# taz.de -- Iranische Angriffe auf US-Militärbasen: Rechnung ohne Trump | |
> Nach den Militärschlägen äußert sich Irans Regierung auffallend gemäßig… | |
> Ob der Konflikt eskaliert, hängt jetzt vor allem vom US-Präsidenten ab. | |
Bild: Student*innen demonstrieren am Mittwoch in Basra im Südirak gegen die Po… | |
KAIRO taz | Die iranische Antwort kam nur wenige Stunden nach der | |
Beerdigung des von den USA im Irak getöteten iranischen Generals Qasem | |
Soleimani – zu selben Uhrzeit, zu der der General am Freitag getötet worden | |
war. | |
Die erfolgte, nicht wie von vielen erwartet, von Seiten der zahlreichen | |
schiitischen Milizen, die der Iran im Irak kontrolliert, sondern aus dem | |
Iran selbst. Wohl ein Statement, dass man die Rache in die eigene Hand | |
nehmen will. Aber vielleicht auch, weil die Iraner die Verhältnismäßigkeit | |
ihrer Antwort voll unter eigener Kontrolle haben wollten. [1][22 | |
ballistische Raketen wurden vom Iran aus abgefeuert], die meisten auf die | |
Militärbasis Al-Asad im Irak, in der auch US-Soldaten stationiert sind. | |
Es gab offenbar keine oder nur wenige Opfer. Das deutet darauf hin, dass | |
die Iraner, vor allem nach [2][den Massenaufläufen bei Soleimanis | |
Begräbnis] und bei all der Mobilisierung und dem Aufheizen der Gemüter im | |
eigenen Land zwar praktisch gezwungen waren, eine Militäraktion | |
durchzuführen, um ihr Gesicht zu wahren. Dabei waren sie aber anscheinend | |
darauf bedacht, die Lage nicht unnötig zu eskalieren. | |
Das deckt sich auch mit einem [3][Tweet des iranischen Außenministers Javad | |
Zarif], den er nach dem Raketenangriff gepostet hatte und in dem er | |
erklärte, dass es sich bei der iranischen Antwort um eine verhältnismäßige | |
Aktion handelt, die durch Artikel 51 der UN-Charta gedeckt sei, da es sich | |
um ein Ziel gehandelt habe, von dem ein „feiger Angriff auf unser Bürger | |
und einen hohen Amtsträger ausgegangen ist“. Der Iran sei an keiner | |
weiteren Eskalation interessiert, aber werde sich gegen jede weitere | |
Aggression verteidigen, hieß es weiter. So als wolle der oberste iranische | |
Diplomat sagen: Wir haben das getan, um das Gesicht zu wahren. Jetzt wollen | |
wir den Deckel draufsetzen. | |
## Diplomatie per Twitter | |
Der Tweet war wohl ein perfektes Beispiel, wie die hohe Diplomatie | |
inzwischen auf höchster Ebene auf Twitter ausgetragen wird. Auch | |
US-Präsident Donald Trump, wenig bekannt für sein diplomatisches Feingespür | |
auf Twitter, ging zunächst mit einem „All is well“ – „Alles ist gut“… | |
in Washington ins Bett. Wobei man diesen Tweet in alle Richtungen | |
interpretieren kann. Entweder: Es war nicht so schlimm, da es keine Opfer | |
gab. Oder: Wir haben den nächsten Schlag schon vorbereitet. | |
Während Irans Außenminister online versuchte, die Wogen zu glätten, | |
schlugen die Iraner für den heimischen Gebrauch ganz andere, scharfe Töne | |
an. Das Ganze sei eine erste Watsche gewesen; die Revanche für den Tod | |
Soleimanis wird sein, dass die USA die Region verlassen muss, ließ der | |
oberste Revolutionsführer Ayatollah Khamenei verlauten. Gleichzeitig | |
kolportierten iranische Staatsmedien Berichte von bis zu 80 Amerikanern, | |
die bei den Raketenangriffen umgekommen sein sollen. Zu diesem Zeitpunkt | |
sind weder von amerikanischer Seite noch von iranische Seite Opferzahlen | |
offiziell bestätigt. | |
Die zwei brennendsten Fragen zu Stunde lauten einmal: Bleibt es bei dieser | |
iranischen Antwort? Und zum Zweiten: Werden die USA darauf antworten und | |
wenn ja, wie? Dabei ist eines deutlich. Wenn es einen günstigen Moment | |
gibt, die Lage zu deeskalieren, dann sind es die nächsten Stunden. Beide | |
Seiten können sich gesichtswahrend als vermeintliche Gewinner zurückziehen | |
und ihrem heimischen Publikum erklären, dass sie die Krise erfolgreich | |
gemeistert haben. [4][Die USA haben den notorischen iranischen General | |
Soleimani getötet], den sie für den Tod von Amerikanern verantwortlich | |
machen. Der Iran hat von seinem eigenen Boden aus ein Statement gegen die | |
US-Truppen in der Region abgegeben. | |
## Verbündete verhalten sich still | |
Selbst die Verbündeten der USA am Golf, die im Iran den größten regionalen | |
Rivalen sehen und die normalerweise keine Gelegenheit auslassen, in jeden | |
Konflikt mit dem Iran Öl ins Feuer zu gießen, wie Saudi Arabien, verhalten | |
sich auffällig still. Anwar Gargasch, der Staatsminister der Vereinigten | |
Arabischen Emirate für Auswärtiges, [5][twitterte gar, dass Deeskalation | |
jetzt sowohl klug als auch notwendig sei]. Dahinter steckt die Angst, dass | |
die Golfstaaten zu einem iranischen Ziel werden könnten, sollte der | |
Konflikt eskalieren. Im Iran wurden in den letzten Tagen immer wieder | |
öffentlich Szenarien diskutiert, in denen beispielsweise Dubai zur | |
Zielscheibe werden könnte, sollten die USA den Konflikt weiterdrehen. | |
Andere mögliche Ziele wären Ölanlagen in Saudi Arabien oder die 7. | |
US-Flotte, die in Bahrein stationiert ist. | |
Aber die Rechnung der Deeskalation ist ohne Donald Trump gemacht. Der hat | |
im Moment im Wesentlichen drei Optionen. Er kann in dem bisherigen Spiel | |
zwischen Washington und Teheran nach dem Motto, „wie du mir so ich dir“, | |
einfach weitermachen und seinem Militär den Auftrag geben, einen begrenzten | |
Militärschlag auszuführen, der den Iranern auch nicht allzu weh tut. Wenn | |
sich diese Serie allerdings fortsetzt, besteht die Gefahr, dass etwas | |
schief geht oder eine Seite die Nerven verliert. Dieses Szenario kann als | |
leicht außer Kontrolle geraten. | |
Die zweite Möglichkeit, die Trump bereits mehrmals angekündigt hat, wäre, | |
die Lage jetzt vollkommen zu eskalieren. Das würde mit Sicherheit außer | |
Kontrolle geraten, nicht nur im Iran, sondern in der ganzen Region. | |
Außerdem widerspricht das Trumps bisherigem Credo, die US-Militärs nicht | |
mehr in Konflikten in der Region zu verwickeln, sondern sie langsam nach | |
Hause zu bringen. Ein Krieg gegen den Iran ist im Moment nicht populär in | |
der amerikanischen Öffentlichkeit. | |
Die dritte Möglichkeit ist, dass sich Trump nun tatsächlich auf eine | |
Deeskalation einlässt und einen Schlussstrich zieht. Nun ist Trump nicht | |
für sein deeskalierendes Naturell bekannt, aber vielleicht nehmen in diesen | |
unsicheren Zeiten doch die US-Institutionen wie das Militär und die | |
Diplomaten das Zepter in die Hand. Es gibt aber auch Beispiele, in denen | |
Trump nicht auf Eskalation gesetzt hat, etwa beim [6][US-Militärschlag | |
gegen die syrische Luftwaffenbasis von Shayrat im Frühjahr 2017], nachdem | |
die syrische Luftwaffe von dort einen Chemiewaffenangriff geführt hatte. | |
## Gesichtswahrung per Militärschlag | |
Damals hatte Trump mit viel Medien-Trara ein paar teure Marschflugkörper | |
auf die Start- und Landesbahn feuern lassen. Sein Militär stellte sicher, | |
dass dabei keine syrischen Truppen und vor allem keine russischen Soldaten | |
zu Schaden kamen. Der iranische Angriff sieht übrigens dabei so aus, als | |
hätte dieses militärische Antwortmodell, das Gesicht zu wahren, ohne der | |
anderes Seite allzu weh zu tun, Schule gemacht. | |
Aber eines dürfte auch klar sein. Beide Seiten haben jetzt die Möglichkeit, | |
unter einer unmittelbaren Eskalation einen Schlussstrich zu ziehen; der | |
Konflikt zwischen den USA und dem Iran wäre dabei noch längst nicht zu | |
Ende. Vor allem die Iraner denken, wie ihr getöteter General Soleimani, | |
nicht in kurzen taktischen Dimensionen, sondern in langfristigen | |
strategischen. | |
Sie können die USA mit einem langen Atem durch ihr ausgedehntes Netzwerk an | |
von ihnen kontrollierten schiitischen Milizen militärisch ausdauernd | |
sticheln und ihnen den Nerv rauben. Dabei können sie immer unter der Ebene | |
einer großen militärischen Konfrontation bleiben, wohl wissend, dass weder | |
Washingtons Verbündete am Golf noch Trump selbst, noch dessen Militärs an | |
einem großen Krieg in der Region interessiert sind. Das letzte Kapitel ist | |
in dieser Konfrontation noch lange nicht geschrieben. | |
8 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Eskalation-zwischen-Iran-und-USA/!5654544 | |
[2] /Trauerfeier-fuer-General-Soleimani/!5653776 | |
[3] https://twitter.com/JZarif/status/1214736614217469953 | |
[4] /Toetung-durch-US-Drohnenangriff/!5653495 | |
[5] https://twitter.com/AnwarGargash/status/1214812832858021888 | |
[6] /US-Luftangriff-in-Syrien/!5396759 | |
## AUTOREN | |
Karim El-Gawhary | |
## TAGS | |
Iran | |
Donald Trump | |
Qasim Soleimani | |
Schwerpunkt Konflikt zwischen USA und Iran | |
Schwerpunkt Konflikt zwischen USA und Iran | |
Schwerpunkt Konflikt zwischen USA und Iran | |
Schwerpunkt Konflikt zwischen USA und Iran | |
Schwerpunkt Konflikt zwischen USA und Iran | |
Schwerpunkt Konflikt zwischen USA und Iran | |
Schwerpunkt Konflikt zwischen USA und Iran | |
Iran | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Konflikt zwischen USA und Iran: Raketen in Zeiten der Deeskalation | |
Während in Bagdad weitere Raketen einschlagen, wollen die US-Demokraten | |
Trumps Militärbefugnisse begrenzen. Auch zwischen dem Irak und Iran kriselt | |
es. | |
Iranische Community demonstriert: Die Kluft vergrößert sich | |
Für oder gegen die Regierung in Teheran? Die Haltungen zu den jüngsten | |
Eskalationen gehen innerhalb der iranischen Community in Berlin | |
auseinander. | |
Konflikt zwischen Iran und den USA: Zu weit nach vorn gewagt | |
Radikale im Iran haben Rachegelüste geweckt, die sie nicht bedienen können. | |
Die Militärmacht der USA ist größer. | |
US-Reaktion auf iranische Raketen: Sanktionen ja, Militärschlag nein | |
US-Präsident Trump verkündet weitere Sanktionen gegen Iran, aber keine | |
militärische Reaktion. Deutschland soll Atomabkommen aufgeben. | |
Raketenangriff auf US-Stützpunkt: Angst vor Eskalation wächst | |
Die EU und die Türkei bitten um Deeskalation im Konflikt zwischen dem Iran | |
und den USA. Beide behalten sich neue Angriffe vor. Viele Airlines meiden | |
den Luftraum. | |
Eskalation zwischen Iran und USA: Raketen auf US-Soldaten | |
Als Vergeltung für den Tod des Generals Soleimani greift der Iran zwei | |
Militärbasen im Irak an. Sie werden auch von US-Soldaten genutzt. | |
Flugzeugabsturz bei Teheran: Alle Insassen tot | |
Nahe der iranischen Hauptstadt ist eine ukrainische Passagiermaschine | |
verunglückt. Ein mechanisches Problem wird als Ursache vermutet. |