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# taz.de -- Wahl in Großbritannien: Johnson triumphiert, Corbyn geht
> Die regierenden Konservativen räumen bei der Wahl ab. Labour rutscht auf
> das schlechteste Ergebnis seit mehr als 80 Jahren.
Bild: Wahlsieger Boris Johnson mit verkleideten Unterstützern in seinem Wahlkr…
London taz | Boris Johnson hat die [1][Wahlen in Großbritannien] gewonnen –
mit einer größeren Mehrheit als zuletzt von sämtlichen Umfragen
vorausgesagt. Am Freitagmorgen, nachdem fast alle der 650 Wahlkreise fertig
ausgezählt waren, konnten die regierenden Konservativen mit 364 Sitzen
rechnen, eine klare absolute Mehrheit und die größte seit 1987 unter
Margaret Thatcher. Die Labour-Opposition dürfte auf 203 Sitze kommen – ihr
schlechtestes Ergebnis seit 1935.
In Prozentzahlen lagen die Konservativen bei über 45 Prozent, Labour bei
rund 33 Prozent. Gegenüber den Wahlen 2017 haben die Konservativen
voraussichtlich 46 Sitze und 3 Prozentpunkte zugelegt, während Labour 59
Sitze und 7 Prozentpunkte verliert.
„Ein mächtiges neues Mandat“ nannte das Premierminister Boris Johnson in
der Wahlnacht in seinem Wahlkreis Uxbridge & Ruislip South am westlichen
Rand von London, wo er entgegen den meisten Prognosen seine Mehrheit
ausgebaut hatte. Er sprach von einer „historischen“ Wahl und einer
„Gelegenheit, den demokratischen Willen des britischen Volkes zu
respektieren“, also den Brexit zu vollenden und dann „dieses Land zum
Besseren zu verändern“.
Labour-Führer Jeremy Corbyn kündigte in seinem Londoner Wahlkreis Islington
North, den er zum zehnten Mal hintereinander mit deutlicher Mehrheit
gewann, seinen Rücktritt als Parteichef an, allerdings noch nicht sofort.
Die Partei brauche einen „Prozess der Reflexion“ und so lange werde er sie
noch weiter führen, sagte Corbyn. Zahlreiche Labour-Politiker forderten ihn
allerdings zum schnelleren Rückzug auf. Bei Labour tobt bereits die Debatte
über die Gründe der schwersten Niederlage der Parteigeschichte und ob es an
Corbyns Linie insgesamt oder bloß am Brexit liegt.
## Für den Brexit und gegen Corbyn
Die Konservativen holten dutzende traditionelle Labour-Wahlkreise im Norden
und in der Mitte des Landes. Als Grund nannten Analysten und Abgeordnete
einhellig den Zustrom von Brexit-Unterstützern, die mit Labours
uneindeutiger Haltung zum EU-Austritt nichts anfangen konnten und Johnsons
Wahlkampfparole „Get Brexit Done“ begrüßten, sowie eine verbreitete
Ablehnung Corbyns in der nordenglischen Arbeiterschaft. Vielerorts legten
die Konservativen kaum zu, aber die Brexit Party von Nigel Farage, die
keinen einzigen Wahlkreis holte, saugte nach eigener Einschätzung viele
Labour-Stimmen ab.
Weiterer Sieger der Wahlen sind die [2][schottischen] Nationalisten. Die
Scottish National Party (SNP) legte deutlich auf rund 45 Prozent der
Stimmen zu und konnte mit 48 der 59 schottischen Wahlkreise rechnen, vor
allem zulasten Labours. SNP-Chefin Nicola Sturgeon erklärte dies in der
Nacht zu einem Mandat für ein neues schottisches Unabhängigkeitsreferendum
nach dem von 2014. „Ich akzeptiere widerwillig, dass Boris Johnson das
Mandat hat, England aus der EU zu führen“, sagte sie, „aber genauso muss er
akzeptieren, dass Schottland über seine Zukunft selbst entscheidet.“
Johnson habe „kein Mandat, Schottland aus der EU zu führen“. Damit ist eine
Konfrontation zwischen der SNP-geführten Regionalregierung Schottlands und
der britischen Regierung programmiert, denn die Konservativen lehnen
derzeit ein zweites Schottland-Referendum klar ab.
Nicht nur Schottland wählte anders als der britische Gesamttrend, sondern
auch London. Dort holten die Konservativen zwar mehrere Wahlkreise,
verloren aber auch welche an Labour und die Liberaldemokraten – ein Erfolg
der intensiven Kampagne von Brexit-Gegnern, per „taktisches Wahlverhalten“
den jeweils aussichtsreichsten Gegenkandidaten der Konservativen zu
unterstützen. Aber diese Entwicklung blieb sehr begrenzt.
Doch insgesamt blieben die Liberaldemokraten glücklos. Ihre Parteichefin Jo
Swinson ist das prominenteste Opfer des SNP-Siegeszugs – sie verlor ihren
schottischen Wahlkreis ganz knapp. Die liberalen EU-Befürworter konnten aus
ihrer Anti-Brexit-Haltung keinen Erfolg ziehen und sollten mit 12 Mandaten
noch unter ihrem schlechten Ergebnis von 2017 liegen. Alle Überläufer aus
anderen Parteien, die seitdem zu ihnen gestoßen waren, scheiterten beim
Versuch, jetzt als Liberaldemokraten erneut ins Parlament gewählt zu
werden.
Swinson hat bereits ihren Rücktritt bekanntgegeben. Nach der Wahlniederlage
sagte sie, nun würden manche „die Welle des Nationalismus auf beiden Seiten
der (englisch-schottischen) Grenze feiern“, aber das Gesamtergebnis bedeute
„Furcht und Niedergeschlagenheit für Millionen“. Von „riesiger Trauer und
tiefer Wut“ sprach auch die einzige Grüne im Parlament, Carlone Lucas, die
ihre Mehrheit im Wahlkreis Brighton Pavilion ausbaute.
Ein weiterer prominenter Kopf, der nicht mehr im Parlament sitzen wird, ist
Nigel Dodds, Fraktionsführer der nordirischen Unionistenpartei DUP
(Democratic Unionist Party). Taktisches Wahlverhalten in Nordirland nahm
der DUP zwei ihrer zehn Sitze, während die überkonfessionelle nordirische
„Alliance Party“ ins britische Unterhaus einzieht.
13 Dec 2019
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## AUTOREN
Dominic Johnson
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