# taz.de -- Schweizer AKW Mühleberg geht vom Netz: Ein maroder Meiler weniger | |
> Nach einem Volksentscheid wird das Schweizer Atomkraftwerk Mühleberg am | |
> Freitag endgültig abgeschaltet. Der Rückbau soll bis 2034 dauern. | |
Bild: Für das AKW Mühleberg beginnt bald die „Nachglühphase“ | |
Genf taz | In der Berner Reitschule, dem alternativen Kulturzentrum der | |
Schweizer Bundeshauptstadt, steigt am Freitagabend eine große Fete. Die | |
landesweite Initiative [1][„Nie wieder Atomkraftwerke“ (NWA)] lädt zum | |
„Nachglühfest“. Es gilt, ein historisches Ereignis zu feiern: Zum ersten | |
Mal in der über 50-jährigen Geschichte der eidgenössischen | |
Atomstromerzeugung wird mit dem AKW Mühleberg ein Atommeiler endgültig vom | |
Netz genommen. | |
Das Atomkraftwerk steht rund 110 Kilometer südwestlich von Basel und | |
produziert seit 1972 Strom. Die NWA fordert die baldige Abschaltung auch | |
der vier weiteren, zum Teil noch älteren Schweizer Atomkraftwerke: Beznau I | |
und II nahe der deutschen Grenze bei Waldshut-Tiengen, die 1969 | |
beziehungsweise 1971 den Betrieb aufnahmen, sowie Gösgen (1979) und | |
Leibstadt (1984). Der Rückbau des Atommeilers Mühleberg soll bis 2034 | |
dauern. Die Deckung aller Kosten in voraussichtlich zweistelliger | |
Milliardenhöhe für den Rückbau sowie für die langfristige Entsorgung der | |
nuklearen Brennstäbe ist noch nicht geklärt. | |
Die Abschaltung des Atomkraftwerks Mühleberg ist der zweite große Erfolg | |
der Schweizer Anti-AKW-Bewegung. 1986 hatte die „Gewaltfreie Aktion | |
Kaiseraugst“ nach 13 Jahren Mobilisierung und zivilem Widerstand erreicht, | |
dass die Berner Regierung (Bundesrat) ihre Pläne zum Bau eines AKW in der | |
13 Kilometer östlich von Basel am Rhein gelegenen Gemeinde Kaiseraugst | |
aufgeben musste. | |
Nach dem Unglück im japanischen Atomkraftwerk Fukushima 2011 hatte der | |
Bundesrat in seiner „Energiestrategie 2050“ zwar grundsätzlich ein Ende der | |
Atomkraftnutzung sowie das Ziel einer „weitgehenden“ Stromversorgung durch | |
erneuerbare Energien bis Mitte des Jahrhunderts beschlossen. Ein Zeitpunkt | |
für die Abschaltung der fünf eidgenössischen Atomkraftwerke wurde | |
allerdings nicht festgelegt. | |
## Initiative fordert Abschaltung aller fünf Atommeiler | |
[2][Bei einer Volksabstimmung im November 2016] war eine von Grünen und von | |
Umweltverbänden unterstützte „Initiative für einen geordneten Atomausstieg… | |
noch von 55 Prozent der Stimmberechtigten abgelehnt worden. Die Initiative | |
fordert die Abschaltung aller fünf Schweizer Atommeiler nach maximal 45 | |
Jahren Laufzeit sowie für ein Bau- und Betriebsverbot für neue | |
Atomkraftwerke. Bei einer Annahme dieser Initiative hätten bereits 2017 | |
drei Atomkraftwerke endgültig abgeschaltet werden müssen: der weltweit | |
älteste, seit 1969 in Betrieb befindliche und seit Mitte 2015 wegen | |
irreparabler Sicherheitsmängel vom Netz genommene Beznau 1 sowie die seit | |
1972 laufenden AKWs Beznau 2 und Mühleberg. 2023 hätte dann das AKW Gösgen | |
und 2029 das AKW Leibstadt stillgelegt werden müssen. | |
Doch der Bundesrat lehnte die Initiative für einen geordneten Atomausstieg | |
unter dem Druck der Betreiberfirmen der fünf Schweizer AKWs ab. Diese | |
wollten damals mit Unterstützung der rechtspopulistischen Schweizer | |
Volkspartei (SVP) selbst ein Gesetz zum Verbot neuer AKWs verhindern. Das | |
Gesetz wurde bei einer weiteren Volksabstimmung im Mai 2017 dann aber mit | |
deutlicher Mehrheit angenommen. Mit den von der Anti-AKW-Bewegung | |
herbeigeführten politischen Entscheidungen der letzten Jahre wurde das | |
Kostenrisiko für den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke zunehmend auf die | |
Betreiberfirmen verlagert. | |
## Auch betriebswirtschaftlich rechnet sich das AKW nicht | |
Die endgültige Abschaltung des AKW Mühleberg ist auch Ergebnis einer | |
betriebswirtschaftlichen Kostenkalkulation der Betreiberfirma BKW, die zu | |
50 Prozent dem Kanton Bern gehört. Für überfällige Sanierungs- und | |
Sicherheitsmaßnahmen hätte die BKW in den kommenden Jahren immer höhere | |
Summen ausgeben müssen. Aber auch die nach der Abschaltung erforderliche | |
„Nachbetriebsphase“ wird die BKW mindestens 400 Millionen Schweizer Franken | |
kosten. In dieser Phase müssen die Brennstäbe in der Anlage weiter gekühlt | |
werden, bis keine spontane Kettenreaktion mehr auftreten kann. | |
Diese „Nachglühphase“ im AKW Mühleberg wird sehr viel länger dauern als … | |
„Nachglühfest“ am Freitagabend in der Berner Reitschule – nämlich | |
mindestens fünf Jahre. Während dieser Zeit müssen viele Prozesse im | |
Kraftwerk aufrechterhalten werden – ohne dass Strom produziert und damit | |
Geld verdient wird. Der Rückbau des Reaktors beginnt erst danach. | |
19 Dec 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://nwa-schweiz.ch/blog/ | |
[2] /Referendum-ohne-Mehrheit/!5360802 | |
## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
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