# taz.de -- Frankfurter Buchmesse 2019: Schweinshaxe und Klimawandel | |
> Die Frankfurter Buchmesse nimmt Fahrt auf: Robert Habeck, Maja Lunde und | |
> die Extremismusforscherin Julia Ebener diskutieren. | |
Bild: Performance Übung mit Flüstertüte auf der Buchmesse 2019 | |
„Hast du irgendwas im Leben gelernt?“, leuchtet es von einer Leinwand in | |
Halle 3.1. Nicht immer pünktlich sein! Denn in Frankfurt füllen sich die | |
Hallen zum Auftakt der Buchmesse nur langsam. Manch Stand ist noch nicht | |
mal fertig aufgebaut. Das hat was, denn bis hier wirken alle entspannt. | |
Auf der großen Präsentationsfläche „Agora“ ist kaum jemand zu sehen. Es | |
nieselt, und für Essen aus dem Foodtruck ist es ohnehin zu früh. Nun zeigt | |
sich aber schon, was 2019 das große Thema ist: In einer tunnelförmigen | |
Konstruktion des WWF hängt Plastik von den Wänden, Fische sieht man keine | |
mehr. Wie in einem Gruselkabinett können Besucher*innen durch den | |
vermüllten Ozean waten. | |
Umweltverschmutzung, Klimawandel und Nachhaltigkeit gehören auf der | |
Buchmesse zu den Problemen, über die viel diskutiert wird. Die Nachfrage | |
ist riesig, betrachtet man das Angebot an Natur- und Tierbüchern, das | |
längst über den wissenschaftlichen Bereich hinausgeht. Da ist etwa die aus | |
dem Gastland Norwegen stammende [1][Schriftstellerin Maja Lunde,] die mit | |
ihrem Roman „Die Letzten ihrer Art“ bereits den dritten Teil einer | |
Klimasaga veröffentlicht hat. Das vorkommende Aussterben der Arten, ob der | |
Bienen oder seltener Pferderassen, ist Hauptbestandteil ihrer Werke. Zwar | |
seien ihre Geschichten fiktiv, träfen aber den „Zeitgeist“. | |
## Schweinezüchter in Frankreich | |
Auch im Gespräch zwischen dem Grünen-Bundesvorsitzenden Robert Habeck und | |
dem Autor Jean-Baptiste Del Amo geht es ums „Tierreich“ – wie auch der | |
neueste Roman des Franzosen heißt. Ein Buch, das sich mit einer Familie von | |
Schweinezüchtern im Frankreich des 20. Jahrhunderts beschäftigt, sei | |
eigentlich kein Stoff gewesen, der ihn interessiere, steigt Habeck, selbst | |
Autor, in das Gespräch ein. Dass es nun aber die literarische Entdeckung | |
des Jahres für ihn geworden sei, liege vor allem an der realistischen | |
Beschreibung des brutalen Mensch-Tier-Verhältnisses in der hoch | |
industrialisierten Welt. | |
Es funktioniere nur deshalb, weil wir nicht genau hinschauten. Genau hier | |
setze Del Amos Roman an. Wer sich eingehend mit den Haltungsbedingungen in | |
landwirtschaftlichen Betrieben auseinandersetze, könne das ethisch nicht | |
mehr vertreten. „Ich töte dich, weil du gut schmeckst“, damit ist bei | |
Robert Habeck endgültig Schluss. Eine Folgerung, mit der in Frankfurt nicht | |
alle konform gehen dürften, das verraten zumindest die Schweinshaxen, die | |
nicht nur bei österreichischen Verlagen gereicht werden. | |
## Bestseller aufspüren | |
Neben Analogem in traditioneller Papierform hält auch Digitales dieses | |
Jahr vermehrt Einzug ins Messegelände. Wie etwa in Halle 3, wo die Firma | |
QualiFiction ihre „smarte Software zur Vorhersage und Analytik von | |
Bucherfolgen“ vorstellt. LiSA genannt, soll das Programm mithilfe | |
künstlicher Intelligenz kommende Bestseller aufspüren. Ob diese künstlich | |
eruierten Werke dann auch speziell gekennzeichnet werden oder sich LiSA | |
namentlich im Impressum wiederfindet, bleibt allerdings noch abzuwarten. | |
Um Digitalisierung geht es auch bei Sascha Lobo. Der Spiegel-Kolumnist | |
stellt sein vor Kurzem erschienenes Buch „Realitätsschock“ vor, in dem er | |
unter anderem vor Überwachung und ihren gesellschaftlichen Folgen warnt. | |
Schon von Weitem ist Lobo auszumachen– immer wieder taucht in der | |
Besuchermasse seine prägnante rote Irokesenborste auf. Auf seinem Rücken | |
prangt der Erdball, an einer Stelle zerborsten und von einem QR-Code | |
verdeckt. „Scannen Sie diesen Mann?“, heißt es unter einem geposteten Foto | |
auf Instagram. | |
Über die wenig schöne Forenwelt spricht die Extremismus- und | |
Terrorismusforscherin Julia Ebner auf diversen Sofas. In | |
„Radikalisierungsmaschinen“ beschreibt sie, wie sie sich dank falscher | |
Identitäten Zugang zu extremistischen (Online-)Netzwerken verschaffte. | |
Darunter Hate-Speaker, Nazis, dschihadistische Demagogen und | |
Antifeministinnen, bei denen sie sich fast selbst radikalisiert hätte. | |
Ein Autor, an dem man die kommenden Tage nicht vorbeikommt, ist der | |
Gewinner des [2][Deutschen Buchpreises Saša Stanišić.] Neben Dauerfragen zu | |
seiner Kritik an Peter Handke sind es vor allem seine Erzählungen über die | |
„Eroberung der deutschen Wirklichkeit“, wie er sein Aufwachsen hier | |
beschreibt, denen man stundenlang lauschen möchte. | |
17 Oct 2019 | |
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## AUTOREN | |
Sophia Zessnik | |
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