# taz.de -- Innerarabische Gewalt in Israel: Ein Mord, keine Anklage | |
> 84 Menschen aus der arabischen Bevölkerung wurden 2019 in Israel Opfer | |
> von Gewaltverbrechen. Gabi Sahwany ist einer von ihnen. | |
Bild: Protest mit Pferd: Ein israelischer Araber demonstriert gegen die Untäti… | |
TEL AVIV taz | Seit jenem verfluchten Tag im Juni dieses Jahres, als der | |
vierfache Familienvater Gabi Sahwany im Garten ermordet wurde, hat keiner | |
von seinen Angehörigen in sein früheres Leben zurückgefunden. In schwarzer | |
Kleidung sitzen die Angehörigen um ihren Wohnzimmertisch herum in Ramla, | |
einer Stadt unweit von Tel Aviv mit gemischter arabischer und jüdischer | |
Bevölkerung. Über dem Wohnzimmertisch hängt vergrößert und eingerahmt ein | |
Porträt von Gabi. Seine Witwe und seine Kinder tragen ein Amulett mit einem | |
Bild von ihm. | |
„Wir sind normale Leute, einige von uns sind Lehrer, Anwälte, Buchhalter. | |
Gabi war ein großartiger Tischler. Wir sind keine Kriminellen“, sagt eine | |
von ihnen. Die Familie möchte nicht, dass einzelne ihrer Mitglieder zitiert | |
werden. Sie sagen, sie fühlten ohnehin alle das Gleiche. | |
Gabi Sahwany ist einer von 84 Toten, die in diesem Jahr der Gewalt | |
innerhalb der arabischen Gesellschaft Israels zum Opfer gefallen sind. | |
Schon seit Langem gibt es vonseiten der arabischen Israelis Proteste gegen | |
Morde, Totschlag und Schusswechsel mit vielen Verletzten. Als aber Ende | |
September innerhalb weniger Stunden vier Menschen in einem arabischen Dorf | |
im Norden des Landes ermordet werden, beginnen Schulkinder und LehrerInnen | |
zu streiken. | |
An drei aufeinanderfolgenden Tagen demonstrieren mehrere Tausend arabische | |
Israelis gegen die Untätigkeit der Polizei. Es folgen Straßenblockaden und | |
Autokonvois. Anfang November bauen Abgeordnete der Vereinigten Arabischen | |
Liste ein Protestzelt vor dem Parlament in Jerusalem, der Knesset, auf und | |
rufen einen Hungerstreik aus. | |
Sami Abi Shehadeh ist einer von diesen Hungerstreikenden. Der | |
Vierundvierzigjährige sitzt in einem Büro in Jaffa, das zur | |
Jaffa-Jugendbewegung gehört, einer Organisation, die arabische Jugendliche | |
dabei unterstützt, ein Studium aufzunehmen. Shehadeh war Direktor der | |
Organisation, bevor er als Abgeordneter der Vereinigten Arabischen Liste in | |
die Knesset einzog. | |
## Jeder Humusladen muss Schutzgeld bezahlen | |
Es schmerze ihn, dies über seine Wahlheimat sagen zu müssen, sagt Shehadeh, | |
aber es gebe mittlerweile so gut wie kein Unternehmen in Jaffa mehr, das | |
kein Schutzgeld bezahle: die alteingesessenen arabischen Bäckereien mit | |
Knaffe in den Auslagen, die Falafel- und Humusläden. „Schießereien sind | |
hier an der Tagesordnung“, sagt er und nimmt einen Schluck Tee. Wird vor | |
einem Kiosk jemand ermordet, dann sei es recht wahrscheinlich, dass der | |
sich geweigert habe, Schutzgeld zu zahlen. Shehadehs Forderung: „Wir | |
wollen, dass die Polizei endlich handelt.“ | |
Die Vorgeschichte des Mords an dem Familienvater Gabi Sahwany beginnt im | |
März 2017, nach einem Besuch in der Kirche – die Familie gehört zu der | |
christlich-arabischen Minderheit. Sahwanys vierzehnjähriger Sohn lässt ein | |
Sandwichpapier in einem Imbiss fallen. Der Verkäufer beginnt ihn zu | |
beschimpfen, schubst und schlägt ihn. Sahwany kommt seinem Sohn zu Hilfe | |
und fragt den Verkäufer, wieso er seinen Sohn geschlagen habe. Der ruft | |
seine Freunde hinzu. | |
Familie Sahwany weiß damals noch nicht, dass diese Freunde verdächtig sind, | |
einem der größten kriminellen Clans Israels anzugehören. Es entwickelt sich | |
eine Schlägerei, die von der Polizei beendet werden muss. Unmittelbar | |
danach beginnen die Freunde des Verkäufers, die Familie Sahwany zu | |
bedrohen. | |
Das Auto von Sahwanys Bruder geht in Flammen auf. Dasselbe geschieht mit | |
dem Anwaltsbüro des anderen Bruders. Die Polizei nimmt einige männliche | |
Familienmitglieder in Gewahrsam, obwohl diese bei der Schlägerei im Imbiss | |
nicht anwesend gewesen sind. Nach einer Befragung dürfen sie nach 24 | |
Stunden wieder gehen. Von der anderen Seite, der als kriminell verdächtigen | |
Familie, wird nach Darstellung der Sahwanys niemand auf die Wache geholt. | |
Die Drohungen gehen weiter. Eine Rohrbombe landet in ihrem Garten. Männer | |
fahren im Auto durch die Straße der Familie und schießen aus dem Fenster. | |
Familie Sahwany geht zur Polizei und erstattet Anzeige. Doch, so beklagt | |
sie, sei daraufhin nichts passiert. Der Versuch, die Polizei nach ihrer | |
Darstellung der Dinge zu fragen, bleibt erfolglos. Die Polizei in Ramla | |
will sich zu dem Fall nicht äußern. | |
## Der Polizeisprecher verweist auf die vielen illegalen Waffen | |
Mickey Rosenfeld ist Sprecher der israelischen Polizei. Die Vorwürfe der | |
Protestierenden gegen die Beamten will er nicht akzeptieren. „Die Führer | |
der arabischen Gesellschaft müssen wesentlich mehr tun“, sagt er am | |
Telefon: „Communityarbeit – das ist viel wichtiger, als einfach auf | |
kriminelle Akte zu reagieren.“ Er schiebt hinterher: „So oder so reagiert | |
die Polizei schnell.“ Fragt man ihn danach, was getan werden müsse, um das | |
Problem zu lösen, verweist er auf die zahlreichen illegalen Waffen in den | |
Händen arabischer Israelis: „Die arabische Gesellschaft muss verstehen, | |
dass es illegal ist, Waffen zu besitzen. Die Tradition, auf arabischen | |
Hochzeiten zu schießen – es muss klar werden, dass das nicht sein kann.“ | |
Yudit Ilany schüttelt den Kopf und verzieht das Gesicht. Die studierte | |
Kriminologin sitzt in einem Café im Süden Tel Avivs und bestellt einen | |
Cappuccino. Bis vor Kurzem arbeitete sie als Assistentin der arabischen | |
Abgeordneten Haneen Zoabi, die damals als Vorsitzende des Ausschusses zur | |
Bekämpfung von Gewalt innerhalb der arabischen Gesellschaft fungierte. | |
„Eines der Grundprobleme war und ist, dass es keine verlässlichen Angaben | |
und Zahlen zu der Gewalt innerhalb der arabischen Gesellschaft gibt“, sagt | |
Ilany. Von Gilad Erdan, dem Minister für öffentliche Sicherheit, seien nur | |
widersprüchliche und lückenhafte Angaben gekommen. Zoabi und Ilany begannen | |
mit eigenen Recherchen. Ilany übernahm die Untersuchungen zu Jaffa, der von | |
Juden und Arabern bewohnten Stadt am Rande von Tel Aviv. Ihr kam zugute, | |
dass sie da bereits seit zwanzig Jahren in Jaffa wohnte und als Aktivistin | |
bekannt war. So waren alle bereit, mit ihr zu sprechen: die Familien von | |
Ermordeten, Frauen, die bedroht wurden, Manager von Sozialeinrichtungen, | |
SchuldirektorInnen, Anwälte, Bürgermeister und nicht zuletzt auch die | |
Kriminellen selbst. | |
Ilany legt einen Stapel Papier auf den Cafétisch: „Kriminalität in der | |
arabischen Gesellschaft Israels: Defizite der Strafverfolgung“ lautet der | |
Titel des Berichts, den sie und Zoabi auf Basis ihrer Recherchen | |
geschrieben haben. Ilany betont, sie hätten den Bericht geschrieben, um dem | |
Staat eine Vorlage für weitere Recherchen zu geben. Vor zwei Jahren haben | |
sie ihn an den Rechnungshof übermittelt. Daraufhin stellte dieser einen | |
eigenen Bericht fertig, der viele von Zoabis und Ilanys Forderungen | |
bestätigte. | |
„Niemand kümmert sich um die finanzielle Seite der Kriminalität. Es geht | |
nicht um Schüsse auf Hochzeiten, sondern um Geld, um wahnsinnig viel Geld. | |
Um Drogenhandel, illegale Bodenvergabe, Abfallentsorgung, | |
Schutzgelderpressung.“ Ilany zeigt auf einen kleinen Laden zum | |
Geldwechseln. „Geldwäsche. Nicht alle, aber viele. Und dabei geht es um | |
zehn bis zwanzig Prozent des Umsatzes, den alle Banken in Israel zusammen | |
machen.“ | |
Fragt man sie, ob sie Angst habe, sich in diese Recherche zu stürzen, | |
schüttelt sie den Kopf und ihre langen blonden Haare. „Als Jüdin und Weiße | |
bin ich relativ privilegiert in Israel – und geschützt.“ | |
## Die Hilferufe der Sahwanys bleiben ungehört | |
Zwei Monate nach dem Vorfall mit dem Sandwichpapier im Imbiss wartet ein | |
Mann auf den Familienvater Gabi Sahwany und seine Frau im Garten, als sie | |
abends nach Hause kommen. „Lauf!“, habe Sahwany seiner Frau zugerufen, und: | |
„Nimm die Kinder mit.“ Der Unbekannt schießt auf Sahwany, trifft ihn nicht. | |
Daraufhin setzen die Sahwanys Briefe auf, in denen sie um Hilfe bitten. Die | |
Schreiben liegen ausgebreitet auf dem Wohnzimmertisch: „Wir haben an Gilad | |
Erdan, den Minister für öffentliche Sicherheit, an den Rechnungshof, an den | |
Polizeichef geschrieben. Nichts ist passiert“, beklagen die Angehörigen des | |
Ermordeten. Einige von ihnen haben Tränen in den Augen. | |
Fragt man Abu Shehadeh, den Knessetabgeordneten, ob er Angst habe, hebt er | |
seine Arme: „Natürlich habe ich Angst“, sagt er: „Wir hören oft, dass d… | |
arabische Gesellschaft nicht kooperieren will. Was für ein dummer Satz. | |
Wenn wir nicht kooperieren, dann weil es um organisierte Kriminalität geht. | |
Und darum, dass die Zeugen nicht geschützt werden.“ | |
Shehadeh erzählt von einem jüdischen Künstler, der vor einiger Zeit in | |
Jaffa umgebracht wurde. Die Polizei habe die Straßen gesperrt, und ein paar | |
Stunden später seien sämtliche Personen, die etwas mit dem Mord zu tun | |
hatten, festgesetzt worden. „Seit dem Jahr 2000“, fährt er fort, „wurden… | |
Jaffa hundertzwanzig arabische Männer ermordet. Wie viele Morde davon | |
wurden aufgeklärt?“ Shehadeh macht eine kurze Pause und hebt zwei Finger: | |
„Zwei Prozent! Die organisierte Kriminalität weiß, dass es nicht gefährlich | |
ist, Araber umzubringen.“ | |
Konfrontiert man Polizeisprecher Mickey Rosenfeld mit diesen Zahlen, so | |
entgegnet er, dass in diesem Jahr bereits 33 Personen im Rahmen der | |
Ermittlungen zu den 84 im arabischen Sektor Ermordeten festgenommen worden | |
seien. Wie viele davon allerdings wieder auf freien Fuß gesetzt worden | |
sind, ob und in wie vielen Fällen es zu einem Gerichtsverfahren gekommen | |
sei oder komme, dazu hat er keine Angaben. | |
## Die Polizei ruft zur außergerichtlichen Einigung auf | |
Im Mai 2017 meldete sich die Polizei bei Familie Sahwany. Man habe ihnen | |
nahegelegt, eine Sulha zu machen – eine traditionelle Zeremonie zum | |
Friedensschluss in arabischen Gesellschaften. Die Familie kann es noch | |
heute nicht glauben. „Wieso sollen wir eine Sulha machen?“, hätten sie | |
erwidert: „Wir haben nichts getan!“ | |
Abu Shehadeh nimmt einen Schluck Tee und nickt: „Wenn die Polizei sagt: | |
‚Macht eine Sulha‘, dann heißt das, die Polizei macht ihre Arbeit nicht.“ | |
Er rückt seine Brille zurecht: „Es bedeutet, dass es keinen modernen Staat | |
gibt. Heute funktioniert dieses System nicht mehr. Und die Gesellschaft ist | |
mittlerweile so kriminalisiert, dass der Kopf des Sulha-Teams zu einer der | |
kriminellsten Familien in Israel gehört.“ | |
Fragt man Polizeisprecher Rosenfeld nach der Taktik der Polizei, mithilfe | |
von Sulhas Frieden zu stiften, wird er begriffsstutzig: „Sul-was?“, | |
erwidert er und wiederholt auch nach Erläuterungen, nicht zu wissen, wovon | |
die Rede ist. | |
„Also bitte“, lacht Yudit Ilany bitter und schüttelt ihren Kopf: „In Isr… | |
nicht zu wissen, was eine Sulha ist“, sie überlegt einen kurzen Moment und | |
fährt dann fort, „das ist ungefähr so wie in Deutschland Bier nicht zu | |
kennen.“ | |
Die Polizei im Fall Sahwany insistiert. Die gegnerische Familie könnte sie | |
umbringen, wenn sie sich nicht auf eine Sulha einlassen, hätten die Beamten | |
gesagt. Die Sahwanys lenken schließlich ein. Die Sulha findet in der | |
Nachbarschaft der kriminellen Familie statt. 500 Menschen, arabische | |
Christen und Muslime, sind anwesend. Der Priester hält eine Rede über | |
Brüderlichkeit und Frieden für Sahwanys Familie. Der Scheich spricht für | |
die gegnerische Familie. Sie schütteln sich die Hände und geloben Frieden. | |
Dann wird gegessen. Auf dem Wohnzimmertisch unter dem Portrait von Sahwany | |
liegen Fotos von der Sulha, zwei Polizisten sind unter den Anwesenden. | |
In den letzten Jahrzehnten ist die Gewaltrate in der arabischen | |
Gesellschaft rapide gestiegen. Es gibt unterschiedliche Thesen dazu. Das | |
Waffenproblem, auf das der Polizeisprecher verweist, bestätigen auch Ilany, | |
Shehadeh und die Familie Sahwany. Ein Großteil der illegal erworbenen | |
Waffen stammt von der israelischen Armee und gerät über Umwege in die Hände | |
arabischer Clans. Laut einem Bericht eines Knessetausschusses waren im Jahr | |
2017 400.000 nicht lizenzierte Waffen in Umlauf, 80 Prozent davon im | |
arabischen Sektor. „Aber ist es etwa unser Job, diese Waffen | |
einzusammeln?“, fragen die Familienmitglieder des ermordeten Gabi Sahwany | |
und blicken dabei auf den Wohnzimmertisch, auf dem noch immer die Dokumente | |
ausgebreitet sind. „Wie ist es möglich“, fragt auch Kriminologin Yudit | |
Ilany, „dass die Polizei bei den Sulhas nicht die Waffen einsammelt, die in | |
den Händen krimineller Familien sind?“ | |
Für den Abgeordneten Sami Abi Shehadeh ist die Gewaltspirale innerhalb der | |
arabischen Gesellschaft nicht ohne die Geschichte Israels und Palästinas zu | |
verstehen. „Seit der Gründung des Staates Israel wurde die arabische | |
Bevölkerung innerhalb der Grenzen Israels als Bürger zweiter Klasse | |
betrachtet“, beklagt er in seinem Büro: „Arbeitstechnisch hat Israel uns | |
den Dienstleistungsbereich gelassen: Wir arbeiteten als Bauarbeiter, | |
Putzhilfen, Automechaniker. Die meisten von uns leben unterhalb der | |
Armutsgrenze.“ In Jaffa, Ramla und Lod, den urbanen Zentren der Gewalt, sei | |
die Kriminalität für viele junge arabische Männer die einzige | |
Karrieremöglichkeit. | |
## Der Mord am 8. Juni 2019 | |
Nach zwei Jahren anhaltender Drohungen sitzt Gabi Sahwany am 8. Juni 2019 | |
auf der Geburtstagsfeier seines Neffen mit seinen Geschwistern, | |
Schwägerinnen und Schwagern im Garten in Ramla. Sie trinken Kaffee. Die | |
Kinder spielen mit Luftballons. Da fährt ein maskierter Mann in seinem Auto | |
vor, betritt den Garten und schießt sechsmal. Zwei Kugeln treffen die | |
Schwägerin von Sahwany, drei treffen kein Ziel, eine Kugel trifft Sahwany | |
im Gesicht. Er verblutet. | |
Fragt man Polizeisprecher Rosenfeld danach, wie die Polizei plant, gegen | |
die Gewalt vorzugehen, verweist er auf ein Programm, mit dem in diesem Jahr | |
sieben neue Polizeistationen in arabischen Regionen eingerichtet wurden. | |
Außerdem seien 800 arabische Polizisten neu eingestellt worden. | |
„Um organisierter Kriminalität zu begegnen“, sagt Ilany, „braucht es drei | |
Dinge.“ Sie hebt ihren Daumen: „Man muss die Finanzdienste angreifen, die | |
die Kriminalität ermöglichen.“ Sie spreizt ihren Zeigefinger ab: | |
„Rehabilitierung.“ Dann hebt sie den dritten Finger: „Investigatives | |
Vorgehen. Man kann 800 arabische Polizisten einstellen, aber wenn die nicht | |
für Investigativarbeit ausgebildet sind, verteilen die nur Strafzettel.“ | |
Die Nachbarn der Sahwanys haben nach dem Mord die Bänder ihrer | |
Überwachungskameras zur Polizei gebracht. Alles war darauf aufgezeichnet. | |
Mehr als einen Monat später fand die Polizei den mutmaßlichen Mörder. Er | |
blieb zehn Tage lang in Untersuchungshaft, danach hieß es, dass die Beweise | |
gegen ihn nicht ausreichten. | |
Familie Sahwany fragt bei der Polizei nach. Die Antwort habe gelautet: „Die | |
sind fünftausend, ihr seid fünf. Was wird passieren, wenn wir ihn | |
festnehmen? Sie werden einen weiteren von euch umbringen.“ | |
Am 5. Juli 2019, wenige Wochen nach dem Mord an Gabi Sahwany, fallen wieder | |
Schüsse in der Straße der Familie. Bald darauf findet eine Gedenkzeremonie | |
in der Kirche statt. Die Familie bittet um Polizeischutz. Die Beamten | |
hätten geantwortet, dass sie keine Sicherheitsfirma seien. Sie sollten sich | |
eine private Firma suchen. | |
Fragt man Yudit Ilany danach, ob sie glaube, dass sich etwas ändert, wiegt | |
sie ihren Kopf hin und her. Für sie stellt sich die Frage, was mit dem | |
Bericht und den Empfehlungen geschehen wird. „Angesichts der wiederholten | |
Wahlen hier wohl nicht viel.“ Sie blickt kurz aus dem Fenster, dann ergänzt | |
sie. „Es scheint, die Polizei ist mehr daran interessiert, die politischen | |
Aktivitäten der arabischen Gesellschaft zu kontrollieren, als die | |
Kriminalität zu bekämpfen.“ | |
Die Augen der Familienmitglieder von Gabi Sahwany füllen sich mit Tränen: | |
„Sie sagen, es ist die Kultur der Araber“, sagte eine Frau: „Dass wir nic… | |
kooperieren würden. Jedes Mal sind wir zur Polizei gegangen. Nie ist etwas | |
passiert.“ Sie blickt auf: „Wie kann das sein?“, fragt sie. Über ihr hä… | |
eingerahmt das Porträt von Gabi Sahwany. | |
21 Nov 2019 | |
## AUTOREN | |
Judith Poppe | |
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