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# taz.de -- Die Wahrheit: Up, Upperclass, and away …
> Eine Revolution des Tourismus: „Downton Abbey“-Erfinder Julian Alexander
> Kitchener-Fellowes kauft das insolvente Reiseunternehmen Thomas Cook.
Bild: Endlich möglich: Gehoben reisen wie in „Downton Abbey“
Serviert wird der frisch gebrühte, golden glänzende Tee in zarten
Porzellantässchen, während ein Streicherquartett leise Weisen von
Salonmusik durch die Sitzreihen perlen lässt. Die Stewardess lächelt sanft
beim Einschenken, und ihr blütenweißes Häubchen scheint vor Stolz zu
zittern über die neue Zeit, die im Fremdenverkehrswesen angebrochen ist.
Hier ist die Welt noch in Ordnung, kraftvoll und freudig, wohlsortiert und
reich an faszinierenden Eindrücken. Klimawandel, Energiekrise, Flugscham
sind Fremdwörter, die hundert Jahre entfernt sind.
Nichts anderes als eine Revolution ist ausgebrochen. Ausgerechnet im
Massengeschäft des Tourismus. Eine Revolution von oben. „Ich bin nicht
Lenin, ich hätte den Zaren am Leben gelassen“, lacht Baron Julian Alexander
Kitchener-Fellowes auf einer Pressekonferenz an diesem sonnigen Dienstag in
London. Der in Kairo geborene britische Adlige war Schauspieler und
Schriftsteller, sitzt für die Konservative Partei im House of Lords, vor
allem aber ist er der Erfinder einer der erfolgreichsten Fernsehserien der
Welt: „Downton Abbey“.
Sein erst vor Kurzem in den Kinos angelaufener Folgefilm sprengt derzeit
alle Einnahmerekorde und hat ihn endgültig zu einem der reichsten Briten
gemacht. Der mit einer Hofdame Ihrer Königlichen Hoheit Marie Princess of
Kent verheiratete Baron kann es sich leisten, einen Wirtschaftscoup
einzufädeln, der seinesgleichen sucht. Nach der Pleite von Thomas Cook am
Montag hat Kitchener-Fellowes die Restbestände des Reiseunternehmens
übernommen und will mit der neu gegründeten Fluglinie „Downton Airline“ d…
Tourismus „in neue Sphären führen“.
„Klasse soll wieder Klasse bedeuten“, betet Kitchener-Fellowes sein Credo
herunter, „und das braucht zwei Klassen: Upper- and underclass. Nur
zusammen können wir Großbritannien aus dem Schlamassel herausholen.“ Mit
„zusammen“ meint der Baron eine neue alte Trennung. Alle bisherigen
Thomas-Cook-Flugzeuge werden zweistöckig ausgebaut. Statt wie üblich
Business Class und Economy Class anzubieten, gibt es eine horizontale
Teilung in Upper- und Underclass. Eine obere Etage upstairs für das
gehobene Publikum, die untere downstairs für gewöhnliche Reisende.
## Uniformen im Stil des Empire
Das Innere der Flugzeuge orientiert sich an der edlen Ausstattung der
Fernsehserie. Die Flugbegleiter tragen Uniformen im Stil des Empire, Hauben
und Schürzen, weiße Handschuhe. Als Zielorte werden nicht mehr Mallorca
oder Kreta angeflogen, sondern ausschließlich britische Destinationen wie
die traditionsreichen Seebäder Brighton und Worthing oder die guten, alten
Kolonialorte in Indien und Afrika. Rhodesien soll eine der
„Top-Destinations“ werden, wie Kitchener-Fellowes erklärt.
Nostalgie allerorten. Zum neuen Unternehmen gehört eine Kette von
Antiquitätenläden, die das Merry Old England hautnah spüren lässt, in Tea
Rooms kann man den Afternoon Tea ungestört genießen. Eine Dauerschleife mit
sämtlichen Folgen der Serie versorgt die Fluggäste mit dem hier einzig
möglichen Bordprogramm.
Boris Johnson gibt sich trotz aller schlechten Nachrichten zuletzt für ihn
begeistert: „So geht Brexit – das Alte ausmerzen, und das Neue erblüht. Das
ist eine urbritische Tugend … und keine Weltverschwörung“, kann er sich
einen Seitenhieb auf den antisemitischen Einflüsterungen zugeneigten
Oppositionsführer Jeremy Corbyn nicht verkneifen. Von den Entwicklungen
offenbar überrascht, hat sich der Labour-Chef bislang nur ein schmales
Statement abringen können: Die Gründung der Downton Airline habe „gute und
schlechte Seiten“. Die logischen Fragen, ob denn alles Personal und
Equipment übernommen werde und ob sich nicht hier Baron Kitchener-Fellowes
auf Kosten des Steuerzahlers an einem maroden Unternehmen bereichert,
stellt er nicht.
Erstaunlich nachdenklich wirkt Premier Johnson allerdings nach der
Pressekonferenz bei der Vorstellung des ersten Downton-Airline-Flugzeugs in
einem opulent geschmückten Hangar des Flughafens Heathrow. Während den
geladenen Gästen ein dunkelfruchtiger Vintage Port des Jahrgangs 1912 von
Taylor’s gereicht wird, hält Hugh Bonneville, der Hauptdarsteller von
„Downton Abbey“, eine Blut-, Schweiß und Tränenrede. Vom Lampenfieber
offenbar überwältigt, verhaspelt sich Bonneville jedoch einige Male und
lässt die churchilleske Suada in den kryptischen Satz gipfeln: „Es soll
alles wieder so werden, wie es früher nicht war.“
Vielleicht sinniert Boris Johnson auch darüber, was das Urteil des Supreme
Courts, der die Parlamentspause kurz zuvor für unzulässig erklärt hatte,
für ihn persönlich bedeutet. Darf ihn das Volk nun wie einst Guy Fawkes vom
britischen Polithof jagen? Dann könnte er die Downton-Airline-Maschine zur
Flucht nutzen. Eine Reise nach Indien hat er sich längst mehr als verdient.
Remember, remember, the days of september.
25 Sep 2019
## AUTOREN
Michael Ringel
## TAGS
Downton Abbey
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Matthias Horx
Inserat
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