# taz.de -- Hamburgs Justizbehörde stoppt JVA: Baby darf erstmal im Knast blei… | |
> Die JVA Billwerder wollte eine Mutter und ihr Baby trennen – gegen ihren | |
> Willen und die Empfehlung des Jugendamts. Nun rudert die Behörde zurück. | |
Bild: Genügend Platz zum Spielen, aber keine Kinder: die JVA Billwerder | |
HAMBURG taz | Die Leitung der Hamburger Justizvollzugsanstalt (JVA) | |
Billwerder möchte Marie L.* ihr Baby wegnehmen. Es soll in eine | |
Pflegefamilie kommen. Die junge Mutter ist momentan in Untersuchungshaft. | |
Sie brachte ihr Kind am vergangenen Donnerstag zur Welt – und sie möchte | |
sich um das Baby kümmern. | |
Unterstützung für diese Entscheidung bekommt sie vom Jugendamt. „Es handelt | |
sich immer um Einzelfallentscheidungen. Aber für ein Neugeborenes ist der | |
Kontakt zur Mutter das Wichtigste. Deshalb sollte man das Kind immer in der | |
Obhut der Mutter lassen, wenn es keine schwerwiegenden Gründe dagegen | |
gibt“, sagt Lena Stich vom Jugendamt Bergedorf. | |
Laut der Justizbehörde hatte die Anstaltsleitung entschieden, das Kind | |
nicht gemeinsam mit seiner Mutter unterzubringen. Heute sagte Sprecherin | |
Mareyke Frantzen, dass die Justizbehörde versuche, eine Lösung zu finden, | |
die „dem Kindeswohl entspreche“. | |
Die Anwältin von Marie L., Christine Siegroth, hatte sich in Absprache mit | |
ihrer Mandantin dazu entschieden, mit dem Fall an die Öffentlichkeit zu | |
gehen. Ihre Mandantin sei nun schon seit einem Monat inhaftiert und die | |
Anstalt habe keine Vorbereitungen für die Obhut des Babys getroffen. | |
## JVA-Leitung wurde erst kurz vor Geburtstermin aktiv | |
Da das Gefängnis vorhatte, das Kind nicht mit aufzunehmen, hätte die | |
Leitung so früh wie möglich das Jugendamt informieren müssen, um | |
beispielsweise Pflegefamilien anzufragen, so die Anwältin. Die Besprechung | |
mit dem Jugendamt habe erst drei Tage vor dem errechneten Geburtstermin | |
ihrer Mandantin stattgefunden, sagt sie. | |
Wenn inhaftierte Frauen ihre Kinder gebären, dann findet die Geburt in | |
einem normalen Krankenhaus statt. „Mit Fußfesseln werden die Frauen im | |
Krankenhaus überwacht“, sagt Anwältin Siegroth. „Danach kommen sie zurück | |
in die Anstalt. Bei dem Baby liegt juristisch ab dieser Sekunde eine | |
Kindeswohlgefährdung vor.“ | |
In der Teilanstalt für Frauen in der JVA Billwerder gibt es eine | |
Mutter-Kind-Station. Dort können die Mütter sich um ihre Kinder kümmern, | |
bis sie fünf Jahre alt werden. Bei dieser Aufgabe werden sie von geschultem | |
Personal unterstützt und die Kinder pädagogisch betreut. | |
Laut der Anwältin von Marie L. ist die Mutter-Kind-Station nicht voll. Es | |
gibt acht Haftplätze, aber es seien aktuell nur zwei Mütter mit jeweils | |
einem Kind untergebracht, so Siegroth. Für die Entscheidung, das | |
Neugeborene nicht aufzunehmen, habe die Anstaltsleitung mehrere Gründe | |
genannt. Zum einen gelte das Trennungsgebot von Strafhäftlingen und | |
Häftlingen in Untersuchungshaft. Wenn man Marie L. und ihr Baby auf der | |
Mutter-Kind-Station unterbrächte, wäre dieses Gebot gebrochen. In | |
Ausnahmefällen kann das Gericht die Aufnahme dennoch genehmigen. | |
Außerdem führt die Gefängnisleitung an, in der JVA sei nicht rund um die | |
Uhr ein pädagogischer Dienst vorhanden. Auch spreche Marie L. nur | |
Französisch und könne sich deshalb nicht verständigen, wenn mit ihrem Baby | |
etwas sei. In den Augen der Anwältin ist das unbegreiflich. „Die wollen | |
einfach nicht, weil das Arbeit macht. Die Stimmung ist feindlich gegen | |
alles, was nicht Alltag ist.“ | |
## Das Gefängnis ignorierte die Vorschläge des Jugendamts | |
Das Gefängnis hatte laut dem NDR ebenfalls vorgebracht, Marie L. habe keine | |
Möglichkeit, ihr Kind während der Gerichtstermine zu betreuen. Das | |
Jugendamt habe jedoch mehrere Vorschläge zur Betreuung gemacht, | |
widerspricht Siegroth. | |
Auf die Frage, warum Marie L. ihr Kind nicht mit ins Gericht nehmen könne, | |
antwortete das Gefängnis der Anwältin: „Wenn sie gefesselt ist, kann sie | |
doch ihr Baby nicht halten.“ Aus ihrer Sicht wehre man sich mit Händen und | |
Füßen gegen Hilfe für ihre Mandantin. Deshalb habe sie schon Beschwerde | |
eingelegt. | |
Nun sind Marie L. und ihr Baby vorerst doch auf der Mutter-Kind-Station | |
untergebracht. Laut Frantzen prüft die Justizbehörde derzeit „alle Optionen | |
einer längerfristigen gemeinsamen Unterbringung“. | |
(* Name geändert) | |
18 Nov 2019 | |
## AUTOREN | |
Sophie Hansen | |
## TAGS | |
JVA | |
Strafvollzug | |
Gefängnis | |
Kindeswohlgefährdung | |
Knast | |
Untersuchungshaft | |
Strafvollzug | |
Knast | |
Resozialisierung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Streit um Jugendhaftanstalt Billwerder: „Viele offene Fragen“ | |
Die Hamburgische Bürgerschaft hat den Bau der Jugendhaftanstalt Billwerder | |
beschlossen. Aber im wissenschaftlichen Beirat des Projekts brodelt es. | |
Streit um Hamburgs neues Jugendgefängnis: „Eine echte Fehlplanung“ | |
Linken-Politiker Martin Dolzer und Sozialwissenschaftler Bernd Maelicke | |
kritisieren die Architektur des neuen Jugendknasts Billwerder. | |
Neues Jugendgefängnis in Hamburg: Big Brother im Knast | |
Der Hamburger Senat hat den Neubau einer Jugendvollzugsanstalt beschlossen. | |
Opposition und Expert*innen kritisieren das Baukonzept. |