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# taz.de -- Klimafreundliche Reisen auf der Schiene: Mit dem Zug nach Vietnam
> Ein 19-Jähriger hat zusammen mit seinem Vater eine Agentur gegründet. Sie
> organisiert Fernreisen mit der Bahn auf der ganzen Welt.
Bild: Auch ohne Reisen im Orient-Express lässt sich Bangkok von Europa aus mit…
Berlin taz | Seit der umweltbewusste und weltoffene Mensch von heute weiß,
dass er durch seine eigene Handlung das Klima und somit die Zukunft aller
nachkommenden Generationen beeinflusst, fliegt er mit schlechtem Gewissen.
4.206 Kilogramm CO2 verursacht beispielsweise ein Flug von Frankfurt nach
Hanoi in Vietnam und zurück. Dass das klimaverträgliche Jahresbudget einer
Person nur 2.300 Kilogramm CO2 beträgt, will der umweltbewusste Mensch am
liebsten gar nicht wissen. Dass die Pro-Kopf-Emissionen in Indien in einem
ganzen Jahr nur 1.600 Kilogramm CO2 betragen, auch nicht. In Zeiten von
Flugscham und Fridays for Future rechtfertigt er seinen Urlaub ins wärmere
und weit entfernte Ausland lieber mit Spenden in Klimaschutzprojekte über
Kompensationszahlungen an Organisationen wie [1][Atmosfair]. 97 Euro kostet
die Erleichterung des eigenen Gewissens für einen Hin- und Rückflug von
Frankfurt nach Hanoi.
Zusammen mit seinem Vater Matthias will der Klimaaktivist Elias Bohun
dieses Problem der klimaschädlichen Fernreisen anpacken, das den
umweltbewussten Menschen schon seit Längerem beschäftigt. Seitdem sich der
19-jährige Österreicher vergangenes Jahr gegen das Fliegen entschieden hat,
ist Flugscham für ihn kein Thema mehr. Auf Reisen um die halbe Welt
verzichtet er trotzdem nicht. Ab Januar 2020 organisieren Elias und
Matthias individuelle Zugreisen in Europa, nach Asien und Nordafrika und
eröffnen damit das erste Reisebüro dieser Art. Die Idee: „Zugreisen, so
weit, wie es geht.“
Bei [2][Traivelling], so der Name des Reisebüros im niederösterreichischen
Mödling, soll es anders als bei Luxuspauschalreisen wie mit dem
Orientexpress um Zugreisen mit Gestaltungsspielraum gehen. „Es geht gerade
darum, unterwegs etwas zu sehen“, sagt Matthias.
## Mit dem Zug nach Hanoi für 650 Euro
Der Weg ist das Ziel. Wenn man in Wien in den Zug steigt, kann man für etwa
650 Euro acht Tage später in Vietnam wieder aussteigen. Plant man etwas
mehr Zeit ein, kann man unterwegs Kiew, Moskau, Astana (die Hauptstadt
Kasachstans), die Wüste Gobi und mehrere Städte Chinas sehen. Als Elias 18
Jahre alt war, hat er diese Reise mit seiner Freundin in 16 Tagen
absolviert. „Elias hat mehr Zeit in die Vorbereitung seiner Reise gesteckt
als in sein Abitur“, sagt sein Vater. „Viele haben gesagt, meine Reisepläne
sind verrückt“, sagt Elias.
Elias beschreibt sich selbst als Zugfreak. Drei bis vier Monate habe er
fast täglich auf russischen und kasachischen Zugticket-Portalen seine Reise
geplant. Deshalb kennt er nun Menschen und Agenturen vor Ort, bei denen er
Tickets für Reisende kaufen und hinterlegen kann. „Man bezahlt uns, und wir
tragen die Bahntickets zusammen, die unsere Kunden dann vor Ort auf ihrer
Reise abholen“, erklärt Elias. Dass jeder normale Mensch von den Portalen
abgeschreckt sei, könne er gut verstehen, sagt er. Die meiste Zeit ist er
nun damit beschäftigt, E-Mails und Anfragen an Traivelling zu beantworten.
Sein Chemiestudium in Wien hat er dafür pausieren lassen. Und eigentlich
interessiert ihn nachhaltige Mobilität auch viel mehr als Chemie. „Wir sind
das konsequent klimafreundliche Bahnreisebüro“ steht auf der Website
traivelling.com.
## „Ich kenne die Zugverbindungen auswendig“
Fünf Hauptrouten nach Hanoi, Bangkok, Tokio, Barcelona und Lissabon zeigen
exemplarisch, wie die weltweite Zugreise aussehen kann. Den individuellen
Reisewunsch kann man über die Website an Elias und Matthias weitergeben. Ab
Januar wollen sie geschäftsfähig sein und Zugtickets kaufen. Anfragen für
etwa den Sommerurlaub kann man aber auch zum Jahresende schon stellen. „Ich
kenne die Zugverbindungen in Europa und Asien auswendig“, sagt Elias. Er
kümmert sich deshalb um die Ticketbuchungen.
Matthias hat eine Befähigungsprüfung zur Eröffnung eines Reisebüros gemacht
und organisiert Vertriebspartnerschaften mit Bahnunternehmen. Die Nachfrage
nach Zugtickets sei jetzt schon unglaublich hoch, erzählt Elias. „Reduziert
das nicht auf den Umweltschutz, Zugfahren ist eine der tollsten Sachen, die
es gibt“, sei eine der ersten Nachrichten an das Reisebüro gewesen.
Eines betont Elias besonders: „Ob die Menschen nun bei uns buchen oder
nicht: Meine Hoffnung ist einfach, dass die Leute sehen, dass es eine
Alternative zum Flugzeug gibt. Man muss die Idee vom Reisen und Genießen
loslösen von dem Konzept, billig irgendwohin zu fliegen.“ Für Elias ist der
Unterschied zwischen slow und fast travelling so ähnlich wie der
Unterschied zwischen slow und fast food: Kein Verzicht, sondern ein Gewinn.
1 Jan 2020
## LINKS
[1] https://www.atmosfair.de/de/
[2] https://www.traivelling.com/
## AUTOREN
Luise Land
## TAGS
Flugscham
Schwerpunkt Fridays For Future
Klima
Zug
Tourismus
Schwerpunkt Klimawandel
Sommerferien
Deutsche Bahn
Ökologischer Fußabdruck
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