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# taz.de -- Kolumne Russisch Brot: Clown oder erfolgreicher Joker?
> Domenico Tedesco übernimmt das Traineramt bei Spartak Moskau. Dabei ist
> die russische Premjer-Liga nicht gerade als Schwungrad für Karrieren
> bekannt.
Bild: Schwierige Mission: Tedesco soll Spartak Moskau wieder nach oben führen
Lange Zeit hat Domenico Tedesco kein Titelblatt mehr geziert. Dass er Mitte
Oktober ausgerechnet als Clown sein Comeback in der Sportpresse feiern
würde, hat sich der 34-jährige Fußballtrainer so gewiss nicht vorgestellt.
Und dass er auf die erste Seite des Sport Express, einer der
auflagenstärksten Tageszeitungen in Russland, gelangen würde, das ist bis
vor wenigen Monaten vermutlich eher nicht Bestandteil seines Karriereplanes
gewesen.
Binnen kürzester Zeit – fünfzehn Monaten, um genau zu sein – wurde aus dem
[1][Hoffenheimer Juniorencoach], der Wundertrainer und Retter des
Zweitligisten Erzgebirge Aue und der Heilsbringer von Schalke 04, der dem
Revierklub den maximal möglichen Erfolg bescherte – eine Platzierung direkt
hinter Dauer-Meister Bayern München. Am Versuch, Schalke 04 auf ganz neue
Beine zu stellen, scheiterte er jedoch. Die Entlassung folgte vergangenen
März.
Und nun wird der größte Shootingstar unter Deutschlands Trainern in den
letzten zwei Jahren zu seinem Amtsantritt beim russischen Rekordmeister
Spartak Moskau als Clown vorgestellt? Immerhin erkämpfte sich das von fünf
Niederlagen in Serie gebeutelte Spartak am Wochenende unter der Führung von
Tedesco gegen den Tabellennachbarn Rubin Kasan ein Remis.
Die Sportzeitung beruhigte die aufgeregten Spartak-Fangemüter. Die
Fotomontage sei eine Anspielung auf den aktuellen Kinofilm „Joker“ gewesen,
in der ein Clown eine Hauptrolle spielt: „Der Charakter des Joker ist in
der modernen Kultur einer der beliebtesten und berühmtesten. Wir sehen
Tedesco als unberechenbaren und gefährlichen Gegner für seine
Kontrahenten.“
## Moskauer Exil
Genau so wollte es auch Tedesco verstehen. Er habe das als Kompliment
gedeutet, versicherte er auf der Homepage des Vereins. Als Witzfigur
versteht er sich natürlich nicht bei seinem Bemühen, wieder Boden unter die
Füße zu bekommen. Dass er das auf russischem Boden versucht, überrascht.
Denn bislang ist die Premjer-Liga nicht dafür bekannt, deutsche Karrieren
wieder in Schwung zu bringen.
Die fünf Jahre, die Kevin Kuranyi bei Dynamo Moskau verbrachte, kann eher
als Exilzeit verbucht werden, nachdem er sich weder in der Bundesliga
[2][noch in der Nationalmannschaft ausreichend wertgeschätzt fühlte]. In
Hoffenheim konnte er sich nach seiner Rückkehr aus Russland nicht
durchsetzen.
Der 31-jährige ehemalige deutsche Nationalspieler Benedikt Höwedes, der
seit 2018 die Abwehr bei Lokomotive Moskau verstärkt, benötigt eh keine
Sprungbretter mehr für seine sportliche Laufbahn. Und auch bei André
Schürrle, der bei Spartak, seiner siebten Vereinsstation, nun die
Anweisungen von Domenico Tedesco befolgt, sind die Aussichten eher gering,
sich noch einmal für höhere Aufgaben zu empfehlen.
Die russische Premjer-Liga ist mehr auf den Import als auf den Export von
Fußballgrößen ausgelegt. Für Tedesco, der erst am Anfang seiner Karriere
steht, ist der Umzug nach Russland deshalb ebenso gewagt, wie für
Maximilian Philipp, der vor wenigen Wochen von Borussia Dortmund zu Dynamo
Moskau wechselte. Anfangs erzielte er immerhin zwei Tore, doch zuletzt kam
er beim Tabellenvorletzten nicht einmal mehr zum Einsatz.
Besonders tragisch für den 25-Jährigen ist, dass die hohe Ablösesumme,
welche die Dortmunder für ihn haben wollten, ihm eine Fortsetzung seiner
Karriere in der Bundesliga verbauten. Weder der VfL Wolfsburg noch Hertha
BSC Berlin sahen sich in der Lage, für den Mittelfeldspieler 20 Millionen
Euro auszugeben. Sehr schnell ist es sehr still geworden rund um Philipp.
Domenico Tedesco muss aufpassen, dass es ihm nicht ähnlich ergeht.
22 Oct 2019
## LINKS
[1] /Hoffenheims-Nachwuchstrainer/!5350787
[2] /Weil-er-nicht-beim-Team-blieb/!5174450
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Kolumne Russisch Brot
Russland
Fußball
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