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# taz.de -- Die Wahrheit: Wikinger am wilden Wickel
> Der Wahrheit-Unterbringwettbewerb 2019: Die diesjährigen Sieger des
> Jieper-Preises stehen fest und dürfen feiern.
Bild: Beim Wahrheitklubtreffen geht es stets hoch her
Als ob nicht in diesen bitteren Zeiten genug genörgelt wird, fangen wir
jetzt auch noch an zu nölen. Aber das hat auch seinen Grund: Da richtet man
seit 20 Jahren den legendären Wahrheit-Unterbringwettbewerb aus; da vergibt
man den allerwichtigsten Preis jeder Frankfurter Buchmesse; da lässt man
den Siegern den mystischen Jieper-Preis zukommen, also die „große Ente“,
diese wundervolle Flasche edlen Brandy der Marke Gran Duque d’Alba – und
dann das! In diesem Jahr ist die Resonanz so schlecht wie nie zuvor.
Nur schlappe sechs Einreichungen für den traditionellen
Unterbringwettbewerb der Wahrheit gab es. Ja, sollen wir jetzt auch schon
so anfangen wie die ewig Frühvergreisten? Und behaupten, dass früher alles
besser war? Als noch die FAZ und die Zeit und die Micky Maus sich darum
prügelten, den Nonsenssatz in ihren Publikationen unterzubringen und die
sagenumwobene Auszeichnung einzuheimsen. Als das Verlagsimperium
Monsenstein & Vannerdat anno 2013 noch eigens eine Bibel druckte, um die
Sentenz dem ersten Buch Mose anzufügen: „Von Rio bis zum Orinoco tanzt den
Samba jede Gamba.“ Als noch jedes Kind landauf, landab den Spruch im ersten
Unterbringwettbewerb des Jahres 2000 vor sich hinträllerte: „Wer Jieper
hat, muss schmackofatzen.“
Oder war der Satz zum diesjährigen Gastland der Frankfurter Buchmesse so
schlecht geklöppelt? Zu manieriert? Zu kompliziert? „Wenn Wikinger wild
Windeln wickeln, wittern Norweger würzigen Wind.“ Die norwegische Botschaft
in Berlin hatte die Vorlage jedenfalls verstanden und versandte auf Twitter
und Facebook eine Botschaft weit hinaus in die Welt: „Norwegens
Gastlandrolle auf der Frankfurter Buchmesse liefert Anlass für allerlei
Schabernack! Für uns auch ein Aufruf, um über die einfache Verbreitung von
Fakenews nachzudenken. Wir sind gespannt.“
## Ist Norwegen zu dunkel?
Oder ist Norwegen einfach zu depressiv? Zu nordisch dunkel? Will deshalb
niemand einen wilden Wikinger-Satz unterbringen? Aber ein paar unentwegte
Mitstreiter hat es tatsächlich gegeben: So brachte der Verlag des
Comic-Magazins Wickie den Satz in der Ankündigung für die neueste Ausgabe
unter und behauptete, dass es sich um eine „über viele hundert Jahre hinweg
bis heute bestehende Faustregel“ handle, die „auch für Nicht-Skandinavier
zu verstehen“ sei.
Es gab das Leipziger Radio Mephisto, das sich in seinem Vormittagsmagazin
„Faustschlag“ mithilfe des Wikinger-Satzes über die CDU lustig machte, die
einen völlig unsinnigen Tweet über E-Mobilität abgesetzt hatte, dem zufolge
Deutschland angeblich Norwegen bei den E-Autos überholt habe.
Mehr hintenrum ging das Sign Magazine, das „Fachmagazin für den Erotik- und
Adult-Entertainment-Handel“, an die Windel-Sache heran und baute den
würzigen Satz in eine Rezension zum Machwerk „Rimming Riot 2“ ein, bei dem
es um allerlei nicht gerade appetitliche Leckereien ging.
Süß wie immer hingegen waren die Amateure aus dem Fürther „Süßkramladen�…
die auf Facebook eine wilde Serienbeschreibung zu dem „Geheimtipp ‚Bad
Boris vs Reason‘ “ lieferten, aber immer noch nicht verstanden haben, dass
die der Korruption durchaus zugeneigte Wahrheit mit Süßkram bestochen
werden sollte. So wird das nie was mit dem Preis!
Auch unsere Freunde von der christlichen Seite fühlten sich wieder magisch
angezogen vom Wettbewerb, und so erklärte der Kommentator Philipp
Greifenstein in seinem „Zeitzeichen“, dass „digitale Gottesdienste“ mit…
Wikinger-Satz zusammenhängen: „Nicht diejenigen tragen Verantwortung für
den Gestank, die versuchen, seine Quelle zu beseitigen.“ Eine eher
fadenscheinige Erklärung.
## Höhe- und Schlusspunkt
Was also tun nach solch einer mageren Ausbeute? Eigentlich gibt es nur eine
Antwort: Wir verleihen uns den Preis selbst. Nach 20 Jahren. Als Höhe- und
Schlusspunkt. Wir beenden offiziell den Unterbringwettbewerb und ziehen uns
mit der feinen Flasche Brandy zurück ins stille Kämmerchen, um ein wenig
leise zu weinen. Aber halt! Ist die Wahrheit so wehleidig? Niemals! Lieber
vergeben wir den Preis doch noch – und zwar: an ein Team aus dem tiefsten
Süden. Eine treue Truppe, die seit Jahren jedes Mal teilnimmt und allein
deshalb wie keine andere den Jieper-Preis verdient hat.
Die großen Sieger sind die Macher des Regental-Anzeigers. Ihnen gebührt
alle Ehre. Denn in einem staubtrockenen Artikel zur „Zukunft der regionalen
Wirtschaftsförderung“ den Nonsens-Satz mit den wickelnden Wikinger
unterzubringen, ist schon eine Leistung. Außerdem reimt sich der
titelgebende Fluss Regen auf Norwegen. Herzlichen Glückwunsch.
Überreicht wird die „große Ente“ am Samstag, dem 19. Oktober 2019, um 14
Uhr beim Wahrheitklubtreffen auf der Frankfurter Buchmesse am taz-Stand
(Halle 4.1 | D28). Dann bis zum nächsten Jahr, wenn es wieder heißt:
„Jieper! Jieper!“
11 Oct 2019
## AUTOREN
Michael Ringel
## TAGS
Wahrheitklub
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Schwerpunkt Frankfurter Buchmesse
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