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# taz.de -- Gekaperter Lkw in Limburg: Am Ende bleiben Fragezeichen
> Im hessischen Limburg fährt ein Syrer mit einem gekaperten Lkw in mehrere
> Autos und verletzt acht Personen. Das Motiv bleibt unklar.
Bild: Ein Lastwagen ist in Limburg auf mehrere stehende Fahrzeuge aufgefahren​
Berlin/Frankfurt taz | Auch einen Tag nach [1][dem Vorfall], als der Tatort
schon wieder bereinigt ist, bleiben die Fragezeichen. Von einem „Schock in
der Bevölkerung“, berichtet Limburgs SPD-Bürgermeister Marius Hahn der taz.
„Auch Wut.“ Und Hessens Innenminister Peter Beuth, CDU, warnt vor
vorschnellen Urteilen, spricht von einem „unklaren Motiv“. Er wünsche den
Verletzten eine rasche Genesung.
Am frühen Montagabend, gegen 17.18 Uhr, war ein 32-Jähriger im hessischen
Limburg mit einem gekaperten Lkw vor dem örtlichen Amtsgericht in mehrere
Autos gefahren, hatte dabei acht Personen und sich selbst verletzt. Noch am
Tatort wurde er festgenommen.
Und sofort waren die Spekulationen da. War es ein Terroranschlag, wie
damals bei [2][Anis Amri in Berlin]? Oder war es die Tat eines psychisch
Kranken?
Die ganze Nacht hindurch und auch noch am Dienstag blieb die Lage unklar.
Erst am Mittag bestätigte die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main, dass es
sich bei dem Tatverdächtigen um einen Syrer handelt. Er soll den
ursprünglichen Fahrer des Lkw „gewaltsam“, aber ohne Waffe aus der
Fahrerkabine gezogen haben. Daraufhin sei er mit dem Fahrzeug wenige Meter
gefahren und habe im Bereich einer Kreuzung „ungebremst“ sieben Pkws und
einen Kleintransporter gerammt. Festgenommen worden sei der Verdächtige von
Bundespolizisten, die zufällig in der Nähe waren. Die acht Verletzten
konnten laut Polizei noch in der Nacht das Krankenhaus verlassen.
## Motiv bleibt offen
Das Motiv aber ließ auch die Staatsanwaltschaft offen. Die Ermittlungen zu
den Hintergründen dauerten an, teilte Sprecher Alexander Badle mit. „Es
wird in alle Richtungen ermittelt.“
Die [3][Frankfurter Neue Presse zitierte] derweil den ursprünglichen
Lastwagenfahrer. An einer Ampel habe der Tatverdächtige plötzlich seine Tür
geöffnet. „Was willst du von mir?“, habe er ihn gefragt, berichtete der
Lkw-Fahrer. Aber der Mann habe ihn nur wortlos hinausgezogen. Dann sei er
mit dem Lkw in die Autos gefahren. Die Zeitung zitiert auch Augenzeugen,
wonach der 32-Jährige nach dem Vorfall ausgestiegen und sich an einen Baum
gesetzt habe. Er soll den Begriff „Allah“ verwendet und benommen gewirkt
haben.
Medien berichteten zudem, der Mann lebe seit 2015 in Deutschland, er habe
als syrischer Geflüchteter einen subsidiären Schutzstatus besessen, der
aber Anfang Oktober ausgelaufen sei. Zudem sei er polizeibekannt: wegen
einer Schlägerei mit Verwandten, Drogenbesitzes und Ladendiebstahl – nicht
aber wegen politischer Delikte.
Oberstaatsanwalt Badle wollte all das nicht bestätigen. Er halte sich an
gesicherte Fakten, sagte er der taz. Nur so viel: Erkenntnisse zu
politischen Aktivitäten des Verdächtigen lägen bisher nicht vor. Das
bestätigte auch Innenminister Beuth: Verbindungen des Syrers in die
gewaltbereite islamistische Szene seien den Behörden bisher nicht bekannt.
## Zwei Wohnungen durchsucht
Tatsächlich zog auch die Bundesanwaltschaft, zuständig für besonders
schwere Staatsschutzdelikte, den Fall bisher nicht an sich. Man sehe
vorerst keine Zuständigkeit, behalte die Ermittlungen aber im Blick, hieß
es dort.
Noch in der Nacht wurden indes zwei Wohnungen durchsucht. Eine in Langen
bei Frankfurt am Main, die der Tatverdächtige bewohnt haben soll. Und eine
im Landkreis Limburg-Weilburg, von einem Cousin, der sich mit dem Syrer am
Montag getroffen hatte und auch kurz nach der Vorfall am Tatort aufgetaucht
sein soll. Indizien mit islamistischen Bezug seien dabei nicht gefunden
worden, hieß es. Sichergestellt wurden aber Handys und USB-Sticks, deren
Auswertung noch lief.
In den sozialen Medien und bei der AfD hatte man sich da, trotz der
unklaren Lage, bereits festgelegt. „Durch offene Grenzen kommen Terroristen
in unser Land“, twitterte der AfD-Innenpolitiker Martin Hess.
Fraktionschefin Alice Weidel fragte: „Wie viele solcher Zeitbomben gibt es
noch in Deutschland?“
Oberstaatsanwalt Badle stieß das bitter auf. Die Ermittlungsarbeit sei
komplex und dauere an. Nun Emotionen zu schüren, helfe niemanden. Auch die
Polizei twitterte: „Trolle und Spekulationen braucht niemand.“
## Erinnerungen an Breitscheidplatz
Der Vorfall weckte indes Erinnerungen an den Anschlag des Islamisten Anis
Amri im Dezember 2016 in Berlin. Der Tunesier war mit einem Lkw in den
Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz gefahren und hatte elf Menschen
getötet und mehr als 70 verletzt. Er hatte sich in einem Video als Anhänger
des IS bekannt und wurde später auf der Flucht von Polizisten erschossen.
Der Fall in Limburg scheint nicht so eindeutig zu sein – so wie andere
Fälle in jüngerer Zeit. So zündete im Oktober 2018 ein 55-jähriger Syrer im
Kölner Hauptbahnhof einen Brandsatz und nahm eine Frau als Geisel. Dabei
bekannte er sich zum IS. Die Bundesanwaltschaft übernahm den Fall zunächst
– gab diesen aber später wieder ab. Ein „radikal-islamistisches Motiv“ h…
sich nicht bestätigt, hieß es damals. Dem Mann wurde vielmehr eine
psychische Erkrankung attestiert.
Im April 2018 hatte wiederum ein Mann in Münster mit einem Pkw vier
Menschen getötet, mehr als 20 teilweise lebensgefährlich verletzt und sich
dann selbst erschossen. Ein Terrormotiv gab es auch hier nicht: Der Mann
galt als psychisch labil, die Tat letztlich als erweiterter Suizid.
Auch im Fall Limburg bleiben vorerst die Fragezeichen. „Es fällt mir noch
schwer, die Dinge einzuordnen“, erklärte Bürgermeister Hahn. „Unheimlich
wichtig“ aber sei es, dass die zufällig vor Ort befindlichen Polizisten,
offenbar Auszubildende der Polizeiakademie aus dem nahen Diez, den
Tatverdächtigen festgehalten hätten.
Auch das Logistikunternehmen des überfallenen Lkw-Fahrers äußerte sich
betroffen. „Unserem Lkw-Fahrer geht es den Umständen entsprechend“, sagte
eine Sprecherin. „Unsere Gedanken gelten ihm sowie den Geschädigten.“
Hessens Innenminister Beuth blieb ebenso vorsichtig: „Auch wenn der
Tathergang an die schrecklichen Anschläge von Nizza oder Berlin erinnert,
ist das Motiv des festgenommenen Mannes nach wie vor unklar.“
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte ebenfalls nur: „Nach allem,
was wir derzeit wissen, müssen wir wohl davon ausgehen, dass der
Tatverdächtige dies vorsätzlich getan hat.“
Der Syrer soll bei der Aufklärung bisher keine Hilfe sein: Er soll zu dem
Vorfall schweigen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vorerst ein versuchtes
Tötungsdelikt vor, schwere Körperverletzung und einen gefährlichen Eingriff
in den Straßenverkehr. Noch am Dienstag sollte er dem Ermittlungsrichter
vorgeführt werden.
8 Oct 2019
## LINKS
[1] /Polizeieinsatz-in-Limburg/!5632179
[2] /Ein-Jahr-nach-Breitscheidplatz-Anschlag/!5471081
[3] https://www.fnp.de/lokales/limburg-weilburg/limburg-terroranschlag-rammt-au…
## AUTOREN
Konrad Litschko
Christoph Schmidt-Lunau
## TAGS
Limburg
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Schwerpunkt Anschlag auf Berliner Weihnachtsmarkt
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