# taz.de -- Tschechischer Sänger wurde 80: Gott ist tot | |
> Karel Gott war mehr als der Mann mit der „Biene Maja“, mehr als eine | |
> Schlagerschluse. Der Kitschier und Könner ist am Dienstagabend gestorben. | |
Bild: Karel Gott bei einem Auftritt 2011 | |
Es war immer leicht, Karel Gott als Schlagerschluse abzutun: Der Mann aus | |
der damaligen Tschechoslowakei besorgte sich hierzulande, als die Ära der | |
Partys im Gefolge der Achtundsechzigerzeit so richtig auf Touren kam, einen | |
vorzüglichen Ruf als Sänger. Als Sänger mit der „Goldenen Stimme“ aus Pr… | |
Als Mann, der offenbar den Deutschen nicht übelnahm, dass deren Vorfahren | |
Prag zum deutschen Protektorat machten und in Tschechien besonders | |
umsichtig umgingen, als es um Holocaust und die Ermordung der jüdischen | |
Bürger:innen des alten Habsburgerlandes ging. | |
Karel Gott indes machte es so wie seine Kumpanin [1][Dahlia Lavi], diese | |
Israelin in der Bundesrepublik der frühen siebziger Jahre, die immer sagte, | |
sie singe für die Jungen, nicht für die unbelehrbaren Alten. „Lady | |
Carneval“, „Einmal um die ganze Welt“ und zuvor, in den mittleren | |
Sechzigern, das Lied aus dem Film „Doktor Schiwago“, „Weißt du wohin“,… | |
dem er in süßlichsten Stimmlagen der Deutschen Russlandwehmut bediente – | |
ein Kitschier sondergleichen, ein Könner indes auch, der vor dem Erfolg in | |
der Bundesrepublik sein sängerisches Handwerk erlernte, ein Tenor, der ein | |
halbes Jahr ziemlich eindrücklich in Las Vegas konzertierte. | |
Gott, 1939 in Pilsen geboren, aber bekam die fetteste Prominenz, als er in | |
den Siebzigern mit fröhlichstem Timbre das Lied der [2][“Biene Maja“] sang | |
– niedlich, ein wenig keck und munter, diese Besungene, aber eben nicht | |
tranig, infantalisiert: Der Tscheche wusste auch diese Tonalität | |
anzuschlagen – die des souveränen Mitreißens, die Kunst des Schlagers, aus | |
wenigen Noten einen ewig erinnerlichen Gassenhauer zu bauen. Man musste | |
dies persönlich mit Können nobilitieren – und Karel Gott konnte eben, was | |
er konnte. | |
Sein Verhältnis zu den realsozialistischen Machtbabern in Prag blieb | |
gespalten. Ein Protestmann wider den Einmarsch der Truppen des | |
[3][Warschauer Pakts 1968] in die Tschechoslowakei war er nicht, er stellte | |
sich mit dem alten wie neuen Regime gut. Er wollte Sänger bleiben, | |
Entertainer, ein Mann, der dem Publikum gefällt, wenn er dem Publikum eben | |
sehr gefiel. | |
## Da und dort subversiv | |
Immerhin ließ er sich überreden, 1968 am Eurovision Song Contest für | |
Österreich anzutreten, mitten in der Reformzeit der ČSSR; sein von Udo | |
Jürgens komponiertes Lied „Tausend Fenster“, kommerziell ein Nullerfolg, | |
mochte da und dort als subversives Statement wider die geschlossenen | |
Fenster seines Heimatlandes gedeutet werden. Aber das war immer mehr | |
Deutungswille als im wirklichen Leben verankert: Karel Gott, menschlich ein | |
überaus lebenslustiger, sympathischer und kollegialer, definitiv unzickiger | |
Mann, war kein Widerstandsheld, in keinerlei Hinsicht. | |
Übel nahm man ihm doch, dass er für das ČSSR-Regime nach dem [4][Prager | |
Frühling] eine Resolution gegen die dissidenten Frauen und Männer der | |
„Charta 77“ mitunterzeichnete – ein Statement für Ruhe im Land, eine | |
Devotion dem stalinistisch anmutenden Regime gegenüber. So recht hat auch | |
nach dem Fall der Eisernen Vorhänge Karel Gott nie erklärt, warum er dies | |
tat – aber er dementierte zumindest nicht, dass er mit seiner Verbeugung | |
vor dem alle freie Meinungsäußerung unterdrückenden System auch nur tat, | |
was der tschechoslowakische Mainstream jedenfalls nicht missbilligte. | |
Im Frühling 2006 konnte die taz ihn für ein überaus freundliches Porträt | |
über die Fußballmannschaft seines Landes bei der WM in Deutschland | |
gewinnen: Er hatte auch für linke Publizistik kein verschlossenes oder gar | |
desinteressiertes Herz. Seit Jahren litt er an körperlichen Beschwerden, | |
vor wenigen Jahre hatte er einem Krebs in seinem Körper noch Einhalt | |
gebieten können, die Leukämie, an der er seit Monaten litt, wusste er nicht | |
mehr zu besiegen. In der Nacht auf Mittwoch ist er in Prag im Alter von 80 | |
Jahren gestorben. | |
2 Oct 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Israelische-Ausnahmesaengerin/!5407232 | |
[2] /Neue-Folgen-der-Biene-Maja/!5070426 | |
[3] /Schwerpunkt-1968/!t5493520/ | |
[4] /50-Jahre-Prager-Fruehling/!5563401 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
## TAGS | |
Schlager | |
Tschechien | |
Eurovision | |
Prager Frühling | |
Sänger | |
Schlager | |
Prager Frühling | |
Schwerpunkt 1968 | |
Musik | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Trauerfeier für Karel Gott: „Kein Leben ohne Karel Gott“ | |
Er war der große Sänger Tschechiens, ein Star und Begleiter. Am Freitag | |
verabschiedeten sich seine Fans in Prag von Karel Gott. | |
50 Jahre Prager Frühling: Die menschliche Fackel | |
Vor 50 Jahren zündete sich Jan Palach auf dem Wenzelsplatz an. Heute haben | |
in der tschechischen Hauptstadt die Wendehälse das Sagen. | |
Prager Frühling vor 50 Jahren: Wunden, die nicht verheilen wollen | |
Viele jungen Tschechen wissen nicht, was sich hinter dem „Prager Frühling“ | |
verbirgt. An der Staatsspitze tummeln sich indes Mitläufer von damals. | |
Israelische Ausnahmesängerin: Daliah Lavi ist tot | |
Sie war eine der erfolgreichsten Popsängerinnen der Siebziger – und hatte | |
keine Angst vor den nazikontaminierten Deutschen. |