| # taz.de -- Basketballgespräch mit Thomas Pletzinger: „Wie wir, nur viel, vi… | |
| > Thomas Pletzinger hat Dirk Nowitzki jahrelang begleitet und jetzt ein | |
| > Buch über ihn geschrieben. Wir haben den Autor auf dem Freiplatz | |
| > getroffen. | |
| Bild: Thomas Pletzinger (Mitte) mit den taz-Redakteuren Jan Pfaff (links) und F… | |
| Er hat gerade noch auf der Toilette vom Starbucks seine Sportsachen | |
| angezogen, erzählt Thomas Pletzinger. Wir haben uns auf einem Freiplatz in | |
| der Nähe des taz-Gebäudes verabredet, weil wir alle eins gemeinsam haben. | |
| Als Teenager haben wir viel Zeit damit verbracht, orangefarbene Bälle durch | |
| Ringe in 3,05 Meter Höhe zu werfen. Thomas Pletzinger spielte bei Brandt | |
| Hagen, taz-Redakteur Felix Zimmermann beim Oldenburger Turnerbund, | |
| taz-Redakteur Jan Pfaff in den Jugendmannschaften beim | |
| Universitäts-Sportclub Freiburg. | |
| Thomas Pletzinger hat gerade ein Buch über Dirk Nowitzki veröffentlicht, | |
| [1][der im April nach 21 Jahren NBA seine Karriere beendet hat]. Es ist | |
| keine klassische Sportlerbiografie, sondern nähert sich dem größten | |
| deutschen Basketballer auf verschiedenen Ebenen mit literarischem Anspruch. | |
| Pletzinger reflektiert auch darüber, was Nowitzkis Karriere für jemanden | |
| bedeutet, der selbst einmal Basketball gespielt hat. Darüber wollen wir | |
| sprechen – und darüber, was der Sport uns bedeutet, als Fans und | |
| Freizeitsportler. | |
| Zunächst werfen wir noch ein paar Körbe. Pletzinger hat einen eleganten | |
| Wurf, aus dem Korb mit dem dicken Ring hüpfen – wie bei uns auch – trotzdem | |
| einige Bälle wieder heraus. Zum Gespräch setzen wir uns unter den Korb. Auf | |
| dem Platz siezt sich keiner, weshalb wir auch in der Schriftfassung darauf | |
| verzichten. | |
| taz am wochenende: Thomas, du hast Dirk Nowitzki sieben Jahre immer wieder | |
| getroffen, ihn bei den Spielen, beim Training und in privaten Situationen | |
| beobachtet. Die Frage, die du sicher oft hörst, die uns aber auch | |
| interessiert: Wie ist er denn so? | |
| Thomas Pletzinger: Er ist ein freundlicher Mensch. Das wirkt nicht nur von | |
| außen so, das ist so. Dazu kommen diese unglaubliche Akribie und | |
| Genauigkeit, dieses endlose Arbeiten an seinen Fähigkeiten. Er kann | |
| gnadenlos alles wegblenden, was nicht wichtig ist, und sich auf das | |
| konzentrieren, was in dem Moment zählt. | |
| Spitzensport auf diesem Niveau verlangt eine unglaubliche Disziplin. Du | |
| beschreibst, wie er einmal ein Stück Pizza isst – das ist etwas ganz | |
| Besonderes, weil er während der Saison sonst strikt Diät hält. | |
| Er hat nur sehr wenige Ausnahmen bei seiner Ernährung gemacht. Da werden | |
| ein Stück Pizza oder ein Keks gleich zu Symbolen. | |
| Ein Keks? | |
| Seine Leute machen Witze über diese Sachen: „Hey, das ist Exzess!“, haben | |
| sie gesagt, als er eine Maiscremesuppe gegessen hat. Als er im April seine | |
| Karriere beendet hat, hat er im Scherz gesagt, dass er jetzt Eis zum | |
| Frühstück essen wolle. Zum letzten Spiel hat ihm dann ein Freund für jede | |
| Saison, die er gespielt hat, einen riesigen Topf Eiscreme geschenkt. Einen | |
| ganzen Kühlschrank voll, zig verschiedene Sorten, und Dirk behauptet, er | |
| hätte alles aufgegessen. | |
| Die Geschichte von Dirk Nowitzki ist sehr oft erzählt worden – von den | |
| Anfängen in fränkischen Schulturnhallen zu einem der erfolgreichsten | |
| Spieler in der härtesten Profiliga der Welt, mit astronomischen Gehältern | |
| und extremer Medienaufmerksamkeit. Was kann man da Neues erzählen? | |
| Als ich die Arbeit an dem Buch begann, war mir klar: Nowitzkis Karriere ist | |
| eigentlich schon überdokumentiert. Aber das meiste, was man liest, ist der | |
| Teil seiner Arbeit, der im Rampenlicht spielt – das macht aber nur | |
| vielleicht fünf Prozent eines Sportlerlebens aus. 95 Prozent spielen sich | |
| dort ab, wo keiner hinguckt. Und diesen Teil wollte ich auch zeigen. | |
| Hast du ein Beispiel? | |
| Ich habe ihn zu einem Werbedreh nach Slowenien begleitet und konnte da | |
| sehen, wie er durch Rituale eine Strategie entwickelt hat, um sich von dem | |
| Stress um ihn herum frei zu machen. An diesem Tag lastete großer Druck auf | |
| ihm. Da ist ein teures Filmteam vor Ort, achtzig Leute warten auf ihn. Der | |
| Sponsor setzt große Hoffnung in diese Sache, und von der Kampagne wird sein | |
| Image in Deutschland für die nächsten zwei Jahre geprägt. Aber er geht | |
| mittags in die Halle und wirft so lange, bis er frei von diesem Druck ist. | |
| Bis er wieder im Takt ist. Die Halle ist der Raum, der ihm ermöglicht hat, | |
| frei zu sein. | |
| Ein anderes Mal bittet er dich, für ihn zu tanken – damit er an der | |
| deutschen Tankstelle unerkannt im Auto sitzen bleiben kann. | |
| Die Szene sagt vermutlich einiges über sein Leben aus. Einfach mal schnell | |
| tanken geht für Dirk Nowitzki nicht. Ich musste einen Zug bekommen, deshalb | |
| wollte er an der Tankstelle nicht smalltalken und Autogramme geben. Zu | |
| seinem Alltag gehört es, ständig darüber nachzudenken, zu welcher Uhrzeit | |
| er was am besten macht, um unbeobachtet zu bleiben. Aber er hat sich nie | |
| darüber beschwert, für ihn ist das einfach die Realität des Jobs. | |
| Hut und Sonnenbrille aufsetzen bringen da auch nichts, mit 2,13 Metern kann | |
| man sich nicht verstecken. | |
| Hut und Sonnenbrille sind nur für 1,80 Meter große Fußballspieler eine | |
| Option. Da sagen die Leute: „War das gerade Marco Reus, oder sah der nur so | |
| aus?“ Bei Nowitzki ist es so, dass er für die meisten, selbst wenn sie ihn | |
| nicht erkennen, immer noch der größte Mensch ist, den sie jemals gesehen | |
| haben. | |
| Was das Buch sehr deutlich macht: [2][Nowitzki ist eine riesige | |
| Projektionsfläche für unterschiedliche Leute, die ganz unterschiedliche | |
| Sachen in ihm sehen.] Du schreibst sehr subjektiv aus der Perspektive | |
| desjenigen, der selber Basketball gespielt hat. Was ist Nowitzki da – also | |
| für uns, die wir in Jugendmannschaften gespielt haben? | |
| Wir, die wir irgendwann aufgehört haben, Basketball zu spielen, finden | |
| diese Basketballwelt ja weiter gut. Dirk Nowitzki ist jemand, der aus | |
| dieser Welt kommt. Aus unserer Welt. Es gibt diese Theorie, dass jeder | |
| jeden Menschen dieser Welt über sechs Ecken kennt. Im deutschen Basketball | |
| sind das bei Dirk Nowitzki maximal zwei. Egal, wen man trifft: alle kennen | |
| jemanden, der irgendwann mal mit ihm zusammengespielt hat. | |
| Jan Pfaff: Also ich kenne keinen. | |
| Du hast beim Vorgespräch erzählt, dass du in Freiburg zum Beispiel mit | |
| Robert Maras zusammengespielt hast. | |
| Ja … | |
| Und Robert Maras war Center in Nowitzkis Nationalmannschaften. Die sind | |
| beide Jahrgang 1978 und haben jahrelang zusammengespielt. Wenn du jetzt mit | |
| Maras noch befreundet wärst, wäre es vermutlich ein Leichtes, Nowitzki zu | |
| kontaktieren. Weil er eventuell seine Nummer hat. | |
| Felix Zimmermann: Ich kenne einen, der war Trainer einer Jugendmannschaft | |
| bei München, die hat damals gegen die Jugendmannschaft von Dirk Nowitzki | |
| gewonnen. Er hat also praktisch Nowitzki besiegt. | |
| Genau das meine ich. Wahrscheinlich erzählt er diese Geschichte immer | |
| wieder gern. Wir alle identifizieren uns mit Nowitzki, weil er ein Kind des | |
| Sportvereins ist und ein Kind unserer Jahrgänge – deswegen ist er für uns | |
| eine Art Stellvertreter. | |
| Und man denkt: Der ist immer noch so wie wir. | |
| Das Buch endet mit dem Satz: „Dirk Nowitzki ist wie wir, nur viel, viel | |
| besser.“ Diesen Satz halte ich für wahr: Nowitzki hat zwar sehr, sehr viel | |
| besser Basketball gespielt als wir, aber grundsätzlich ist er einer von | |
| uns. | |
| Wenn man dein Buch liest, erinnert man sich schnell an seine eigenen | |
| Basketballerfahrungen. Und dann fragt man sich zwangsläufig: Was wäre | |
| gewesen, wenn …? Wenn ich damals den richtigen Trainer gehabt hätte, wenn | |
| ich nicht andere Sachen irgendwann wichtiger gefunden hätte? | |
| Was wäre gewesen, wenn ich 2,13 Meter groß gewesen wäre und … | |
| … da hört’s schon wieder auf … | |
| … wenn ich Nerven aus Stahl gehabt hätte. Es gibt viele Dinge, die man | |
| nicht ändern kann. Da kann man reden, so viel man will: Wir sind einfach | |
| kein Profibasketballer-Material. | |
| Nein, sind wir nicht. Und doch war es oft so, wenn man Nowitzki spielen | |
| sah, vor allem als er 2011 den NBA-Titel holte, dass man dachte: Das sind | |
| auch wir. Er gewinnt dieses Spiel für uns. | |
| Deswegen liebt man ja seine Sportler oder Musiker oder Künstler so sehr – | |
| weil die etwas tun, was man sich selbst hätte vorstellen können. | |
| Und man schätzt es umso mehr, wenn man weiß, wie schwierig das ist. | |
| Die wenigsten wissen das. Mir war vorher auch nicht klar, was für | |
| unfassbare Kraft Dirk Nowitzki investieren musste, um so lange so gut zu | |
| bleiben. Ich dachte, dass er einfach perfekte Voraussetzungen hat und | |
| mental stark ist. Aber ich wusste nicht, was das konkret im Alltag heißt | |
| und wie lange man das durchziehen muss, um zu erreichen, was er erreicht | |
| hat. Ich habe für dieses Buch einen Selbstversuch gemacht, um mal zu | |
| gucken, was es braucht, um mit 40 richtig fit zu werden. Eigentlich geht | |
| das nicht. Du kannst nicht mehr annäherungsweise so leistungsfähig werden | |
| wie früher. Es geht einfach nicht. | |
| Du beschreibst auch einen kulturellen Unterschied, in Deutschland können | |
| viele mit Basketball nicht so richtig viel anfangen. In den USA kann man | |
| sich in der Bar mit dem Sitznachbarn über die 1972er Meisterschaft der New | |
| York Knicks unterhalten oder über die wichtigsten Punkte von Nowitzki. | |
| Nowitzki ist in Deutschland auch deswegen berühmt, weil er berühmt ist. In | |
| den USA können die Leute etwas besser einschätzen, was er auf dem Feld | |
| geleistet hat. | |
| Eigentlich schade, diese deutsche Fußball-Fixierung. Dabei ist Basketball | |
| doch viel spannender. | |
| Mich reizt es jedenfalls mehr. Ich halte Basketball für intellektuell | |
| anspruchsvoller, aber nicht, weil die anderen Sportarten dumm wären, | |
| sondern weil im Basketball der Körper, die Taktik und Theorie rational | |
| begreifbarer sind. Beim Fußball spielt der Zufall eine viel größere Rolle, | |
| was auch faszinierend ist. | |
| Pep Guardiola würde das mit dem Zufall anders sehen, der versucht, ihn auch | |
| im Fußball zu eliminieren. | |
| Im Fußball bleibt immer noch die Möglichkeit, dass ein Drittligist an einem | |
| guten Tag einen Erstligisten schlägt. Im Basketball – wenn du 60, 70 | |
| systematische Angriffe pro Spiel hast – ist es sehr viel | |
| unwahrscheinlicher, dass eine schlechtere Basketballmannschaft gegen eine | |
| gute gewinnt. Schon gar nicht in einer Playoff-Serie. | |
| Beim Basketball ist ständig was los. | |
| Aber ein Lucky Punch ist selten. | |
| Na ja, in der Crunchtime, bei Gleichstand kurz vor Spielende, hat es schon | |
| mit Glück zu tun, ob der weite Wurf jetzt reingeht oder nicht. | |
| Aber es ist nicht so, dass sich einer die ganze Zeit hinten reinstellen | |
| kann und mauern und einen Konter laufen und gewinnen. Du musst vorher schon | |
| gut spielen, damit du am Schluss den einen entscheidenden Wurf nehmen | |
| kannst. Du musst dich in die Position bringen, um gewinnen zu können. Wenn | |
| du einfach nur destruktiv bist, reicht das in den meisten Fällen nicht. | |
| Warum fasziniert uns Sport eigentlich so? | |
| Weil es um alles geht. Um große Konflikte, Duelle, um Körper und Geist. Um | |
| Ästhetik, um Liebe, um Perfektion und Zerstörung. | |
| Und warum erzählen wir uns die großen Sportgeschichten immer wieder – | |
| Nowitzkis NBA-Titel 2011 oder die deutschen WM-Siege beim Fußball, 1990 in | |
| Italien etwa? | |
| Wenn man etwas längere Zeit verfolgt, dann bekommt es einen narrativen | |
| Bogen – man weiß, dass dieser Spieler oder jene Mannschaft durch diese oder | |
| jene Krise gegangen ist, um in diesem oder jenem Finale zu stehen. | |
| Sportereignisse takten das eigene Leben. Man erinnert sich an das | |
| Giuseppe-Meazza-Stadion, wie es 1990 aussah, als man selbst das Spiel | |
| geschaut hat. Und natürlich erinnert man sich daran, wie jung man damals | |
| war. Welche Möglichkeiten einmal vor einem lagen. | |
| Du deutest das bei deinen Erinnerungen an, und das deckt sich mit unseren | |
| Erfahrungen – Basketball, zumindest früher, war stark ein Spiel der | |
| Gymnasiasten. Auf der Realschule wurde eher Fußball gespielt. Da gab es | |
| auch im Sport feine Unterschiede … | |
| In Hagen, wo ich herkomme, war Basketball im Grunde das einzige Spiel. Das | |
| Klischee war: Basketball ist eine Studentensportart, aber in Hagen gab es | |
| gar keine richtige Uni. Basketball hatte aber eine Coolness und | |
| Weltläufigkeit, die ich als Kind bei anderen Sportarten nicht so | |
| wahrgenommen habe. Weil es so international geprägt war. Ich habe | |
| angefangen, Basketball zu spielen, und mich im nächsten Schritt für | |
| amerikanische Filme interessiert, dann für amerikanische Romane und den | |
| amerikanischen Kulturraum überhaupt. | |
| Basketball hatte etwas von großer, weiter Welt. Die NBA als das Maß aller | |
| Dinge, die amerikanischen Stars als Poster in den Jugendzimmern. | |
| Basketball war immer sehr international. Es gab die Balkan-Basketballer, | |
| die waren fantastisch. Dazu die Litauer und die Russen, und natürlich die | |
| Amerikaner. 1992 das Dreamteam in Barcelona war einfach Wahnsinn. Dass da | |
| Michael Jordan und Magic Johnson … | |
| … und Larry Bird und Charles Barkley … | |
| … in einer Mannschaft spielten. So eine spektakuläre Größe kannte ich aus | |
| anderen Sportarten nicht. | |
| Was kann man denn, wenn man selbst spielt, auf dem Basketballplatz fürs | |
| Leben lernen? | |
| Das klingt jetzt sehr einfach und didaktisch, aber wenn man in einer | |
| Basketballmannschaft spielt, dann kommt man später vermutlich besser mit | |
| Leuten klar. Man begreift, dass man allein weniger erreicht. | |
| Man lernt auch mit jenen zusammenzuspielen, die man nicht leiden kann. | |
| Wenn du eine Mannschaftssportart betreibst, weißt du, dass ein Passgeber | |
| und ein Passempfänger dazugehören, um einen Korb zu machen. Das gilt | |
| natürlich nicht nur für Basketball. Du gewinnst nicht, wenn du allein | |
| spielst. | |
| Bei den Jugendmannschaften verbringt man an den Wochenenden auch viel Zeit | |
| in alten VW-Bussen, auf der Fahrt zu irgendwelchen Auswärtsspielen. | |
| Da kommt die Schönheit des Breitensports mit der Leuchtkraft dieses alten | |
| Traums zusammen: Man träumt, dass man irgendwann nicht mehr nur nach Werne | |
| oder Herten zum Auswärtsspiel fährt, sondern eines Tages auch nach Chicago. | |
| Diese absurden Träume, die wir damals hatten, haben mich durch die Jugend | |
| getragen. So kitschig das klingen mag. | |
| Aber wenn man dann den trifft, der es in so einer überragenden Weise | |
| geschafft hat, wird einem da nicht schlagartig die Unzulänglichkeit des | |
| eigenen Daseins bewusst? | |
| So weit würde ich nicht gehen. Aber man kann, wenn man jemanden wie Dirk | |
| Nowitzki bei der Arbeit beobachtet, ganz allgemein viel lernen. Jemanden zu | |
| beobachten, der eine Sache so mit allem Ernst, aller Liebe, aller Akribie | |
| und aller Kraft auf einem solch hohen Niveau betreibt – das ist groß. Das | |
| hat nichts mit Ruhm zu tun. Menschen, die ihre Sache wirklich gut können, | |
| sind sehr selten. | |
| Was kann man da lernen? | |
| Wie man ein guter Handwerker sein kann oder eine gute Lehrerin oder eine | |
| exzellente Musikerin. Klar sind wir alle irgendwie fehlerhaft, und das ist | |
| Nowitzki auch. Nur geht er mit dieser Fehlerhaftigkeit etwas anders um. | |
| Von Nowitzki besser scheitern lernen? | |
| Auch das. Er ist ja ständig gescheitert in seiner Karriere. Wenn du 1.600 | |
| Spiele spielst, dann wirfst du halt in jedem Spiel zehnmal daneben. Oder | |
| verlierst Meisterschaftsserien. Oder fliegst in der ersten Runde der | |
| Playoffs raus. | |
| Man lernt: trotzdem weitermachen? | |
| Man lernt, die Sache als Prozess zu begreifen. Sehr wahrscheinlich gewinne | |
| ich irgendwann, wenn ich diese Sache so genau und akribisch weitermache. | |
| Ein Lehrer hört auch nicht auf zu unterrichten, wenn er einen schlechten | |
| Tag gehabt hat, sondern er denkt darüber nach: Wie kann ich denn die | |
| nächste Einheit besser gestalten, sodass die Schüler nicht aus dem Ruder | |
| laufen? | |
| Du beschreibst auch, wie sich die Sehgewohnheiten beim Basketball geändert | |
| haben. Früher schaute man sich ein ganzes Spiel an – in der Halle oder am | |
| Fernseher. Heute sieht man sich im Netz vor allem kurze Clips an. | |
| Die Verclipisierung sorgt für eine völlig andere Wahrnehmung des Spiels. | |
| Ich erinnere mich, wie wir als Teenager VHS-Kassetten mit einzelnen | |
| NBA-Spielen tauschten, weil die im deutschen Fernsehen nicht übertragen | |
| wurden. Unser D-Jugend-Trainer hatte eine Kassette von seinem Bruder aus | |
| den USA. Boston gegen Los Angeles. Wir haben immer wieder dieses Spiel | |
| geguckt, einfach um diese Atmosphäre zu begreifen. Das war fantastisch. | |
| In den Clips kommen die Dinge, die nicht geklappt haben, nicht vor. | |
| Nein, all die Konflikte mit Mannschaftskameraden und Gegnern, die Kämpfe | |
| mit dem eigenen Körper und das Scheitern – das ist kein Clip-Material, | |
| gehört zum Sport aber zwingend dazu. Wer sich nur Clips anschaut, versteht | |
| das Spiel deshalb nicht richtig. | |
| Wir haben bei der taz dieses Jahr wieder angefangen, mit ein paar Leuten | |
| Basketball zu spielen. Nur so freizeitmäßig. Aber es macht irre Spaß, nach | |
| einem Tag im Büro für eine Stunde richtig wild Basketball zu zocken. | |
| Und plötzlich mal wieder Körper zu sein – statt nur Kopf? | |
| Es ist auch krass, wie der Körper sich erinnert – an Bewegungen, die man | |
| seit Jahren nicht mehr gemacht hatte. | |
| Die vergisst man nie. Wenn mir langweilig ist, wenn ich in der Bahn oder | |
| auf dem Amt sitze und warten muss, erwische ich mich manchmal dabei, wie | |
| ich mir vorstelle, einen Korbleger zu machen, tak-tadamm. Dieses | |
| Rechts-links-hoch, das ist total eingebrannt. | |
| Was macht das dann mit dir? | |
| Das ist für mich so ein Fluchtort in Gedanken. Obwohl das Jahrzehnte her | |
| ist, dass ich diese Bewegung regelmäßig gemacht habe. Ich würde mir auch | |
| gern vorstellen, wie ich einen Dunking mache, aber dafür reicht dann selbst | |
| meine Vorstellungskraft nicht mehr. | |
| Und wenn selbst Nowitzki aufhören muss, weil es nicht mehr geht … | |
| Es ist natürlich ein völlig übertriebener Gedanke, aber mit Dirk Nowitzkis | |
| Karriere endet endgültig auch die Möglichkeit, dass wir selbst noch einmal | |
| Profisportler werden. Jetzt ist es wirklich vorbei. Er hat das lang | |
| ausgereizt, er hat unserer Generation die Tür zu diesen Träumen sehr lang | |
| aufgehalten. | |
| Die Erkenntnis des Älterwerdens hat er für uns hinausgeschoben. | |
| Ja, würde ich sagen. Jetzt ist diese Möglichkeit endgültig vorbei. Das | |
| Schöne: Wir sitzen jetzt trotzdem hier auf dem Freiplatz und spielen | |
| weiter. | |
| 16 Sep 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Basketball-Star-Dirk-Nowitzki/!5584751/ | |
| [2] /!t5033203/ | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Pfaff | |
| Felix Zimmermann | |
| ## TAGS | |
| Dirk Nowitzki | |
| Basketball | |
| NBA | |
| Lesestück Interview | |
| Kolumne Kulturbeutel | |
| American Pie | |
| Henningway | |
| Basketball | |
| Basketball | |
| Adidas | |
| Dirk Nowitzki | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Uraufführung im Deutschen Theater: Mit Dirk Nowitzki aus der Krise | |
| Bei der Berliner Uraufführung von "Dirk und ich" kommen sich Theater und | |
| Sport ganz nahe. Oft geht das schief, aber dieses Mal nicht. | |
| Streit in der NBA: Zirkus im Schongang | |
| In der NBA wird eine verlogene Debatte geführt, weil der Basketball-Star | |
| Kawhi Leonard ab und an bei den Los Angeles Clippers aussetzen darf. | |
| Basketball in China: Ganz großer Sport | |
| Das Spiel kam mit dem YMCA, dem Verein der jungen christlichen Männer nach | |
| China. Auch Mao mochte Basketball. | |
| Basketball-WM in China: Schrecklich erfolgreiche Familie | |
| Die Spanier haben auch im Finale der Basketball-WM als Kollektiv überzeugt. | |
| Topfavorit sind sie bei den Olympischen Spielen aber nicht. | |
| Basketball-WM in China: Auf der Suche nach Geist | |
| Nach dem Aus in der WM-Vorrunde müssen sich die deutschen Basketballer in | |
| Frage stellen. Zunächst gilt es, die letzte Chance auf Olympia zu wahren. | |
| 70 Jahre Adidas: Sei der Dirigent | |
| Adidas wird 70. Eine Annäherung an den Herzogenauracher | |
| Sportartikelhersteller über zwei seiner Schuhe. | |
| Basketball-Star Dirk Nowitzki: Bodenständige Legende | |
| Beim Abschied wollte er die Tränen nicht mehr verstecken: Dirk Nowitzki hat | |
| sein letztes Heimspiel für die Dallas Mavericks absolviert. |