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# taz.de -- Streit um Jugendhaftanstalt Billwerder: „Viele offene Fragen“
> Die Hamburgische Bürgerschaft hat den Bau der Jugendhaftanstalt
> Billwerder beschlossen. Aber im wissenschaftlichen Beirat des Projekts
> brodelt es.
Bild: V-förmige Hafthäuser: So soll die erweiterte Haftanstalt Billwerder aus…
Hamburg taz | Den Bau einer neuen Jugendhaftanstalt in Billwerder hat die
Bürgerschaft beschlossen: Mit Zustimmung aus der Opposition votierte die
rot-grüne Mehrheit am 23. Oktober für das 164-Millionen-Projekt. Gelungen
sei das „durch die breite Beteiligung von Wissenschaft, Praxis und Politik
im Planungsprozess“, sagte Justizsenator Till Steffen (Grüne) nach der
Abstimmung in der Bürgerschaft und sprach von einem „Meilenstein“.
Gerade aus der Wissenschaft aber weht dem Vorhaben kräftiger Wind entgegen:
Mitglieder des Beirats, der die Planungen begleitet, fordern eine
Sondersitzung, um ihre „weitere Mitwirkung in diesem Projekt zu
überprüfen“; so steht es in einem Scheiben, das der taz vorliegt.
Besonders stoßen sich die Beiratsmitglieder demnach am – seitens der
Behörde vermittelten – Eindruck, es herrsche Einigkeit: Die
Wissenschaftler*innen „sind nur der Freiheit von Forschung und Lehre
verpflichtet und wollen unabhängig bleiben“, sagt Bernd Maelicke der taz.
Der Kriminologe ist selbst Teil des Beirats und hat den Brief
mitunterzeichnet.
Der Anschein vollständiger Zustimmung zur konkreten Umsetzung sei nicht
richtig. „Es gibt noch viele offene Fragen, die auf der beantragten Sitzung
geklärt werden sollen“, so Maelicke weiter. So sieht die Planung etwa einen
Gebäudekomplex vor, der durch eine Magistrale als zentraler
Orientierungspunkt sowie V-förmige Hafthäuser charakterisiert ist. Dafür
hat sich die Justizbehörde entschieden, weil so alle Bereiche, in denen
sich Gefangene regelmäßig aufhalten, gut einsehbar und übersichtlich seien.
Die Wissenschaftler*innen kritisieren, dass der Beirat keine anderen
Entwürfe vorgelegt bekommen habe. „Der nunmehr beschlossene Entwurf und
Alternativen von anderen Architekten wurden im Beirat nicht gegenseitig
abgewogen und zur Abstimmung gestellt“, heißt es in dem Schreiben. Zwar
werde durch den aktuellen Entwurf möglicherweise Gewalt eingedämmt. Eine
andere Frage aber ist, ob damit auch eine erfolgreiche Resozialisierung
möglich ist.
Über dieses Für und Wider, auch über Alternativen habe man nicht beraten
können. „Nur von einer halbfertigen Planung“ will deshalb der Kriminologe
Maelicke sprechen. Unklar sei zudem etwa auch, welche Aufgaben konkret auf
externe Dienstleister übertragen werden sollen.
Die Justizbehörde sieht das anders: „Sämtliche Planungen der
Jugendanstalt“, sagt Sprecher Dennis Sulzmann, „basieren auf den mit dem
Beirat gemeinsam erarbeiteten Leitgedanken des zukünftigen Jugendvollzuges,
die vom Beirat einstimmig beschlossen wurden.“ Zugestimmt hätten ja dann
auch noch FDP und Linksfraktion und sich damit nicht der Einzelkritik
angeschlossen. „Das Realisierungskonzept für die Jugendanstalt Hamburg ist
das Ergebnis eines bundesweit einmaligen Beteiligungsprozesses“, sagt
Sulzmann.
Übernächstes Jahr soll mit dem Bau begonnen werden. 200 Haftplätze im
geschlossenen Jugendvollzug sowie 18 Haftplätze im offenen Jugendvollzug
und 20 Plätze für den Jugendarrest [1][würden dann entstehen].
Ob es zu einer Sondersitzung des Beirats kommen wird, ist offen. Ungewiss
auch, ob dabei die aus Sicht der Kritiker*innen offenen Fragen beantwortet
werden können. „Am Ende der Klärung dieser Fragen muss sich jedes Mitglied
des Beirats fragen und fragen lassen“, sagt Maelicke, „ob es für dieses
Ergebnis seinen Namen hergeben möchte.“
4 Nov 2019
## LINKS
[1] https://www.hamburg.de/justizbehoerde/justizvollzug/12728644/jugendanstalt-…
## AUTOREN
André Zuschlag
## TAGS
Strafvollzug
Gefängnis
Straffällige Jugendliche
Hamburg
Jugendhaftanstalt Billwerder
JVA
Knast
Resozialisierung
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