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# taz.de -- Dänische Reiterin Lis Hartel: Botschafterin auf dem Pferd
> Erst seit den Olympischen Spielen von Helsinki im Jahr 1952 dürfen Frauen
> beim Dressurreiten teilnehmen. Prompt gewann mit Lis Hartel eine Frau
> Silber.
Bild: Jubilee und Lis Hartel
Warum auf alten Fotos von olympischen Reitwettbewerben ausschließlich
Männer in Uniformen zu sehen sind, hat einen einfachen Grund: Bis 1952 war
die Teilnahme ausschließlich Offizieren im aktiven Dienst vorbehalten.
Frauen durften ebenso wie Zivilisten nicht starten. Das änderte sich erst
bei den Olympischen Spielen von Helsinki im Jahr 1952, wo erstmals zivile
Dressurreiter und sogar Dressurreiterinnen zugelassen wurden.
Prompt gewann mit der Dänin Lis Hartel gleich eine Frau Silber und damit
die erste Medaille im Reitsport. Viele männliche Kontrahenten hätten sich
über ihren Erfolg geärgert, sagte sie später, „sie waren ausgesprochen
schlechte Verlierer“. Dass der Sieger, der schwedische Artillerieoffizier
Henry Saint Cyr, ihr anschließend von ihrem Pferd Jubilee herunterhalf und
sie zur unmittelbar folgenden Siegerehrung trug, war allerdings keine
Macho-Machtdemonstration, sondern ein Zeichen der Freundschaft zwischen den
beiden skandinavischen Spitzenreitern.
Lis Hartel war nämlich infolge einer Polioerkrankung von den Knien abwärts
gelähmt und konnte ohne Hilfe ihr Pferd weder besteigen noch aus dem Sattel
steigen, außerdem fiel ihr das Laufen schwer.
Lis war 1921 in Kopenhagen als jüngstes Kind des Direktors Ejnar Holst und
seiner reitsportbegeisterten Frau Else geboren worden. Als Kind habe sie
Angst vor Pferden gehabt und sei ständig abgeworfen worden, erinnerte sie
sich 2005 in einem Interview mit der dänischen Tageszeitung Politiken. Das
habe sich erst geändert, „als mir ein Vater ein altes Pony schenkte“.
Mutter Else brachte ihren Töchtern fortan das Reiten bei; als sie 13 Jahre
alt wurde, trat Lis dem Sportsrideklubben, dem Sportreiterverein,
Kopenhagen bei.
Als sie mit ihrem zweiten Kind schwanger war, infizierte sie sich mit
Polio. Einen Impfstoff gegen die Infektionskrankheit gab es noch nicht. Die
Ärzte hätten ihr gesagt, dass sie ihr weiteres Leben im Rollstuhl
verbringen werde, erinnerte sich Hartel später, „aber das konnte ich
einfach nicht akzeptieren“. Sie lernte mit Hilfe von Mann und Mutter,
wieder zu krabbeln, und machte trotz „fürchterlicher Schmerzen“in
Eigenregie Gymnastikübungen.
## „Förmlich elektrisiert und motiviert“
1947 saß Hartel erstmals wieder auf einem Pferd. Ihr Ziel war aber größer.
Sie wollte an den Spielen in Helsinki teilzunehmen. Die Nachricht, dass
Frauen dort würden mitreiten dürfen, hatte Lis „förmlich elektrisiert und
motiviert“. Grob gesagt werden Pferde allerdings hauptsächlich mittels
Schenkeldruck und Zühelhilfen gesteuert, was Hartel weitgehend unmöglich
war.
Lis Hartel entwickelte daher eine eigene Technik, die auf leichten
Gewichtsverlagerungen ihres Oberkörpers und der Sitzfläche beruhten. 1956
in Stockholm gewann Hartel wieder hinter Saint Cyr Silber . Zu diesem
Zeitpunkt war die dänische Dressurreiterin schon weltbekannt, sie wurde
sogar in die USA eingeladen, um über ihre Erfahrungen im Kampf gegen die
Folgen der Kinderlähmung zu sprechen.
Auf den Erfolg angesprochen, der ihr am meisten bedeutete, antwortete sie
stets: „das therapeutische Reiten“. Auch darin war sie eine Pionierin. Die
Idee, Reiten und den Umgang mit Pferden als therapeutische Mittel für
Polio-Kranke einzusetzen, hat Hartel beharrlich verfolgt. Lis Hartel starb
am 12. Februar 2009 im Alter von 87 Jahren in Kopenhagen
28 Sep 2019
## AUTOREN
Elke Wittich
## TAGS
Kolumne Erste Frauen
Dressurreiten
Olympischer Sport
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Rennreiten
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