# taz.de -- Nachhaltiges Merchandising: Hemden für guten Zweck | |
> Der Verein „Second Bandshirt“ verkauft ausrangierte Merchandise-T-Shirts | |
> weiter. Er unterstützt mit dem Erlös gemeinnützige Organisationen. | |
Bild: Todschicker Merch zweiter Hand | |
Es gibt Dinge, an die erinnert man sich ein Leben lang. So heißt es | |
jedenfalls, wenn irgendwo die berühmten ersten Dinge aufgezählt werden: der | |
erste Kuss, das erste Auto, die erste eigene Wohnung. Auch das erste | |
Konzert gehört in diese Kategorie – und damit auch das erste Bandshirt. | |
Denn Merchandise-Shirts sind Zeitzeugen des musikalischen Werdegangs. Sie | |
dokumentieren unsere Lieben, unseren Wandel, unsere Abschiede. Das erste | |
Shirt ist selten das letzte. | |
Ein Kölner Verein hat sich den identitätsstiftenden Kleidungsstücken | |
verschrieben: „Second Bandshirt“ verkauft nicht nur alte Merch-Shirts und | |
spendet die Erlöse wohltätigen Organisationen; er regt mit seinem | |
Geschäftsmodell auch zum Nachdenken über das eigene Konsumverhalten an. | |
Denn das langlebige Bandshirt, heißgeliebt gerade wegen des verwaschenen | |
Schriftzugs und den die jahrelange Treue belegenden Löchern, ist in vielen | |
Schränken längst der Stangenware eines gewissen schwedischen Moderiesen | |
gewichen – oder wurde verdrängt von exklusiven Kollabo-Kollektionen von | |
Künstler*innen und Streetwear-Marken. | |
Merchandise-Artikel stellen heute eine wichtige Einnahmequelle für | |
Musiker*innen dar, weil die zunehmend weniger von Tonträger-Einnahmen und | |
schon gar nicht von Streams leben können. Das klassische Tourshirt gehört | |
zum Merchandise wie allerlei Skurrilitäten, etwa eine Actionfigur des | |
Rappers Kool Savas. Oder der Kugelschreiber des Premiumherstellers | |
Montblanc in der [1][„The Beatles“]-Special-Edition: Für nur 690 Euro läs… | |
sich damit der nächste Einkaufszettel verfassen. | |
## Zweistellige Umsatzsteigerung | |
Ob Indie-Künstlerin oder globaler Weltstar mit Majorlabel im Rücken, alle | |
animieren ihre Fans zum fortwährenden Kauf von Fanartikeln und immer | |
teureren Konzerttickets. So verwundert es nicht, dass Frank Hohenböken, | |
Geschäftsführer im Sales-Bereich der zu Universal Music gehörenden | |
Merchandisefirma Bravado, eine zweistellige Umsatzsteigerung seines | |
Unternehmens erwartet. Und auch die Konkurrenz bewertet die Entwicklung | |
ähnlich. Bei Second Bandshirt kosten die T-Shirts hingegen maximal zwölf | |
Euro. | |
Dabei orientiert sich der Preis daran, was auf [2][DIY-Punk]- oder | |
Hardcore-Konzerten für T-Shirts verlangt werde. Dieser Szene entstammen | |
nämlich die Initiatoren*innen und das Umfeld des Vereins. „Die Idee, | |
getragene Bandshirts weiterzuverkaufen, ist nach dem letzten Konzert der | |
Band Tackleberry entstanden. Auf dem Rückweg im Bus sinnierten wir darüber, | |
wie viele Shirts wir alle haben, dass uns viele gar nicht mehr passen und | |
wir einen Flohmarkt damit machen könnten. | |
Daraus entwickelte sich dann mehr“, sagt Axel Claas, Mitinitiator des 2014 | |
gegründeten Vereins. Mehrere Tausend T-Shirts aus dem Hardcore- und | |
Punk-Kontext lagern in einem Kölner Keller, aber auch Bandshirts von AC/DC | |
und der [3][Antilopen Gang] finden sich darunter. Das Vorhaben, den | |
Verkaufserlös wohltätigen Organisationen zu spenden, existierte von Anfang | |
an. Aktuell wird mit den Webshop-Erlösen unter anderem der Verein Apabiz | |
unterstützt, das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin | |
e. V. | |
## Autonome Ortsgruppen | |
Mal ist es eine kleinere Gruppe, mal eine Einzelperson, die ausrangierte | |
Bandshirts einsammelt, auf Konzerten verkauft und die Einnahmen an örtliche | |
Projekte weiterleitet – in Hamburg wie in Leipzig, Hannover und Münster. | |
Darunter sind aus Köln fortgezogene Freunde oder Menschen, die schon mal | |
eines der T-Shirts erworben haben. Die Ortsgruppen agieren dabei weitgehend | |
autonom, sie bestimmen auch die Projekte, die sie unterstützen wollen | |
selbst. Damit keine Shirts von in irgendeiner Weise diskriminierenden Bands | |
in Umlauf geraten, werden die Kleiderspenden genau auf problematische | |
Künstler*innen, Slogans und Symbole geprüft. | |
Während Merchandise-Anbieter die Nachfrage kreieren, steuern und | |
Millionenumsätze erzielen, ist das Konzept hinter [4][Second Bandshirt] | |
mehr als nur eine Implementierung romantischer DIY-Ideale. Statt den Kauf | |
immer neuer Produkte zu fördern, die mit jedem Album und jeder Tour auf den | |
Markt geworfen werden, verlängert der Verein das Leben eines | |
Kleidungsstücks, das am Ende des Verwertungskreislaufs angekommenen ist. | |
Ein Beispiel, das Schule machen sollte. | |
6 Jan 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Jubilaeum-des-Beatles-Albums-Sgt-Pepper/!5409394 | |
[2] /Wozu-es-Punk-gibt/!5322328 | |
[3] /Antilopen-Gang-im-Gespraech/!5374436 | |
[4] https://www.secondbandshirt.com/ | |
## AUTOREN | |
Kevin Goonewardena | |
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