| # taz.de -- Caro Cult über Babylon Berlin: „Es war so wild und so offen“ | |
| > Caro Cult feiert mit einer Hauptrolle in der neuen Staffel von „Babylon | |
| > Berlin“ ihren Durchbruch. Über den Wandel des Frauenbilds und die | |
| > Besonderheiten von Berlin. | |
| Bild: Caro Cult – in Babylon Berlin spielt sie in der 3. Staffel die Rolle de… | |
| taz am wochenende: Frau Cult, [1][in der dritten Staffel von „Babylon | |
| Berlin“] spielen Sie Vera, eine Tänzerin und Schauspielerin, die, wie viele | |
| Frauenfiguren in der Serie, zwischen Freiräumen und gesellschaftlicher | |
| Repression um ihre Emanzipation kämpft. Wie drückt sich das in Ihrer Rolle | |
| aus? | |
| Caro Cult: Vera ist ängstlich, aus guten Gründen. Und dennoch weiß sie | |
| genau, was sie will, und macht klare Ansagen. Das ist bemerkenswert, auch | |
| für die Zeit. In den 20ern mussten sich Frauen zwar noch unterordnen, sie | |
| litten auch unter extremen wirtschaftlichen Härten. Trotzdem glaube ich, | |
| dass sie in den 20ern einen kurzen Aufschwung hatten, bevor es einen | |
| gesellschaftlichen Rückschlag gab, auch was die Rechte von Homosexuellen | |
| anbelangte. Nach dem Zweiten Weltkrieg standen Frauen wieder unter der | |
| Fuchtel von Männern. Heute kämpfen wir immer noch dafür, dass die Welt, in | |
| der wir leben, keine komplette „Men’s World“ mehr ist. | |
| Wie haben Sie sich auf die „Babylon“-Szenerie vorbereitet? | |
| Ich habe viel recherchiert, das geht bei so einem historischen Setting gar | |
| nicht anders. Das Tolle am Dreh war, dass es riesige Freiräume gab und wir | |
| als Team neue Ideen einbringen konnten. Mit Tom Tykwer, mit dem ich die | |
| meisten Drehtage hatte, habe ich etwa eine neue Szene erarbeitet. Allein | |
| dafür muss man sich mit der Zeit intensiv beschäftigt haben. | |
| Sie wohnen in Berlin. Hat die Arbeit an „Babylon Berlin“ Ihrem Leben hier | |
| eine neue historische Perspektive hinzugefügt? | |
| Es ist verrückt, sich an bestimmten Orten vorzustellen, was hier vor 100 | |
| Jahren passiert ist. Damals war alles so wild und so offen. Natürlich haben | |
| sich die Leute auch viele Ernsthaftigkeiten weggefeiert, die sozialen | |
| Probleme, die politischen Auseinandersetzungen. Die Nachricht war: Nimm | |
| dich selbst nicht so ernst. Diese Freiheit und Toleranz, diese Leichtigkeit | |
| und Fröhlichkeit macht für mich immer noch die Stadt aus, insofern sind die | |
| Goldenen Zwanziger noch immer präsent. Ich bin mit 17 Jahren nach Berlin | |
| gezogen, um hier meine Schauspielkarriere zu verfolgen. Die Stadt hat mich | |
| schon von Anfang an gepackt mit ihrer Diversität an Menschen und an | |
| Identitäten. | |
| Die dritte Staffel von „Babylon Berlin“ spielt rund um den Börsencrash | |
| 1929, also vor dem Hintergrund wirtschaftlichen Niedergangs und zunehmender | |
| politischer Gewalt. Neben aller Offenheit stehen also die Verfolgung von | |
| Minderheiten und die soziale Entbehrung. Und im heutigen Berlin wurde vor | |
| wenigen Tagen ein junges lesbisches Paar in einer Tram zusammengeschlagen. | |
| Sehen Sie in dieser Spannbreite eine weitere Parallele zwischen den 1920ern | |
| und heute? | |
| Die Welt basiert leider auf Gegenpolen. Und die verzweifelte Suche nach | |
| Identität, nach der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, ist oft eine auf | |
| falschen Werten gegründete Reaktion auf gesellschaftliche Veränderung und | |
| Vielfalt. Zum Glück gibt es in Berlin so viele Menschen, die sich für | |
| Toleranz engagieren. | |
| „Babylon Berlin“ hat viel Zuspruch erhalten für seine queere Diversität, | |
| die Darstellung der Schwulen-, Lesben- und Travestieszene in der Stadt. Und | |
| auch Vera ist in ihrer Sexualität fluide … | |
| Leider darf ich dazu nichts verraten, ohne zu spoilern! Nur so viel: Es war | |
| sehr schön, mit Liv Lisa Fries (der Darstellerin von „Charlotte Ritter“, | |
| Anm. d. Red.) das zu zaubern, was wir gezaubert haben. So ging es mir | |
| übrigens auch mit Ronald Zehrfeld, dessen Rolle Walter Weintraub der zweite | |
| wichtige Bezugspunkt für Vera ist. Dass sie so viel Diversität in sich | |
| vereint, ist für mich eines der größten Geschenke an der Rolle. Denn ich | |
| als Caro finde es absurd, mich derart einzuschränken und zu sagen: Ich | |
| stehe nur auf Männer. | |
| Sie sind überzeugte Veganerin und setzen sich öffentlich für Tier- und | |
| Klimaschutz ein. Wie ist es um die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit in | |
| der Filmbranche bestellt? | |
| Da hat sich extrem viel getan in den letzten zwei Jahren. Ich lebe vegan, | |
| seitdem ich 18 bin, und ungefähr so lange drehe ich auch schon Filme. | |
| Damals wurde ich noch häufig verwundert gefragt: Was isst du denn dann? | |
| Wenn ich inzwischen an Sets komme, sind dort fast achtzig Prozent des Teams | |
| vegetarisch, fast die Hälfte ernährt sich inzwischen vegan. Bei „Babylon | |
| Berlin“ gab es zwei komplett vegane Drehtage. Das ist das Einfachste, was | |
| jeder von uns gegen den Klimawandel tun kann: bewusster mit | |
| Massentierhaltung umgehen. | |
| Wie sieht es über das Catering hinaus mit der Nachhaltigkeit aus? | |
| Es gibt immer mehr grüne Produktionen, die ihren Teams nahelegen, mit dem | |
| Zug zu fahren, statt zu fliegen, die weniger Drehbücher ausdrucken. Ich | |
| fahre jede Strecke, die ich kann, mit dem Zug. Und so machen es viele | |
| meiner Kollegen. Wenn du nicht wirklich am nächsten Tag irgendwo hinmusst, | |
| weil deine Oma 80 wird, musst du nicht in ein Flugzeug steigen. | |
| Inlandsflüge finde ich absurd. | |
| Wenn man sich anschaut, wo Sie im kommenden Jahr so zu sehen sein werden, | |
| müssen Sie im vergangenen Jahr sehr viel Bahn gefahren sein: Neben „Babylon | |
| Berlin“ spielen Sie die Hauptrolle in der im Frühjahr 2020 erscheinenden | |
| Netflix-Serie „Biohackers“, außerdem sehen wir Sie im Februar in Simon | |
| Verhoevens Kinofilm „Nightlife“ und im Sommer im [2][Kieler „Tatort“]. … | |
| 2019 also Ihr Durchbruch? | |
| Ich bin wahnsinnig dankbar dafür, wie das letzte Jahr gelaufen ist. Und | |
| obwohl ich schon einige Jahre im Business bin, bin ich auch immer noch sehr | |
| aufgeregt und denke: Hoffentlich habe ich nichts verhauen, hoffentlich habe | |
| ich gut gespielt. | |
| [3][„Babylon Berlin“ ist sehr düster], seine Film-Noir-Ästhetik durchzieht | |
| ein realitätsverzerrender Grundton. Warum begeistert das so? | |
| Es gibt viele Besonderheiten, die an das heutige Berlin erinnern. Aber was | |
| Projekte am Ende des Tages erfolgreich macht, ist die Liebe, die | |
| dahintersteckt. Bei „Babylon Berlin“ zieht sich das durch jedes Department, | |
| von dem Kostümbildner Pierre-Yves Gayraud über das Szenenbild von Uli | |
| Hanisch bis hin zu den Regisseuren. Es war einer der besondersten Drehs, | |
| die ich je miterleben durfte. | |
| 13 Jan 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Eva-Maria Tepest | |
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