# taz.de -- Nachruf auf Hermann Gremliza: Der polemische Bourgeois | |
> Lange Zeit prägte er die Debatten der radikalen Linken. Nun ist der | |
> Herausgeber und Verleger Hermann L. Gremliza im Alter von 79 Jahren | |
> gestorben. | |
Bild: Legte sich mit allen an, die in der Bundesrepublik Rang und Namen hatten:… | |
Hermann L. Gremliza hat einmal gesagt, dass man sich nicht dazu entscheide, | |
Polemiker oder Essayist zu sein. Das sei stattdessen eine Frage des | |
Charakters. Er sagte das freilich nicht über sich selbst, sondern über Eike | |
Geisel, einen der Autoren des konkret-Magazins in den 1990er Jahren. Doch | |
zweifelsohne wollte Gremliza das geneigte Publikum wissen lassen, dass auch | |
er selbst einen polemischen Charakter habe und nun mal einfach nicht anders | |
könne. Denn auch er liebte die Polemik. Das zeigte sich nicht nur darin, | |
dass er trotz vieler Streitereien immer wieder begnadete Polemiker wie | |
jenen Eike Geisel oder Wolfgang Pohrt engagierte, sondern auch an seiner | |
monatlichen Kolumne in konkret. | |
Gremliza wurde 1974 Herausgeber und Verleger des linksradikalen, oft als | |
„undogmatisch“ apostrophierten Magazins, nachdem er seine steile Karriere | |
beim Spiegel an den Nagel hängte. Gremliza stellte sich gelegentlich als | |
Bourgeois dar, der seine Klasse verraten hat. Und diesem Verrat hielt er | |
die Treue. Gremlizas Kolumnen, stets ganz vorn im Heft, waren immerzu | |
polemische Attacken auf die Welt, in der wir leben, und die Akteure, die | |
dazu beitragen, dass sie bleibt, wie sie ist. Zuvörderst also auf jene, die | |
Gremliza als Apologeten von Kapital und Vaterland begriff. | |
Gremliza hat sich mit allen angelegt, die in der bundesrepublikanischen | |
Öffentlichkeit Rang und Namen hatten. Dabei lag er manchmal richtig und oft | |
falsch. Lange Zeit prägte Gremliza die Debatten der radikalen Linken. Dass | |
Gremliza die konkret konsequent gegen den virulenten Israelhass vieler | |
ehemaliger Leser positionierte, ist ein nicht zu unterschätzendes | |
Verdienst. Dass konkret sich tendenziell auf die Seite von Putins Russland | |
schlug, verweist zugleich darauf, dass das Magazin nicht immer Stimme der | |
progressiven und modernen Linken war. | |
## Die taz hieß sie in seinem Munde nur „Kinder-FAZ“ | |
Man konnte sich an Gremliza reiben. Doch wenn man sich auf ihn einließ, | |
konnte man aus dem Streit mit ihm lernen oder unterhalten werden. Nur ein | |
Beispiel: Obschon Gremliza nie einen echten Shitstorm erleben musste – | |
dafür war konkret einfach nie digital genug –, lieferte er mit | |
„Stürmerscheiße“ das passende Vokabular dafür. Welch Eleganz. | |
Auch die taz gehörte zu den beliebten Zielen Gremlizas. Jahrelang hieß sie | |
in seinem Munde nur „Kinder-FAZ“, Anfang 2019 schmähte er sie dann als „… | |
Seniorenheim gereiftes Blatt“. Wir werden nun mal alle älter. Auch konkret, | |
dessen goldene Zeiten längst vorbei sind. Erreichte das Magazin früher noch | |
ein Massenpublikum, fristet es heute ein Nischendasein. Junge Linke kommen | |
heute, anders als früher, an konkret vorbei. Doch der Weg in die relative | |
Bedeutungslosigkeit ist vor allem Ausdruck davon, dass Gremliza sich nie | |
hat verbiegen lassen. Auch nicht von Abonnenten, die in Scharen wegliefen, | |
weil Gremliza heimatliebende, antizionistische oder | |
reformistisch-sozialdemokratische Linke angriff. | |
Am Freitag, den 20. Dezember 2019, ist Hermann L. Gremliza in Hamburg | |
gestorben. Er wurde 79 Jahre alt. | |
23 Dec 2019 | |
## AUTOREN | |
Alexander Nabert | |
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