# taz.de -- Kriegsverbrechen in Syrien: Anklage wegen Folter | |
> Die Bundesanwaltschaft hat zwei Syrer wegen Menschenrechtsverletzungen | |
> angeklagt. Einer von ihnen leitete im Bürgerkriegsland wohl ein | |
> Foltergefängnis. | |
Bild: Die Männer wurden im Februar in Berlin und Rheinland-Pfalz festgenommen … | |
KARLSRUHE afp | Die Bundesanwaltschaft hat zwei mutmaßliche ehemalige | |
Mitarbeiter des syrischen Geheimdienstes wegen Verbrechen gegen die | |
Menschlichkeit angeklagt. Die Männer sollen in [1][Syrien] ein | |
Foltergefängnis geleitet sowie diesem zugearbeitet haben, wie die | |
Anklagebehörde am Dienstag in Karlsruhe mitteilte. Einem der Beschuldigten | |
werden zudem 58 Morde, Vergewaltigung und sexuelle Nötigung vorgeworfen. | |
Die Männer wurden im Februar dieses Jahres in Berlin und Rheinland-Pfalz | |
festgenommen und sitzen seitdem in Haft. Der Hauptbeschuldigte Anwar R., | |
dem die Morde und weitere Verbrechen vorgeworfen werden, leitete der | |
Anklage zufolge 2011 und 2012 eine auf die Bekämpfung von Oppositionellen | |
gegen Machthaber Baschar al-Assad spezialisierte Einheit. In einem von | |
dieser betriebenen Gefängnis wurden Verdächtige systematisch gefoltert. | |
R. habe als Chef der Geheimdiensteinheit die Abläufe in dem Gefängnis | |
kontrolliert und sei dadurch auch für den Tod von mindestens 58 Gefangenen | |
verantwortlich, teilte die Behörde mit. Er gehörte demnach zu der für die | |
Region um die Hauptstadt Damaskus zuständigen Abteilung 251 des | |
Geheimdiensts. Im Gefängnis seien unter seiner Aufsicht mindestens 4.000 | |
Gefangene gefoltert worden, unter anderem mit Peitschen und | |
Elektroschockern. | |
Der zweite Angeklagte Eyad A. war laut Anklage in einer Abteilung tätig, | |
die der Einheit von R. zuarbeitete. Er war demnach für Verhaftungen | |
zuständig und soll 2011 Teilnehmer einer regierungskritischen Demonstration | |
verfolgt und in das Gefängnis gebracht haben, obwohl er von der Folter | |
wusste. Ihm wird deshalb Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit | |
vorgeworfen. | |
## „Ein wichtiges Zeichen“ | |
Die beiden Männer verließen Syrien nach Erkenntnissen der deutschen | |
Ermittler 2012 und 2013 und reisten zu unterschiedlichen Zeitpunkten in die | |
Bundesrepublik ein, nachdem sie zunächst Zeit anderswo verbracht hatten. R. | |
kam im Juli 2014 nach Deutschland, A. im August 2018. | |
Erhoben wurde die Anklage vor dem Oberlandesgericht im | |
rheinland-pfälzischen Koblenz, das nun für die Prüfung der Vorwürfe und die | |
etwaige Eröffnung eines Prozesses zuständig ist. Wann dies sein wird, blieb | |
noch offen. | |
Die Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional and Human | |
Rights (ECCHR) sprach von dem absehbar ersten Strafprozess wegen | |
Folterungen in Syrien weltweit. „Die Anklage ist ein wichtiges Zeichen, vor | |
allem für die Betroffenen von Assads Foltersystem“, erklärte | |
Generalsekretär Wolfgang Kaleck in Berlin. Das ECCHR betreut nach eigenen | |
Angaben 14 Syrer, die in dem Gefängnis gefoltert wurden und gegenüber | |
deutschen Ermittlern als Zeugen aussagten. | |
In Syrien kam es im Frühjahr 2011 zu Protesten, die von der Regierung | |
brutal unterdrückt wurden und in einen [2][bis heute andauernden | |
Bürgerkrieg] mündeten. Seit dem Beginn des Konflikts starben dort nach | |
Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mindestens | |
60.000 Menschen durch Folter oder aufgrund schlechter Haftbedingungen. Die | |
Vereinten Nationen warfen den Konfliktparteien mehrfach Kriegsverbrechen | |
sowie auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. | |
Im Zusammenhang mit den Ermittlungen und den Festnahmen von R. und A. im | |
Februar war in Frankreich ein dritter mutmaßlicher früherer syrischer | |
Geheimdienstmitarbeiter festgenommen worden. Auch diesem Mann wird Beihilfe | |
zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Die Ermittlungen gegen | |
ihn führt die französische Justiz. | |
Die Verfahren gegen alle Beschuldigten sind laut ECCHR das Ergebnis einer | |
ganzen Reihe von Strafanzeigen, welche die Organisation seit 2016 gemeinsam | |
mit etwa 50 Syrern in Deutschland, Schweden und Österreich einreichte. Ein | |
Prozess gegen R. und A. wäre dabei auch ein „wichtiges Zeichen im Kampf | |
gegen die Straflosigkeit“, betonte sie. | |
29 Oct 2019 | |
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