| # taz.de -- Frankreichs Ex-Präsident als Bestseller: Fürchtet euch nicht | |
| > Macht scheint vor allem eins: anziehend. Zumindest wenn man nach der | |
| > Strandlektüre in Frankreich geht. Da ist Nicolas Sarkozy ein klarer | |
| > Favorit. | |
| Bild: Bücher kamen später: Nicolas Sarkozy und der gerade gewählte Präsiden… | |
| Wer sich in diesen Tagen an einem französischen Strand aufhält und beim | |
| Durch-den-Sand-Schlendern einmal darauf achtet, was die Menschen so in den | |
| Händen halten, also zumindest jene, die lesen und nicht gerade versuchen, | |
| ihre braun gebrannten Beine zu fotografieren, dem wird ein Buch besonders | |
| häufig auffallen: Es ist groß, dick, blass lila bis hellgrau, am unteren | |
| Teil sieht man einen etwas älteren Mann im weißen Hemd vor einem frisch | |
| grünen Busch lächeln, über ihm steht in Weinrot [1][„Passions“]. Der Mann | |
| auf dem Bild ist Nicolas Sarkozy, der Ex-Ex-Präsident Frankreichs; sein | |
| Buch, eine Art politische Autobiografie, ist der Bestseller des Sommers. | |
| 220.000 Stück will der Verlag innerhalb eines knappen Monats verkauft | |
| haben, vor ein paar Tagen gingen 40.000 neue Exemplare in den Druck. Und | |
| man muss sich da am Strand fragen: Was ist das bloß mit den Franzosen und | |
| ihren Ex-Präsidenten, die sie leidenschaftlich hassen, solange sie im Amt | |
| sind, und spätestens zwei Legislaturperioden später vermissen. Aber vor | |
| allem fragt man sich, frage zumindest ich mich: Warum wollen die Leute | |
| diese Bücher lesen? | |
| Denn „Sarko“ ist ja bei Weitem keine Ausnahme. Man könnte sogar eine | |
| Faustregel aufstellen: Ein Verlag, der dem Untergang nahe ist, muss nur | |
| einen Ex-Präsidenten finden, der seine Erinnerungen aufschreiben will, | |
| und schon steht der Bestseller im Programm. | |
| ## Wenn er doch geschwiegen hätte | |
| Im vergangenen Jahr hatte zum Beispiel das Haus Stock (auch ohne den | |
| nahenden Untergang) zu diesem Trick gegriffen. Sie animierten François | |
| Hollande dazu, seine „Leçons du pouvoir“, also die „Lehren der Macht“,… | |
| schreiben, statt erst einmal ein paar Jahre zu schweigen, wie es sich nach | |
| einer so desaströsen Präsidentschaft gehört hätte. Das Memoir verkaufte | |
| sich um die 150.000 Mal, Hollande tourte durch ganz Frankreich, sogar durch | |
| die Supermärkte der Provinz, und erzählte allen, die es hören wollten, wie | |
| falsch sein Nachfolger dieses Land doch regiere und wie haushoch er gegen | |
| ihn gewonnen hätte, hätte er es wirklich gewollt. Nun ja. | |
| Vor ihm ging Nicolas Sarkozys erster Anlauf, „La France pour la vie“, im | |
| Jahr 2016 250.000 Mal über die Ladentheke, Jacques Chirac verkaufte von | |
| „Chaque pas doit être un but“ 370.000 Stück und Valérie Giscard d’Esta… | |
| bekanntlich der literarischste unter den Präsidenten, schrieb gleich drei | |
| Bände „Pouvoir et la Vie“, die insgesamt 900.000 Käufer fanden. | |
| Und auf Platz eins steht, nein, nicht Mitterrand, sondern Charles de | |
| Gaulle: Als er 1970, ein Jahr nach seinem Abgang, den ersten Teil seiner | |
| Memoiren veröffentlichte, standen die Franzosen angeblich schon früh am | |
| Morgen vor den Buchhandlungen Schlange. Bis heute werden jährlich 2.000 | |
| Exemplare verkauft. | |
| ## Großvater der Nation | |
| Bei de Gaulle wundert einen das natürlich kein Stück, die Memoiren von | |
| Churchill liest man ja auch gerne. Bei den anderen, besonders den beiden | |
| Letzten, allerdings doch ein bisschen mehr. Es ist, als sei Nicolas Sarkozy | |
| plötzlich zu einer Art politischem Großvater der Nation geworden, zu einem | |
| französischen Helmut Schmidt. Weil die anderen noch lebenden Präsidenten | |
| entweder sehr alt und nicht besonders fit sind (Chirac und Giscard) oder | |
| vollkommen unglaubwürdig und immer neben der Spur wirken (Hollande), bleibt | |
| quasi nur noch Sarkozy. | |
| Man wendet sich ihm mit hoffnungsvollen Augen zu, fragt: Wo, Monsieur le | |
| Président (so werden auch die Ex-Präsidenten bis an ihr Lebensende | |
| genannt), geht es hin mit Frankreich? Was, Monsieur le Président, sollen | |
| wir tun? Und Nicolas Sarkozy sagt mit seiner ganz neuen Ruhe: Meine lieben | |
| Franzosen, fürchtet euch nicht, kauft einfach mein Buch. | |
| 13 Aug 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Annabelle Hirsch | |
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