| # taz.de -- Pferdefilme als Genre: Heile Welt | |
| > Pferde sind neben Hunden die beliebtesten Leinwand-Tiere. Also widmet das | |
| > Bremer Filmbüro dem Pferdefilm sein nächstes „Heimspiel“-Programm. | |
| Bild: Intensives Training auf der Leinwand: Szene aus dem Film „Klassische Ar… | |
| Bremen taz | Katzen sind die Lieblinge des Internets, doch im Kino haben | |
| sie nicht viel zu melden. Da gibt es ein Musical und einige | |
| Zeichentrickfilme, aber sonst gehören sie eher zum Inventar als zu den | |
| Protagonisten. Bei Hunden und Pferden ist das ganz anders: Es ist kein | |
| Zufall, dass „Lassie“ und „Fury“ zu den frühen Serienhelden gehörten. | |
| Während aber Hunde im Kino entweder treue Gefährten ihrer Herrchen und | |
| Frauchen sind – oder mit dem Wolf verwandte Beißer –, erzählt insbesondere | |
| Hollywood erstaunlich variantenreich vom Pferd. | |
| Es gibt Filme über berühmte Rennpferde, der Titelheld von Steven Spielbergs | |
| „War Horse“ („Gefährten“, 2011) ist ein Schlachtross im Ersten Weltkri… | |
| und Carroll Ballards „The Black Stallion“ handelte 1979 von einem edlen | |
| Araberhengst, der nach einem Schiffbruch Freundschaft mit einem | |
| zwölfjährigen Jungen schließt. Bei diesem großen Kinohit war erstaunlich, | |
| dass der menschliche Protagonist männlich ist – denn Pferdefilme lieben vor | |
| allem junge Frauen. Etwas keck wird in der Branche manchmal von „Ponyporno“ | |
| gesprochen, analog zum „car porn“ für junge Männer, deren Objekte der | |
| Begierde coole und schnelle Autos sind. | |
| Der Film über Mädchen und Pferde hat sich etabliert, und das mit einem | |
| treuen wie auch schnell nachwachsenden Stammpublikum. Die deutsche | |
| Regisseurin Katja von Garnier hatte zum Beispiel mit „Ostwind“ 2013 so viel | |
| Erfolg, dass sie über die Freundschaft zwischen der rebellischen Mira und | |
| dem titelgebenden Hengst zwei Fortsetzungen selbst inszenierte und für | |
| einen vierten Teil die Regiestaffel dann an Theresa von Eltz übergab. | |
| Und so wie es mit dem „Rise Fly Fishing Film Festival“ ein eigenes Event | |
| zum Fliegenfischen gibt, dessen Programm sogar einige deutsche Kinos | |
| nachspielten, so gibt es auch Festivals für Pferdefilme. Eines davon ist | |
| die „Equinale“, die im September gerade zum dritten Mal auf dem | |
| mecklenburgischen Schloss Neuhoff stattfand. Dabei war nicht nur das | |
| Publikum ganz überwiegend weiblich, auch etwa 90 Prozent der gezeigten | |
| Produktionen hatten Macherinnen. Eine der Ausnahmen: Ralf Schauwacker aus | |
| Bassum bei Bremen, der mit seiner Dokumentation „Lustianogestüt La Perla“ | |
| dann auch noch den ersten Preis des Wettbewerbs gewann. | |
| Dieser Schauwacker hat das Programm für „Hauptsache Pferde“ kuratiert, das | |
| dieser Tage als inzwischen 152. „Heimspiel“ des Filmbüros Bremen im Kino | |
| Schauburg stattfindet. Das Heimspiel versteht sich als Plattform für Bremer | |
| Filme und die, die sie machen, und so stellt auch Schauwacker selbst in | |
| Ausschnitten einige seiner Arbeiten vor. „Lustianogestüt La Perla“entstand | |
| als Auftragsarbeit, es ist ein Imagefilm des spanischen Gestüts: Dort | |
| können die Pferde in den ersten Jahren ihres Lebens frei auf einem riesigen | |
| Gelände herumlaufen, für Touristen werden Beobachtungs-Bustouren durch die | |
| Landschaft angeboten. | |
| Die hier aufgezogenen und später trainierten Pferde gehören zu einer Rasse, | |
| speziell für den Stierkampf gezüchtet. An diesem Beispiel werden sehr schön | |
| die Widersprüche in der Auseinandersetzung zum Thema deutlich: Den | |
| Stierkampf wird kaum eine Zuschauerin des grandios fotografierten und | |
| stimmungsvoll inszenierten Films verteidigen, Pferdeliebhaberinnen sind | |
| quasi per Definition auch Tierschützerinnen. Andererseits: Ohne diese | |
| Kultur des rituellen Tötens von Stieren würde es die hier gezeigten edlen | |
| Pferde, die sich auch gut zum Dressurreiten eignen, nicht geben. | |
| In Schauwackers Film gibt es keine Bilder von in Stierkampfarenen | |
| aufgeschlitzten Pferdebäuchen. Hier zeigen sich vielleicht die Grenzen des | |
| Pferdefilms insgesamt: In dem ganzen, zwei Stunden langen Filmprogramm | |
| sehen wir nicht ein einziges Bild von einem kranken, misshandelten oder gar | |
| toten Tier. | |
| Ralf Schauwacker verdient sein Geld vor allem mit Lehrvideos über das | |
| Training von Pferden, auch daraus wird er Ausschnitte zeigen. Filmisch ist | |
| es eher anspruchslos, wenn da minutenlang gezeigt und erklärt wird, wie | |
| sich ein Pferd dazu bringen lässt, dem „Bauchnabel“ seiner Führerin zu | |
| folgen, also ohne Zuruf und Leine dorthin zu laufen, wo der Mensch es haben | |
| will. Schauwacker, der viele Filme allein inszeniert, aufnimmt, schneidet | |
| und vertont, zeigt manchmal aber doch etwas Witz. So unterlegt er etwa | |
| Aufnahmen vom freien Reiten ohne Zaumzeug und Sattel mit Reggae-Musik. | |
| Ein wenig krankt das Filmprogramm daran, dass es nur aus Ausschnitten | |
| besteht. So wirkt es manchmal wie eine etwas lang geratene Trailershow. Es | |
| hätte es sich etwa angeboten, „Magie der Wildpferde“ von Caro Lobig, aus | |
| dem zwei längere Sequenzen zu sehen sind, ganz zu zeigen. Vor allem der | |
| erste Ausschnitt zeigt, dass es in Pferdefilmen nicht immer eine heile Welt | |
| sein muss, in der Tier und Mensch in Harmonie leben: In den USA gelten die | |
| berühmten Mustangs manchen als eine Landplage. Es gibt rund 80.000 dieser | |
| frei laufenden Wildpferden, viele werden erschossen und geschlachtet. Dies | |
| war übrigens schon in Marilyn Monroes letztem Film „The Misfits“ (1960) ein | |
| Thema: Darin werden ebenfalls Mustangs gefangen und zu Hundefutter | |
| verarbeitet. | |
| In „Magie der Wildpferde“ begleitet das deutsche Filmteam eine Gruppe von | |
| Tierfreunden, die zum Teil mit einem Helikopter Mustangs einfangen, um sie | |
| vor dem Schlachthof zu bewahren und an Interessierte überall auf der Welt | |
| weiterzuvermitteln. Diese Hilfsaktionen sind widersprüchlich, denn ihr | |
| wildes Leben können diese Pferde ja auch nicht weiterführen. Zudem müssen | |
| sie dann auch noch weite Wege hinter sich bringen, teils bis nach | |
| Deutschland – was wohl keiner artgerechten Haltung entspricht. Viele ihrer | |
| neuen Besitzern stellen dann stolz Bilder von „geretteten“ Tieren ins Netz. | |
| Diese Problematik reißen die nun zu sehenden Ausschnitte nur an, aber einen | |
| ganzen Film ins Programm zu nehmen, das würde wohl den Heimspiel-Rahmen | |
| sprengen. Dessen Vorzüge bestehen unter anderem darin, dass zahlreiche | |
| Gäste eingeladen werden, diesmal etwa „Magie der Wildpferde“-Regisseurin | |
| Caro Lobig sowie Kameramann, Cutter und Produzent Timo Lendzion, sodass | |
| viel geredet und eventuell auch gestritten werden dürfte. | |
| Zu Gast ist auch Simone Hage, die Protagonistin im zweiten Teil von „Magie | |
| der Wildpferde“: Sie ist mit ihrer Herde, zu der zwei polnische Wildpferde | |
| und ein Hund gehören, durch ganz Deutschland gezogen. Mit ihren Rastalocken | |
| und der antibürgerlichen Attitüde wäre sie auch eine gute Besetzung gewesen | |
| für Mira in den erfolgreichen „Ostwind“-Filmen. Da kommen Wirklichkeit und | |
| Wunsch einander schon sehr nah. | |
| 28 Nov 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Wilfried Hippen | |
| ## TAGS | |
| Pferde | |
| Bremen | |
| Kino | |
| Tierfilme | |
| Film | |
| Film | |
| Evolution | |
| Pferdesport | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Katja von Garnier über „Bandits“: „Ein ganz wichtiger Film für mich“ | |
| Der Kinoschlager des Jahres 1994: 17 Lichtspielhäuser in Hamburg zeigen am | |
| Sonntag das Gangsterinnenmusical „Bandits“. Die taz sprach mit der | |
| Regisseurin. | |
| Beziehung von Mensch und Pferd: „Wildpferde waren immer Jagdwild“ | |
| Der Autor und Journalist Stefan Schomann über die Darstellung von Pferden, | |
| ausgestorbene Pferderassen und das Anschreiben gegen das Artensterben. | |
| „Pferd & Jagd“-Messe in Hannover: Männer töten, Frauen füttern | |
| Wenige grauhaarige Männer auf der einen, unzählige junge Frauen auf der | |
| anderen Seite. Die „Pferd & Jagd“ strotzt nur so vor Klischees. | |
| Jubiläum des Fernseh-Tierfilms: Sielmanns junge Erben | |
| In "Expeditionen ins Tierreich" hat Heinz Sielmann einst onkelhaft die | |
| Tierwelt erklärt. Die jungen Naturfilmer von heute setzen in ihren | |
| aufwändigen Abenteuern auf High-Tech und Geduld. | |
| Symposion zum "schlauen Tier": Die Sicht des klugen Delfins | |
| Als Tilly Bébé mit der Großkatze tanzte: Ein Symposion in Frankfurt am Main | |
| diskutierte Zoo und Kino als Schaueinrichtungen der Moderne. Dem Trend zur | |
| Eventisierung entgehen beide Orte nicht. |