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# taz.de -- Kolumne Das Schlagloch: Fünf Ringe für einen Witz
> Die olympische Idee ist zusammengebrochen - es fehlt nur noch der
> Gnadenschuss.
Bild: Jubilee und Lis Hartel
Irgendwann einmal hat gewiss ein jeder unter uns sich gefragt, welcher wohl
der witzigste Witz auf Erden ist, welche Nation den meisten Sinn für Humor
hat und welcher unter den Spaßmachern aller Länder den Lorbeerkranz
gewinnen soll. Eigentlich sehnen wir uns alle auf das Heftigste nach
Olympischen Spielen des Humors.
Wir dürfen nun frohlocken, denn das Warten hat ein Ende. Der
Goldmedaillengewinner unter den Scherzen ist gekürt, und zwar von der
britischen Website [1][www.laughlab.co.uk]. Der Lorbeerkranz gebührt
folgender meisterlicher Leistung:
Zwei Jäger pirschen gerade durch einen Wald, als einer der beiden plötzlich
zusammenbricht. Er scheint nicht mehr zu atmen und seine Augen sind ganz
glasig. Sein Kumpel zieht das Handy heraus und ruft sofort die Notnummer
an. "Mein Freund ist tot", stößt er hervor, "was soll ich nur tun?" "Ganz
ruhig bleiben", sagt der Mann am anderen Ende der Leitung. "Zuerst sollten
Sie feststellen, ob er wirklich tot ist." Nach einer kurzen Pause ist ein
Schuss zu hören. Der Jäger meldet sich erneut: "Erledigt. Und was nun?".
Wer das nicht so witzig findet, möge sich an die vielen langweiligen
Entscheidungen bei Olympia erinnern. Sieger können ganz schon mittelmäßig
sein. Zudem war der Maßstab dieses spezifischen Wettkampfes die kulturelle
Übersetzbarkeit von Humor - gesucht wurde sozusagen der McDonalds des
Witzes. Auf der Website kann man die Resultate der Untersuchung nachlesen
und muss doch arg staunen, welche Völker welche Art des Humors bevorzugen
(Gewinner des Witzemessens ist übrigens ein indischstämmiger Brite).
Besonders überraschend ist die Erkenntnis, die Deutschen hätten den
vielseitigsten Sinn für Humor - sie sind sozusagen die Zehnkämpfer des
Lachens. Da sieht man doch sofort Harald Schmidt mit dem Bundesadler auf
der Brust am Start, entschlossen - wie einst Jürgen Hingsen -, jede Pointe
richtig zu setzen. Deutschland wäre eine weitere Goldmedaille sicher.
Wie schade, dass Witze erzählen noch keine olympische Disziplin ist, denn
ansonsten hätte ich dem Bundestrainer einen Geheimtipp antragen können, mit
dem sich das Bundesteam ins Finale blödeln könnte: Anlässlich der
Olympischen Spiele in Moskau im Jahre 1980 hält der bulgarische Diktator
Todor Schiwkow eine Rede vor der versammelten bulgarischen Mannschaft.
"Liebe Genossinnen und Genossen, es ist mir eine große Ehre, Sie bei den
XXII. Olympischen Sommerspielen begrüßen zu dürfen. O O O O O", worauf ihm
sein Redenschreiber zuflüstert: "Genosse Generalsekretär, die olympischen
Ringe müssen Sie nicht vorlesen."
Dieser Witz wurde später auch Helmut Kohl in die Schuhe geschoben. Witze
waren der Exportschlager des sozialistischen Imperiums, nur dauerte es
manchmal, bis im Westen ein adaptionskompatibler Staatsmann an die Macht
gelangte.
Sollte Humor eines Tages tatsächlich olympisch werden und sich zu so
aufregenden Sportarten wie Taekwondo und Dressurreiten gesellen, sollte es
unbedingt die Disziplin "Witze über Olympia" geben, neben klassischeren
Formaten wie etwa dem Blondinen- oder dem Minderheitenwitz. Denn auf das
Internationale Olympische Komitee (IOC) - seit Wochen die größte Lachnummer
der Welt - ist Verlass. Die Herren Jacques Rogge und Thomas Bach, sakrale
Hüter der hehren Werte des IOC, lassen momentan einen Brüller nach dem
anderen vom Stapel.
Die Olympischen Spiele seien unpolitisch, beteuern sie mit der treuherzigen
Miene eines Buster Keaton - womit Sie wohl weder die Spiele 1936 in Berlin
noch die zwei Boykottspiele 1980 in Moskau und 1984 in Los Angeles meinen.
Nicht einmal in der Antike waren die Spiele so friedlich, wie gerne
behauptet wird. Im Jahre 364 v. Chr. stürmten Soldaten die Arena in
Olympia, und es kam zu heftigen Gefechten. Es ging schon damals um Macht
und Geld; die Leitung der Spiele war den traditionellen Gastgebern zuvor
entrissen worden.
Auch gab es schon in der hellenistischen Zeit den ersten Boykott: die
Spartaner durften 420 v. Chr. während des Peloponnesischen Krieges nicht
teilnehmen (nicht einmal als Zuschauer!). Zwanzig Jahre später machten die
Spartaner wieder Ärger, weil sie während des heiligen Waffenstillstandes
eine militärische Aktion vornahmen. Sie mussten ein deftiges Bußgeld
zahlen. Und im Jahre 380 v. Chr. - und nun wird es ganz modern -
boykottierten die Athener die Spiele, weil einer ihrer Athleten der
Bestechung überführt wurde. (Wir erinnern uns an einige dubiose
Goldmedaillen für Griechenland bei den letzten Spielen.)
Mein persönlicher Witzfavorit betrifft die olympische Flamme, die nicht nur
"die positiven Werte, die der Mensch seit jeher mit dem Feuer assoziiert,
repräsentiert", wie das IOC es poetisch auflodern lässt, sondern " die
Botschaft des Friedens und der Freundschaft unter den Völkern" vermittelt.
Wer hier nicht lacht, hat die Olympianorm für Humor nicht geschafft.
Besonders zynisch wird es, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der
Fackellauf von den Nazis erfunden und nach Regieanweisungen von Goebbels
1936 zum ersten Mal inszeniert wurde. Krupp fertigte die hübschen
Friedensfackeln an. Es gab damals zwar Proteste in Jugoslawien und der
Tschechoslowakei, aber sie wurden genauso brutal niedergeschlagen wie jene
der kritischen Studenten 1968 in Mexiko. Wenn also der deutsche
IOC-Vizepräsident Bach die Demonstranten, die die Fackel angriffen, eifrig
diffamiert - "Erschreckend, wie mit Gewalt ein Symbol angegriffen wird, das
für Verständigung stehen soll" -, wissen wir ihn in bedenklicher
Gesellschaft.
Leider spricht nichts dafür, dass sich das IOC der eigenen Lachhaftigkeit
bewusst ist und entsprechende Konsequenzen ziehen könnte. Im Gegenteil:
Olympia wird leider ein humorfreier Raum bleiben, eine Hymne an die
Heuchelei und eine so minderwertige wie höchst profitable Schmierenkomödie,
kaum interessanter als die Suche von [2][www.laughlab.co.uk] nach dem
weltbesten Witz. Die einzige ehrenwerte Lösung wäre die Abschaffung von O O
O O O. Die olympische Idee ist längst zusammengebrochen - es fehlt nur noch
der Gnadenschuss. Und 2008 ist dafür so gut wie jedes andere Jahr.
Aber was ist mit den vielen schönen Sportstätten, wird manch einer
einwenden. Natürlich sollen diese genutzt werden, für sportliche
Wettkämpfe. Wie wäre es etwa mit einem Sportfest für die Häftlinge der
Welt? Da China und die USA die mit Abstand höchste Zahl von eigenen Bürgern
inhaftiert halten, würde der Medaillenspiegel ähnlich ausfallen wie bei
Olympia.
Zudem würden sich interessante, abwechslungsreiche Disziplinen anbieten:
Waterboarding vom 1-m-Brett, Marathon-Schlafentzug oder 1.000 m
Minenfeldlauf (die chinesischen Häftlinge trainieren in Angola, wo sie auf
diese billige Art und Weise die während des Bürgerkrieges gelegten
Landminen entschärfen - wer überlebt, wird früher freigelassen). Für
Spannung wäre sogar bei sportrechtlichen Fragen gesorgt: Dürften
Guantánamo-Häftlinge unter amerikanischer Flagge starten?
8 May 2008
## LINKS
[1] http://www.laughlab.co.uk
[2] http://www.laughlab.co.uk
## AUTOREN
Ilija Trojanow
Ilija Trojanow
## TAGS
Kolumne Erste Frauen
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