# taz.de -- Ausstellungsempfehlung für Berlin: Vom Alphabet, das keiner lesen … | |
> Künstler:innen aus Georgien, die in Berlin leben, zeigen ein Subbild des | |
> Kaukasuslandes. Die taz sprach mit Ana Grizishvili, einer der | |
> Ausstellenden. | |
Bild: Installationsansicht (v.l.n.r.): Gela Megrelidze, Sophia Tabatadze, Ana G… | |
Man entweicht der Mehrheit, wenn man in Worten spricht, die keiner | |
versteht, und Zeichen verwendet, die niemand entziffern kann. | |
Schriftsteller Aka Mortschiladze – hierzulande eine der wenigen bekannten | |
Stimmen aus Georgien – sieht darin einen Kernpunkt der georgischen Kultur. | |
Künstler Zurab Sumbadze offenbar nicht. | |
Er bricht den Mythos des Unzugänglichen, den Mortschiladze auch um Georgien | |
webt, in seinem Tagebuchzeichnungen humorvoll herunter. „Ich habe | |
Mortschiladze gelesen“, zieren Tuscheletter das Blatt, „sein Stil ist | |
manieriert und formalistisch“. Dabei platziert er selbst eine ebenso | |
manierierte wie formalistische Zeichnung von einer orientalischen | |
Badehausszene mit einem Feder spitzenden Dichter (vielleicht der georgische | |
Nationaldichter Schota Rustaweli?) zwischen die Worte. | |
So klein die Zeichnung, Sumbadze dreht darauf viele ironische Pirouetten um | |
die georgische Kultur, verwirbelt Fremd- und Selbstblick, wie es sich | |
womöglich nur einstellt, lebt man nicht mehr im eigenen Land. Die Kuratorin | |
Sophia Tabatadze hat für die Ausstellung „Grüße aus Georgien“ viele dies… | |
distanzierten Blicke von georgischen Künstler:innen, die in Berlin leben, | |
versammelt. | |
Gemeinsam fügen sich die unterschiedlichsten Positionen zu einer Art | |
Subbild des Landes zusammen. Die Sprache bleibt ein Leitmotiv. Wie bei Ana | |
Gzirishvili. Sie trägt in ihrer Iki-Serie georgifizierte Worte aus dem | |
Russischen zusammen und dokumentiert damit ihr unkontrollierbares | |
Eigenleben – auch jenseits politischer Konflikte. | |
Einblick (800) | |
taz: Welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? | |
Und warum? | |
Ana Gzirishvili: Ich habe in Berlin schon lange keine Ausstellung mehr | |
gesehen, die mir starke Emotionen bereitet hat. Es gab aber einen Vorfall | |
bei einem Auftritt der Young Boy Dancing Group in der Klosterruine diesen | |
Sommer. Bei einer ihrer gefährlichen Handlungen setzten sie versehentlich | |
einige Zuschauer in Brand und verletzten sich selbst. Es herrschte Panik. | |
Und mich brachte das zum Nachdenken über die obskuren Grenzen der | |
Verantwortung zwischen Künstler:innen, Organisator:innen und Publikum nach. | |
Welches Konzert oder welchen Klub in Berlin kannst du empfehlen? | |
Trauma Bar und Kino, erst vor einem Jahr eröffnet und von Anfang an ein | |
sehr schönes Programm mit inspirierenden experimentellen Künstler:innen. | |
Welche Zeitschrift/welches Magazin und welches Buch begleitet dich zurzeit | |
durch den Alltag? | |
Gerade lese ich mehrere Bücher gleichzeitig. Zum Beispiel Silvia Federicis | |
„Caliban and the Witch“, das schon viele Menschen inspiriert hat, besonders | |
Frauen, einschließlich mich. Außerdem lese ich Virginia Woolfs „The Waves�… | |
Ihr Schreiben ist überraschend trippig. Parallel dazu die brillante Toni | |
Morrison. | |
Was ist dein nächstes Projekt? | |
Ich bereite eine Videoinstallation in Tbilisi über den Zustand des | |
„Dazwischen“-Seins oder auch des „Ortlos“-Seins vor. Dafür werde ich m… | |
meinem CGI-Charakter CGI character „Bay and Tbilisi city scape“ arbeiten. | |
Außerdem mache ich nach zwei Jahren endlich einen Musikclip zu Ende, der | |
von einer unangenehmen Erfahrung mit einem Mitarbeiter der Deutschen Bank | |
handelt, die ich einmal hatte. | |
Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht dir am meisten | |
Freude? | |
Der Kaffee am Morgen und der Blick aus meinem Fenster. Ich habe eine schöne | |
Sicht auf die Stadt. Außerdem liebe ich es, meine Bücher durchzugehen und | |
nach Worten zu suchen. | |
21 Nov 2019 | |
## AUTOREN | |
Sophie Jung | |
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