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# taz.de -- Geburtstag des Moulin Rouge in Paris: Alles Liebe
> Am Sonntag feierte das Cabaret Moulin Rouge seinen 130. Geburtstag. Noch
> immer geht es dort munter, wenn auch inzwischen traditionsvergessen zu.
Bild: Die Geburtstagfeier am 6. Oktober vor dem Moulin Rouge, das es seit nun s…
Am vergangenen Sonntagabend wurde das Moulin Rouge, das berühmte Pariser
Cabaret, von dem einst sehr viele, heute aber wahrscheinlich nur noch ein
paar nostalgische Amerikaner träumen, hundertdreißig Jahre alt. Und wie
sich das bei hundertdreißig Jahren Beinschwingen, Singen, Tanzen, Po- und
Brüste-Zeigen gehört, wurde dieses Datum gefeiert: mit noch mehr
Beinschwingen, Singen, Tanzen, Po- und Brüste-Zeigen.
Gemeinsam mit einer Freundin beschlossen wir, uns das Spektakel aus der
Nähe anzusehen. Wer sitzt heute wohl auf den Plätzen von Toulouse-Lautrec
und Co? Wer steht statt der legendären Mistinguette auf der Bühne? Wir
wollten ein bisschen über den Anachronismus der Veranstaltung lachen und
vielleicht, wer weiß, auch ein wenig bezaubert sein von dem Glitzer, dem
Glamour, dem Champagner und den Federn, die man in diesem Ort vermutet.
Als Kind war ich von dieser Welt begeistert. Während man in Deutschland an
Silvester jedes Jahr „Dinner for One“ zeigt, sah man in Frankreich, um die
Stunden bis Mitternacht totzuschlagen, eine Live-Übertragung der
Silvester-Revuen des Lido oder des Crazy Horse. Ich saß jedes Mal gebannt
vor dem Fernseher, fasziniert von diesen Frauen, die auf mich schön und
frei und irgendwie mächtig wirkten in ihrer stolzen Nacktheit, mit ihrem
offensichtlichen Spaß an der Sache, ihrer Eleganz.
## Der Wunsch Lido-Tänzerin zu werden
Einmal äußerte ich sogar den Wunsch, Lido-Tänzerin zu werden, woraufhin
meine Großmutter, die es offenbar normal fand, dass ein kleines Mädchen
nackte Frauen im Fernsehen bestaunt, aber nicht, dass sie eine von ihnen
sein will, entsetzt aufschrie und diese potenzielle Karriere vorzeitig
beendete.
Wie auch immer. Wir, oder besser gesagt ich, erwartete einen Funken dieses
alten Zaubers. Nur ist der, so schien es zumindest am Sonntag, mit der
Naivität der Kinderaugen verloren gegangen. Es begann um 20 Uhr, jener
Zeit, [1][zu der das Moulin Rouge 1889] zum allerersten Mal seine Türen
öffnete, zunächst für alle Pariser: auf der Straße.
Die Fassade und die kleine rote Mühle auf dem Dach des Hauses waren hell
erleuchtet, eine riesige Menschentraube umzingelte den Eingang, als
plötzlich Dutzende Tänzerinnen kreischend nach draußen hüpften und mit
ihren blau-weiß-roten Röcken zu wedeln begannen. Es folgte ein etwas
holpriger French Cancan, die Masse jubelte, die Tänzerinnen quietschten,
über dem Moulin Rouge knallte ein Feuerwerk in den Himmel, bis dahin war
alles amüsant und schön.
## Mehr Zirkus als irgendwie erotisch geartete Veranstaltung
Im Inneren saßen dann die Amerikaner um kleine Tische mit roten Leuchten
und tranken vorweg viel Champagner. Unsere Tischnachbarin erzählte ganz
aufgeregt, es sei ihr Kindertraum, hierher zu kommen, als der rot
glitzernde Vorhang hochging und die eigentliche Show begann. Die hat mehr
von einem Zirkus als von einer irgendwie erotisch gearteten Veranstaltung.
Man kann getrost mit seinen Kindern kommen, denn wirklich nackt ist hier
sowieso so gut wie niemand. Die Frauen sind so androgyn, dass man manchmal
nicht sicher ist, ob es wirklich welche sind, von den Männern sieht man
genau ein einziges Mal eine Brust. Es treten Clowns auf, ein Jongleur, eine
Akrobatin im Stil des Cirque du Soleil und ein Paar auf Rollschuhen.
Einmal springt eine Frau in ein Becken voller Schlangen, nur interessieren
sich die kein bisschen für diesen komischen Gast, weshalb sie sich die
armen Tiere selbst um den Körper wickeln muss. Das Ganze, das einem
Disney-Film gleicht, wird aber immer wieder mit „Danse, danse! Paris
danse!“ befeuert.
## Ein bisschen mehr Tradition könnte es schon sein
Nur ganz am Ende kommt ein Part, der noch am ehesten an die alte
Revue-Tradition des Hauses anknüpft: mit viel rosafarbenem Plüsch, einem
riesigen Tänzerinnen-Ensemble und schummrigem Licht. Altmodisch, verstaubt
oder von gestern, also so, wie man es bei einer hundertdreißigjährigen Dame
erwarten könnte, ist hier nichts. Bei all dem Pochen auf die Tradition,
Paris, die Nostalgie, dürfte es das ruhig ein bisschen mehr sein. Trotzdem:
Alles liebe zum Geburtstag, liebes Moulin Rouge.
7 Oct 2019
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## AUTOREN
Annabelle Hirsch
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