannes, der schon wegen
seiner über Fünfzig Jahre an der Spitze der Richard-Wagner-Festspiele einen
Ausnahmezustand bedeutet.
Gemeinsam mit Bruder Wieland übernahm er 1951 mit Anfang Dreißig die
Leitung der Festspiele, die genauso zum Selbstverständnis des Dritten
Reichs gehört hatten, wie Mutter Winifred zum Freundeskreis des
Wagner-Verehrers Hitler. Auch wenn vor allem dem als Regisseur
talentierteren Bruder Wieland das szenisch und ideologisch entrümpelte
"Neubayreuth" zugeschrieben wird, galt Wolfgang von Anfang an als ein
geschickter Kulturunternehmer. Seit Wielands frühem Tod 1966 schließlich
trug er die Alleinverantwortung. Dass er sich 1973 mit der Umwandlung des
Familienunternehmens in eine Stiftung selbst die Option auf einen
lebenslangen Vertrag als Festspielchef sicherte, und die er dann auch bis
zum Limit ausreizte, ist die eine Seite der Medaille. Die andere aber
bleibt die entscheidende Anpassung des Unternehmens Bayreuth an die
Strukturen eines vor allem von der öffentlichen Hand finanzierten
Kulturbetriebes ohne dabei dessen Alleinstellungsmerkmale aufzugeben!
Seine Inszenierungen galten als handwerklich korrekt aber bieder. Doch es
war eben auch Wolfgang Wagner, der es riskierte 1976 mit Patrice Chereau
einen opernunerfahrenen Franzosen als Regisseur zu verpflichten und ihn mit
seinem musikalisch revoluzzernden Landsmann Pierre Boulez gemeinsam den
Jahrhundert-Ring zu übertragen. Der Chereau-Ring war ein mutiger Coup, der
am Ende gut ging. Sicher fehlen auf der Liste der Hügelregisseure der
Nachkriegszeit einige wichtige Namen. Doch Götz Friedrich (Tannhäuser 1972)
und Harry Kupfer (Holländer 1978) aus der damaligen DDR waren dabei. Auch
das Wagnis mit Heiner Müllers Tristan (1993) und selbst Christoph
Schlingensiefs Parsifal muss man auf sein Konto buchen.
Wie er auch für die Premiere von Stefan Herheims Nachfolgeinszenierung, in
der der Norweger die braun kontaminierte Geschichte von Werk und Ort auf
die Bühne brachte, offiziell noch die Verantwortung trug. Gerade dieser
Wagemut und die Offenheit für Regiehandschriften jenseits des eigenen
Bühnen-Universums des Regisseurs Wolfgang Wagner gehören zu seinen
bleibenden Verdiensten. Sicher lässt sich etliches gegen den Bayreuther
Festspielzirkus einwenden: Aber die Sommerwochen auf dem Grünen Hügel sind
einzigartig. Und das ist vor allem das Verdienst von Wolfgang Wagner.
22 Mar 2010
## AUTOREN
Joachim Lange
## TAGS
Komische Oper Berlin
Nachruf
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