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# taz.de -- Kriterien beim Deutschen Buchpreis: Öfter mal zum Buch greifen
> Ist der Deutsche Buchpreis eine Werbemaßnahme oder geht es um
> literarische Qualität? Die Bekenntnisse einer Jurorin lösten eine Debatte
> aus.
Bild: Schaufenster einer Buchhandlung mit den Romanen, die für den Deutschen B…
Mal wieder gibt es Streit um den [1][Deutschen Buchpreis]. Vor der Vergabe
hatte sich Jury-Mitglied Petra Hartlieb in der Wiener Tageszeitung Die
Presse über die anstrengenden Lektüren beklagt: „Es tauchen auch Bücher auf
den Lieblingslisten der Juroren auf, von denen ich nicht mehr als hundert
Seiten schaffe, ich kann das nicht lesen, ich kann das nicht verstehen, ich
kann das vermutlich nicht verkaufen, ich habe schon Schwierigkeiten, der
Lobeshymne des Kollegen zu folgen. Und da, wie ein rettender Anker, eine
kurze Mail des zweiten Buchhändlers in der Jury: ‚Wir müssen das
verhindern.‘“
Die Ausführungen der Wiener Buchhändlerin irritierten nicht wegen der
eingestandenen Überforderung, sondern wegen der naiven und zugleich
angeberisch vorgetragenen Offenheit. Verärgert meldeten sich ehemalige
Juroren zu Wort, wie der Leiter des Hamburger Literaturhauses, Rainer
Moritz. Hartliebs Text, schrieb er in der NZZ, stelle „unfreiwillig
blamabel das Prozedere eines der wichtigsten deutschen Literaturpreise
bloß“.
Wie erfolgreich Hartliebs Verhinderungsmission war, ist schwer zu
beurteilen, gerade aber in Hinblick auf Long- und Shortlist gab es
deutliche Kritik, dass nämlich erschreckend schwache Titel ausgewählt,
herausragende Werke wie die von Norbert Gstrein oder Steffen Kopetzky indes
ignoriert worden seien. Die Hamburger Zeit nannte die Shortlist einfach nur
„peinlich“.
## Unklare Ausrichtung
Die Diskussionen sind nicht neu, da Schlaumeier freilich immer Bücher
nennen können, die übergangen worden sind. Doch es geht mittlerweile um
einen grundsätzlichen Konflikt, der in der unklaren Ausrichtung des Preises
angelegt ist. Laut Statuten soll mit dem Buchpreis der deutschsprachige
„Roman des Jahres“ ausgezeichnet werden. Das ist so allgemein wie
inhaltsleer. Demnach braucht das prämierte Werk nicht unbedingt literarisch
zu überzeugen, sondern kann auch eines sein, über das viel diskutiert wird
oder das politisch etwas hergibt.
Erstaunlicherweise haben bisherige Jurys dem Buchpreis ein gewisses
Renommee verliehen, indem sie mit weitgehend klugen Entscheidungen gegen
den oft geäußerten Vorbehalt gearbeitet haben, der Preis sei vor allem
Marketing. [2][Der Börsenverein, der den Preis auslobt], scheint die
Auszeichnung sehr wohl in erster Linie für eine Werbemaßnahme zu halten:
„Ziel des Preises ist es, über Ländergrenzen hinaus Aufmerksamkeit zu
schaffen für deutschsprachige Autoren, das Lesen und das Leitmedium Buch.“
Insofern sind sowohl die aktuelle Diskussion über die mangelnde Qualität
der Auswahl als auch die Kritik an den kuriosen Erklärungen eines
Jury-Mitglieds zunächst im Sinn des Preisstifters.
Die Frage ist nur, ob die Aufmerksamkeit schwindet, wenn der Preis
irgendwann so wahrgenommen wird, wie die Buchhändlerin Hartlieb es sich
wünscht: „Der Roman, der hier gekürt werden wird und danach hoffentlich in
großen Mengen über den Ladentisch geht, soll für viele Leute lesbar sein
und sie vielleicht sogar dazu animieren, öfter zum Buch zu greifen.“
Das ist natürlich Unsinn, weil nicht einmal der Börsenverein von seiner
Jury verlangt, die Titel müssten leicht zu lesen und gut verkäuflich sein.
Dennoch distanziert sich der Preisstifter auch auf Nachfrage keineswegs von
solchen Äußerungen – wahrscheinlich um den Handel nicht zu verschrecken.
Wer auch immer den Deutschen Buchpreis heute erhält, die Auszeichnung hat
durch die vermeidbaren Debatten an Reputation verloren. So ist der
Buchpreis bis auf Weiteres nicht mehr als Literaturpreis einzuordnen.
13 Oct 2019
## LINKS
[1] /Shortlist-Deutscher-Buchpreis-2019/!5627200
[2] https://www.deutscher-buchpreis.de/
## AUTOREN
Carsten Otte
## TAGS
Literaturbetrieb
Deutscher Buchpreis
Buchhandel
Libertinage
Literatur
Lesestück Recherche und Reportage
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