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# taz.de -- Konzert in Berlin von Bonaparte: Anarchie statt Abschiedsstimmung
> Mit einem letzten Auftritt verabschiedete sich der Musiker von seinen
> Fans. Begleitet wurde er dabei von treuen Weggefährt*innen.
Bild: Bei Bonaparte geht es um Weltoffenheit und Grenzenlosigkeit
Es sollte ursprünglich nur eine Sache für eine Nacht sein. Einmal auf die
Bühne, einmal in der [1][Bar25] in Berlin auftreten und das war’s. Aus
einer Nacht wurden 13 Jahre. [2][Tobias Jundt] trat als [3][Bonaparte], mal
allein, mal mit bis zu einem Dutzend Künstler*innen, überall auf: beim
[4][Lollapalooza] und beim Southside, auf dem Electronic Beats Festival in
Prag oder dem South by Southwest Festival in Austin/Texas.
Und jetzt endet alles mit einer Nacht. Genau genommen zwei, denn das erste
letzte Bonaparte-Konzert am Samstag war so schnell ausverkauft, dass ein
zweites am Sonntag nachgelegt wurde. Das war es dann aber: der allerletzte
Bonaparte-Seufzer überhaupt im Festsaal Kreuzberg in Berlin.
Früher stand Bonaparte für Ekstase, Eskalation. Da tanzten in Blut gebadete
Nonnen zu hedonistischem Bluespunk, der von einer extravagant kostümierten
Band gespielt wurde. Spätestens mit dem 2019 erschienenen Album „Was mir
passiert“ gehört diese bacchantisch-apokalyptische Partyattitüde der
Vergangenheit an. Der Schweizer Jundt singt inzwischen auf Deutsch von
nichts Geringerem als dem Sinn des Lebens, der Liebe und der Melancholie
zwischen den Momenten. Ein Augenzwinkern ist aber immer dabei – eine
schräge Metapher, ein schiefer Ton.
Auf die Bühne kommt Jundt am Sonntag mit der Ballade „Melody X“, die schon
so nach Abschied klingt, dass das Publikum in Gänsehaut erstarrt. Es ist
das „worst case scenario lullaby“, wie es in dem Song heißt. Doch schon
zehn Minuten später ist alles vergessen: Bei der Hymne „Anti Anti“ herrscht
Anarchie statt Abschiedsstimmung.
## Rumpelstilzchen beim Barrikadenkampf
Es wird getanzt, gehüpft und gegrölt – Rumpelstilzchen beim
Barrikadenkampf. Auf der Bühne wird es voll: Neben Jundt und Band posiert
lasziv ein Paar in Glitzerfracks und Ledertangas mit riesigen schwarzen
Ballons.
Bonaparte hat sich zwar verändert, aber nicht selbst vergessen. Er war, ist
und bleibt Anarchie in weißen Boxerstiefeln. Es gibt zwar immer wieder
ruhige Momente wie beim gefühlsschwangeren „Château Lafite“, aber die
meiste Zeit ist die Bühnenshow „Too Much“.
Die Performances scheinen direkt aus den schönsten Alpträumen entsprungen.
Eine Dame im Badeanzug mit Leopardenprint reitet auf einem aufblasbaren
schwarzen Schwan über die Menge. Ein barbäuchiger Mann häutet sich
genüsslich aus einem halben Dutzend Unterhosen, bis nur noch ein Tanga
bleibt.
Alte Weggefährt*innen Jundts defilieren vor dem Publikum: der Nouchi Clan,
mit dem Bonaparte sein letztes Album im ivoirischen Abidjan aufgenommen
hat; [5][Kid Simius], für ein Revival von „Mule & Man“; Bandmitglieder, die
teilweise seit einem Jahrzehnt nicht mehr mit Bonaparte performt haben.
Jundt ist kein Mann großer Worte, sondern einer des Volkes. Er spricht nur,
um den nächsten Gast anzukündigen. Dafür sucht er den Kontakt: In
halsbrecherischen Manövern wagt er sich ins Publikum vor.
## Schampus spritzt, alle Hüllen fallen
Und die Berliner*innen helfen ihm, leiten das Mikrofonkabel von Hand zu
Hand weiter, sodass er auf der Menge liegend weitersingen kann. Der Weg
zurück gestaltet sich schwieriger, der hinter die Bühne unmöglich: Sobald
Bonaparte Anstalten macht zu gehen, fordert das Publikum noch eine Zugabe.
„Anti Anti“ wurde schon zwei Mal gespielt, mit „Ins Herz geschlafen“ ha…
es schon den perfekten Abschiedssong gegeben („Es war doch immer klar, um
was es ging / Ich war dein Koks und du mein Ketamin“) und trotzdem ist es
nicht genug. Der Horse-Man übernimmt den Taktstock, es wird Schampus
gespritzt und alle Hüllen fallen. Jundt zeigt nochmal den ganzen Zauber von
Bonaparte, der immer darin bestand, dass es nicht um ihn ging.
Es ging um Weltoffenheit, Grenzenlosigkeit. Dafür stehen auch die
Künstler*innen, die etwas zum Konzert beigetragen haben: von Kid Simius aus
Spanien über den Nouchi Clan von der Elfenbeinküste bis zu Tom Fite aus dem
kalifornischen Sacramento. Ihnen allen dankt Jundt persönlich. „Ich war nie
ein guter Redner“, sagt er dann, „und das war jetzt genug Gerede für die
nächsten zehn Jahre.“
Stattdessen singt er noch mal – „Into the Wild“ – bevor er endgültig v…
der Bühne verschwindet und den letzten Applaus seiner Gitarre widmet. Man
hätte sich keinen perfekteren letzten Auftritt wünschen können. Trotzdem
hofft man, dass er das nicht war.
2 Dec 2019
## LINKS
[1] /Spreeufer/!5068383
[2] /Neues-Album-von-Bonaparte/!5041376
[3] /Bonaparte-Album-Sorry-Were-Open/!5086020
[4] /Kommentar-zu-Lollopalooza-in-Berlin/!5443257
[5] /Konzertkritik-Kid-Simius/!5045917
## AUTOREN
Laura Sophia Jung
## TAGS
Festsaal Kreuzberg
Bonaparte
Musik
Konzert
Umweltbewegung
Joey Bargeld
Rap
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