| # taz.de -- Wassermangel in Brandenburg: Es war einmal ein See | |
| > Das Wasser schwindet, die Boote liegen auf dem Trockenen. Und am Ufer des | |
| > Seddiner Sees befindet sich einer der größten deutschen Golfclubs. | |
| > Zufall? | |
| Bild: Gestrandet: Boot am Kähnsdorfer Ufer des Seddiner Sees | |
| Weiße Muschelschalen leuchten in der Sonne auf dem Strand des Seddiner | |
| Sees. Wer sie sammeln will, sollte unempfindliches Schuhwerk tragen, denn | |
| der Untergrund ist weich und klebrig. Genau genommen ist es auch kein | |
| Strand, sondern Seeboden. Um bis zu hundert Meter hat sich das an den Ufern | |
| sehr flache Gewässer an vielen Stellen zurückgezogen. Das Röhricht, in dem | |
| sonst Wasservögel und andere Tiere Schutz suchen, ist trockengefallen. | |
| Der Seddiner See ist ein beliebtes Ausflugsziel im Landkreis | |
| Potsdam-Mittelmark, die Siedlungen ringsum bilden die Gemeinde gleichen | |
| Namens. Im Ortsteil Seddin am Südufer gibt es Ferienwohnungen, einen | |
| Seefischer und einen Dorfladen, im noch kleineren Kähnsdorf die | |
| Ausflugsgaststätte „Reuse“ und die von der Gemeinde betriebene Heimatstube, | |
| ein Mini-Museum in einem um 1700 erbauten Fachwerkhaus. | |
| „Das mit dem See macht einem Angst, es geht jedes Jahr schneller“, sagt die | |
| Frau von der Heimatstube, die im Vorgarten auf BesucherInnen wartet. „Hier | |
| hinten ist ein Gartentor, da ging man früher durch und konnte ins Boot | |
| steigen.“ Heute ist das Wasser weit weg, die Stege der Seegrundstücke | |
| erreichen es nicht mehr, Boote liegen im Sand. | |
| Auch andere AnwohnerInnen machen sich Sorgen um den massiv gesunkenen Pegel | |
| des Seddiner Sees. Die Berlinerin Barbara Splieth hat in Seddin ein | |
| Sommerhäuschen, zum Ufer sind es wenige hundert Meter, aber das spontane | |
| Bad im See macht ihr zurzeit keinen richtigen Spaß. Ihr stinkt es nicht nur | |
| im Wortsinn – weil der freiliegende Seeboden Faulgase freisetzt –, sie hat | |
| den Verdacht, dass es nicht nur die Dürre ist, die dem | |
| grundwassergespeisten See zu schaffen macht. | |
| „Der Golfclub am Nordufer saugt auf jeden Fall einiges ab, um seine Grüns | |
| zu beregnen“, sagt Splieth. Sie hat bereits eine Korrespondenz mit dem | |
| [1][Golf- und Countryclub Seddiner See (G&CC)] hinter sich – mit einigen | |
| Besonderheiten: „Meine Anfrage zur Rolle des Golfclubs ging an die | |
| Gemeindeverwaltung“, erzählt Splieth, „aber die Antwort bekam ich direkt | |
| vom Club.“ Über die Gründe kann sie nur spekulieren, auch eine Anfrage der | |
| taz beantwortete die Gemeinde bis Redaktionsschluss nicht. | |
| ## „Das ist keine Lappalie“ | |
| Der Ton des Mailwechsels wurde schnell recht scharf: „Der Clubvorstand hat | |
| absolut sarkastisch auf meine Sorgen reagiert“, so Splieth, „ganz nach dem | |
| Motto: Die hat doch keinen Schimmer von Golfplätzen.“ Man habe ihr erklärt, | |
| dass der Club ökologisch vorbildlich handle. Es gebe eine Genehmigung für | |
| die Entnahme von Seewasser, aber auch im Dürrejahr 2018 sei man nur für | |
| rund zehn Prozent des fehlenden Wassers verantwortlich gewesen. Keine | |
| Entschuldigung, findet Splieth: „Wenn die Berechnung stimmt, ist das | |
| trotzdem alles andere als eine Lappalie.“ | |
| Die Welt des Golfclubs ist eine ganz andere als die am Südufer. Auf dem Weg | |
| zum Clubhaus des G&CC passiert man ein Neubaugebiet aus Stadtvillen mit | |
| blau glasierten Dachziegeln über Säulen und Türmchen, viele BewohnerInnen | |
| scheinen mit mehr Geld als Geschmack gesegnet zu sein. Auf dem Parkplatz | |
| vor dem Club mit seinen 186 Hektar Fläche und zwei mal 18 Löchern stehen | |
| übergroße oder extraflache Automobile – was gut zur Selbstbeschreibung der | |
| Aktiengesellschaft mit 1.450 Mitgliedern passt, man sei „ein | |
| S-Klasse-Mercedes unter den deutschen Golfanlagen“. | |
| Gleichzeitig nimmt der Club für sich in Anspruch, Ökologie und Naturschutz | |
| groß zu schreiben. Er kann auf mehrere Preise verweisen, unter anderem eine | |
| Auszeichnung 2018 beim Wettbewerb der „UN-Dekade Biologische Vielfalt“. Es | |
| gibt ein Steinkauz-Projekt und Wildbienen-Monitoring, laut dem Unternehmen | |
| leben heute dreimal so viele Pflanzen- und Tierarten auf dem Gelände wie | |
| 1991, als sich hier noch eine LPG befand | |
| Auch auf sein Engagement für die ökologische Verbesserung des Seddiner Sees | |
| verweist der Club gern. Tatsächlich hatte die DDR-Landwirtschaft mit der | |
| LPG sowie einer Entenmast am Südufer den See in eine lebensfeindliche | |
| Algenbrühe verwandelt, und Anfang der neunziger Jahre lag der Pegel schon | |
| einmal tiefer als heute. In den nuller Jahren fand dann eine erfolgreiche | |
| Gewässersanierung statt, an der sich der Club beteiligte. In diesem | |
| Zusammenhang wurde eine Anlage zur Eliminierung von Phosphaten gebaut, die | |
| der G&CC bis heute betreibt. Über zwei Millionen Euro soll das den Club bis | |
| heute gekostet haben. | |
| Der Deal bestand freilich darin, dass der G&CC mit einem Teil des | |
| gereinigten Wassers seinen Rasen sprengen darf: „Wir dürfen bis zu 150.000 | |
| Kubikmeter im Jahr für die Beregnung von Teilflächen der Golfanlage aus dem | |
| Großen Seddiner See entnehmen“, teilt Vorstand Horst Schubert der taz auf | |
| Anfrage mit. Weil 80 Cent pro Kubikmeter zu bezahlen seien, gehe man aber | |
| so sparsam wie möglich mit dem Seewasser um. | |
| ## Um 69 Zentimeter gesunken | |
| In einem ausführlichen schriftlichen Statement, das der Club zu seiner | |
| Verantwortung für den Zustand des Sees verbreitet, wird noch einmal auf den | |
| Anteil von 9,5 Prozent verwiesen, den die Beregnung 2018 am Pegelrückgang | |
| gehabt habe. Von Januar bis Dezember, als am Seddiner See nur 285 mm | |
| Niederschlag fielen, fiel dieser um 53, zwischenzeitlich sogar um 69 | |
| Zentimeter. | |
| Zu 70 Prozent, heißt es im Dokument, sei die Klimaveränderung mit | |
| steigender Verdunstung und rückläufigem Niederschlag schuld, das habe der | |
| „renommierte Wasserwirtschaftler Prof. Dr. Stefan Kaden“ berechnet. Hinzu | |
| komme eine steigende Grundwassernutzung durch Trinkwassergewinnung in fünf | |
| Wasserwerken, Spargel- und Blaubeeranbau, die Zunahme privater | |
| Gartenbrunnen – und eine „höhere Verdunstungsrate durch einen | |
| expandierenden Schilfgürtel und Erlenbruchwald im Uferbereich“. | |
| Wie dem auch sei – zurzeit holt der G&CC gar kein Wasser aus dem See: Mit | |
| einer sogenannten Allgemeinverfügung hat das Landratsamt Potsdam-Mittelmark | |
| Ende August die „Wasserentnahme mittels Pumpvorrichtungen aus oberirdischen | |
| Gewässern zu Bewässerungszwecken“ im gesamten Kreis bis Ende Oktober | |
| verboten. Grund sei die „außergewöhnlich langanhaltende, sehr angespannte | |
| hydrometeorologische Lage“. | |
| Allerdings: Die Untere Wasserbehörde des Landkreises hat im selben Zug dem | |
| G&CC eine deutlich höhere Grundwasserförderung zu Beregnungszwecken | |
| erlaubt. Aus den drei Brunnen auf der Anlage können dafür bis Ende Oktober | |
| maximal 500 Kubikmeter pro Tag gefördert werden – in der Summe das | |
| Fünffache dessen, was sonst in einem Jahr heraufgepumpt werden darf. Diese | |
| Menge fehlt am Ende auch wieder dem See. | |
| Eine Entnahmegenehmigung, um „saftig grüne Grüns“ auf einem Golfplatz zu | |
| pflegen, finden AnwohnerInnen wie Barbara Splieth nicht mehr zeitgemäß. Ob | |
| das die Politik in Gemeinde und Kreis einmal ähnlich sieht, bleibt | |
| abzuwarten. Dagegen spricht schon die wirtschaftliche Bedeutung des Clubs. | |
| Echte Entspannung könnte wohl ohnehin nur ein Ende der Dürre bringen, | |
| [2][die auch etlichen anderen Brandenburger Seen zusetzt]. Damit zu | |
| rechnen, erscheint zurzeit höchst optimistisch. | |
| 26 Sep 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.gccseddinersee.de/ | |
| [2] /Straussee-bei-Stausberg/!5610986 | |
| ## AUTOREN | |
| Claudius Prößer | |
| ## TAGS | |
| Wassermangel | |
| See | |
| Schwerpunkt Klimawandel | |
| Potsdam | |
| Golf | |
| Gewässerschutz | |
| Schwerpunkt Fridays For Future | |
| Gewässerschutz | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Umweltverbände gegen Braunkohletagebau: Jänschwalde saugt Grundwasser ab | |
| Der Braunkohletagebau Jänschwalde entnimmt dreimal so viel Grundwasser wie | |
| erlaubt. Das wollen nun Umweltverbände vor Gericht stoppen. | |
| Wassermangel am Straussee: Wasser und Macht | |
| Der Straussee bei Berlin trocknet aus. Eine Bürgerinitiative will selbst | |
| über das Wasser entscheiden – und ärgert damit den Wasserverband. | |
| Straussee bei Stausberg: Ein See mit Pegelproblem | |
| Seit bald einem Jahrzehnt verliert der Straussee erheblich an Wasser. | |
| Umweltschützer und Bootsbesitzer*innen sind über die ratlose Politik | |
| empört. |