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# taz.de -- Separatisten im Jemen: Muskelspiel für die Unabhängigkeit
> Mit ihrer überraschenden Aden-Offensive haben Jemens Separatisten einen
> ersten Teilerfolg erzielt: Die Regierung lässt sich auf Verhandlungen
> ein.
Bild: Lassen die Muskeln spielen: Separatisten im August in Aden
Berlin taz | Die Gespräche sind noch im Gange, doch bereits jetzt haben
Jemens Separatisten Grund zu feiern. Seit Mittwoch verhandelt der Südliche
Übergangsrat (STC) in der saudischen Küstenstadt Jidda mit der
international anerkannten jemenitischen Regierung – auf Augenhöhe. Der STC,
der im Namen derer spricht, die einen unabhängigen Staat „Südjemen“ oder
„Südarabien“ fordern, war an bisherigen Friedensgesprächen nicht beteilig…
Mit einem militärischen Paukenschlag hatten sich die Separatisten im August
zurückgemeldet. Nun fordern sie offensiv ihre Rolle als zentraler Akteur im
Jemenkonflikt ein, in dem bislang andere die Hauptrollen besetzen: die
weitgehend machtlose, aber von einer saudisch geführten Militärkoalition
unterstützte Regierung von Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi sowie die
schiitischen, vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen.
In wenigen Tagen hatte der militärische Arm des STC [1][die wichtige
Hafenstadt Aden eingenommen]. Seine von den Vereinigten Arabischen Emiraten
ausgebildeten und finanzierten Milizionäre besetzten den Präsidentenpalast
und Militärstellungen der Regierungstruppen.
Kaum war die Stadt unter Kontrolle der Separatisten, strömten Tausende
Unabhängigkeitsbefürworter nach Aden und bekundeten in einer
Massenkundgebung ihre Solidarität mit dem STC. In Sprechchören feierten sie
die „Revolution des Südens“ und zogen mit Fahnen der früheren, bis 1990
unabhängigen südjemenitischen Republik durch die Straßen.
„Wir fordern, dass die Regierung aufhört uns zu marginalisieren“, sagt
Ahmed Omar bin Fareed, EU-Vertreter des STC, gegenüber der taz, „und dass
sie uns im Friedensprozess akzeptieren.“ In den offiziellen
UN-Friedensverhandlungen nämlich haben die Separatisten bislang nichts zu
melden. Die nun von Saudi-Arabien parallel initiierten Gespräche zwischen
Regierung und STC sind für die Separatisten ein erster Schritt hin zur
Anerkennung, auch wenn die Regierung am Mittwoch klarstellte, dass die
beiden Parteien nicht direkt miteinander verhandelten.
Dabei erkennt der STC die Hadi-Regierung offiziell als legitime Führung des
Landes an – trotz der jüngsten Kämpfe mit den Regierungstruppen. Doch macht
Bin Fareed keinen Hehl daraus, dass es sich dabei um ein reines
Zweckbündnis handelt. In ihrem gemeinsamen Kampf gegen die Huthi-Rebellen
ist der STC mit der Hadi-Regierung vereint. Gleichzeitig weiten die
Separatisten ihre Macht im Süden des Landes aus und arbeiten auf eine
Abspaltung des ehemals eigenständigen Gebiets hin.
„Wenn es Wahlen oder ein Referendum gäbe, würden wir sehen, dass die
Mehrheit im Süden für die Unabhängigkeit ist“, ist Bin Fareed überzeugt.
„Mindestens neunzig Prozent“ Unabhängigkeitsbefürworter will er unter den
SüdjemenitInnen wissen. Das mag übertrieben sein, doch zweifellos ist die
Unabhängigkeitsbewegung tief verwurzelt in der Bevölkerung der ehemaligen
sozialistischen Republik, die mit dem Ende ihres sowjetischen Schutzpatrons
1990 im vereinten Jemen aufging.
Auf die aus Sicht der Separatisten überhastete Vereinigung folgte im Sommer
1994 ein Abspaltungsversuch, der in einen kurzen Bürgerkrieg zwischen den
bis dahin noch getrennten Armee-Einheiten mündete und mit der Niederlage
der Separatisten endete. „Danach erwarteten die Leute im Süden, dass die
Regierung sie als gleichberechtigt behandelt“, sagt Bin Fareed, „aber
nichts davon passierte, sie benahm sich wie eine Besatzungsmacht.“
BefürworterInnen der Unabhängigkeit beklagen Zwangsentlassungen von
Staatsangestellten und Armeeangehörigen. Fabriken seien geschlossen,
Ländereien vereinnahmt und hohe Stellen im Staatsapparat von
SüdjemenitInnen gesäubert worden.
Die revolutionären Umwälzungen in der Region 2011 und der 2014
ausgebrochene Bürgerkrieg im Jemen bestärkten die Separatisten in ihrem
Streben nach einem eigenen Staat. Als Präsident Hadi im Frühjahr 2017
schließlich mehrere Politiker aus den Reihen der Unabhängigkeitsbewegung
ihrer Ämter enthob und die Menschen aus Protest in Massen auf die Straßen
strömten, nutzte der heutige STC-Chef Aydarus al-Zubaydi die Gelegenheit:
Mit dem STC schuf er eine politische Vertretung der Unabhängigkeitsbewegung
und eine Art Gegenregierung, die mit den emiratisch unterstützten
südjemenitischen Milizen über erhebliche Schlagkraft verfügt.
Die Gespräche in Jidda zwischen Regierung und STC sollen zunächst eine
Eskalation in Aden und den ebenfalls umkämpften Provinzen Schabwa und Abyan
verhindern. „Wir werden sie nicht bitten, uns Unabhängigkeit zu geben“,
sagt Bin Fareed. Dem STC geht es zunächst in erster Linie um die Einbindung
in den Friedensprozess unter UN-Ägide. Möglich ist auch, dass sich die
Parteien auf eine Umbildung des Kabinetts einigen, in dem Politiker der
Unabhängigkeitsbewegung stärkeres Gewicht haben.
6 Sep 2019
## LINKS
[1] /Neue-Wendung-im-Jemenkrieg/!5616330
## AUTOREN
Jannis Hagmann
## TAGS
Aden
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