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# taz.de -- Nach Messerattacke in Paris: Frankreich will Aufklärung
> Nach dem tödlichen Angriff werfen die Ermittlungen kein gutes Licht auf
> den Sicherheitsapparat der Polizei. Der Täter besaß sensible
> Informationen.
Bild: Trauer in Paris: Polizeibeamte knien vor den Särgen der vier Opfer des M…
PARIS taz | Zehn Tage nach einem Mordanschlag in der Polizeipräfektur von
Paris gibt es bei den Ermittlern kaum noch Zweifel daran, [1][dass der zum
Islam konvertierte Polizeibeamte Mickael H.,] der drei Kollegen und eine
Kollegin erstochen hat, aus terroristischen islamistischen Motiven
gehandelt haben soll.
Frankreich steht weiterhin unter dem Schock eines Verbrechens, das bisher
den Wenigsten vorstellbar erschienen wäre. Innerhalb der Polizei soll sich
vieles ändern. Und Präsident Emmanuel Macron möchte die Bevölkerung, die er
zur aktiven Wachsamkeit aufruft, in den Kampf gegen den Terrorismus
einbeziehen.
„Sieben Minuten haben gereicht, um das Leben eurer vier Angehörigen
auszulöschen“, sagte Macron am Dienstag im Hof des Invalidendoms. Der
46-jährige, zu 70 Prozent gehörlose Täter, der seit Jahren als Informatiker
im polizeilichen Nachrichtendienst beschäftigt war, wurde im Hof
erschossen, als er einen weiteren Polizisten angreifen wollte.
Die Tat entpuppte sich nach Durchsuchungen schnell als Attentat mit
terroristischen Absichten – und warf kein gutes Licht auf die
Sicherheitsregeln im Hauptquartier der Pariser Polizei.
## Vorzeichen wurden missachtet
Die Ansprache Macrons war in Wirklichkeit keine Trauerrede, sondern eine
Kampfansage an einen inneren Feind, den er „islamistische Hydra“ nannte –
das Monster der griechischen Mythologie, dessen Köpfe sogleich nachwachsen,
wenn sie abgeschlagen werden. Die Bevölkerung dürfte dieses Bild kaum
beruhigen.
Klar ist, dass Vorzeichen missachtet wurden. Die Kollegen des Täters haben
bezeugt, dass er nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ in seinem Büro laut
sagte, das sei der Redaktion des Satireblatts „recht geschehen“. Die
Kollegen hatten die Äußerung gemeldet, jedoch ohne Konsequenzen. Nun fragen
sich viele, warum H. durch alle „Maschen“ der Kontrollen für die
Staatssicherheit schlüpfen konnte.
Durch seine Arbeit hatte H. uneingeschränkten Zugang zu vertraulichen oder
gar streng geheimen Informationen des Nachrichtendienstes. Diese betreffen
unter anderem Polizisten, die in Moscheen mutmaßliche Hassprediger oder
Radikalisierte überwachen sollen. Es ist leicht vorstellbar, wie wertvoll
solche Hinweise für die bekämpften Sympathisanten des Dschihad wären.
Tausende solcher brisanten Daten, inklusive Namen und Adressen von
Polizisten, befanden sich auf einem USB-Stick von H.
Die Zeitung Le Figaro formulierte, was in Paris die meisten Leute dachten:
„Wie konnte sich ein islamistischer Terrorist im Staatsapparat, und zudem
ausgerechnet im Herzen einer Polizeiabteilung, die mit dem Kampf gegen
islamistische Aktivitäten beauftragt ist, verstecken und dann dieses
Massaker mitten in der Polizeipräfektur verüben?“
## Der Imam des Täters stand auf einer Gefährderliste
Marine Le Pen, die Chefin des rechtsextremen Rassemblement National, konnte
ihren Triumph angesichts des „Staatsskandals“ kaum verbergen. Obschon der
erschossene Täter ja ein Franzose aus Martinique war, sieht sie eine
„Verbindung zwischen der anarchischen Einwanderung und dem Aufkommen des
islamistischen Fundamentalismus in unserem Land.“ Das Bindeglied sind für
sie die ausländischen Imame in französischen Moscheen.
Der Imam der von H. besuchten Moschee in Gonesse war nämlich wegen früherer
Hasspredigten in einer anderen Moschee auf einer Gefährderliste als Risiko
für die Staatssicherheit registriert. Und er hatte einen – allerdings nicht
ausgeführten – Befehl erhalten, das französische Territorium zu verlassen.
Der betreffende Imam versichert dagegen gegenüber Medien, er sei mitnichten
ein radikaler Islamist, und mit H. habe er seines Wissens kein einziges
Wort ausgetauscht.
Bei einem von der Opposition beantragten Hearing räumte Innenminister
Christophe Castaner „Fehler“ ein und kündigte an, die für die interne
Sicherheit Zuständigen der Polizeipräfektur würden zur Verantwortung
gezogen. Der Minister hatte selber gleich nach dem Anschlag erklärt, der
Täter habe nie mit irgendwelchen Verhaltensstörungen einen Anlass zu
Verdacht gegeben. Die linken und rechten Fraktionen der Opposition geben
sich mit Castaners Auskünften nicht zufrieden, sie fordern seinen
Rücktritt.
12 Oct 2019
## LINKS
[1] /Messerangriff-in-der-Pariser-Polizei/!5628277
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Schwerpunkt Emmanuel Macron
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Terrorismus
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