# taz.de -- Basketball-WM in China: Auf der Suche nach Geist | |
> Nach dem Aus in der WM-Vorrunde müssen sich die deutschen Basketballer in | |
> Frage stellen. Zunächst gilt es, die letzte Chance auf Olympia zu wahren. | |
Bild: Diesmal früh gescheitert: Dennis Schröder | |
SHENZEN taz | Dennis Schröder quälte sich zu einem Lächeln, als ihm die | |
ersten Anhänger der deutschen Basketball-Nationalmannschaft im Tagungsraum | |
„Madrid 3“ entgegenkamen. Bei einem Fan-Treff im luxuriösen Teamhotel | |
Intercontinental Shenzhen hatten sie am Mittwochmorgen die Gelegenheit, | |
dem Aufbauspieler und allen weiteren Akteuren ganz nahzukommen. Es wurden | |
Autogramme geschrieben, Selfies gemacht und ein paar Worte gewechselt. | |
Dennoch war die Stimmung nie ausgelassen. Im Gegenteil: Der Schmerz über | |
das am Vorabend Erlebte war bei allen Beteiligten weiterhin riesig. Die | |
Auswahl des Deutschen Basketball Bundes (DBB) war bereits nach der zweiten | |
Vorrundenpartie der Weltmeisterschaft ausgeschieden. Auf die | |
74:78-Auftaktniederlage gegen Frankreich folgte zwei Tage später eine | |
völlig unerwartete 68:70-Schlappe gegen die Dominikanische Republik. Dabei | |
spielte das Team des Karibikstaates ohne die NBA-Leistungsträger Karl | |
Anthony Towns und Al Horford. | |
Aufgrund dieses vermeintlich schwachen Gegners waren die Verantwortlichen | |
des DBB davon ausgegangen, dass der Mittwochvormittag der geeignete Tag | |
sei, um die Fans ins Spielerhotel einzuladen. Ohnehin hatten sie sich viel | |
vorgenommen. Auch die Spieler selbst waren nach dem Erreichen des | |
Viertelfinals vor zwei Jahren [1][bei der EM in Istanbul] und einer | |
souveränen WM-Qualifikation von ihren Qualitäten überzeugt. | |
„Alles ist möglich“, sagte beispielsweise Dennis Schröder. Der | |
Aufbauspieler des NBA-Klubs Oklahoma City Thunder wurde als Anführer der | |
Mannschaft nicht müde zu betonen, dass sein Team mit jedem anderen | |
mithalten könne. Man habe gleich mehrere NBA-Spieler im Kader, ansonsten | |
sei das Team gespickt Akteuren, die auf europäischem Top-Niveau spielen. | |
Noch deutlicher wurde Center Johannes Voigtmann. „Schon bei der letzten EM | |
haben wir gezeigt, dass wir die Besten schlagen können. Dazu kommt, dass | |
wir uns als Mannschaft in den letzten beiden Jahren auf keinen Fall | |
verschlechtert haben. Ganz im Gegenteil. Wenn wir uns in diesem Jahr noch | |
ein bisschen steigern, dann können wir angreifen“, sagte der | |
2,11-Meter-Mann des EuroLeague-Champions ZSKA Moskau vor Turnierbeginn. | |
„Das Viertelfinale muss unser Minimalziel sein. Wir wollen uns direkt für | |
die Olympischen Spiele von Tokio qualifizieren. Dafür müssen wir mindestens | |
unter die besten acht Mannschaften kommen.“ | |
Eine Zielsetzung, die aus Expertensicht keinesfalls abwegig klang. Die | |
Nationalmannschaft sei auf allen Positionen extrem vielseitig aufgestellt, | |
ließ beispielsweise Stephan Baeck verlauten, der mit Deutschland 1993 | |
Europameister wurde. „Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass sie bei | |
dieser WM einiges erreichen kann. Sie weiß um ihre eigene Stärke, wird das | |
in China zeigen und am Ende ein tolles Ergebnis erzielen.“ | |
## Kleber kein einziges Mal in Szene gesetzt | |
Trainerlegende Svetislav Pesic – Europameister mit Deutschland 1993 und | |
Weltmeister mit Jugoslawien 2002 – ging sogar noch weiter. Die aktuelle | |
Mannschaft sei die vielleicht talentierteste überhaupt. Die Spieler hätten | |
ähnlich viel Potenzial wie die Europameister von 1993 oder das Team [2][um | |
Dirk Nowitzki], das 2002 WM-Bronze und 2005 EM-Silber gewann. Zudem seien | |
die Spieler im besten Alter und würden folglich die nötige Erfahrung | |
mitbringen. „Diese Generation hat in der letzten Zeit gezeigt, dass sie | |
genügend Potenzial besitzt“, sagte Pesic vor dem Turnier und fügte hinzu: | |
„Sie kann eine Medaille gewinnen und sich auch für die Olympischen Spiele | |
qualifizieren.“ | |
Ein Vorhaben, an dem zu Turnierbeginn niemand zweifelte. Die | |
Vorbereitungsspiele gegen Schweden, Ungarn, Tschechien, Polen und | |
Australien wurden allesamt gewonnen. Lediglich gegen die unorthodoxen | |
Japaner setzte es eine knappe Niederlage. Entsprechend selbstbewusst | |
präsentierten sich die deutschen Basketballer in den letzten Tagen vor | |
Turnierbeginn im südchinesischen Shenzhen. Ausgeruht waren sie außerdem. | |
Immerhin wurden die Spieler von den mitgereisten Betreuern nicht nur | |
jederzeit umsorgt, sie konnten sich auch über eine Luxusunterkunft der | |
Extraklasse freuen. | |
Das Intercontinental Shenzhen bietet seinen Gästen jedenfalls mit Marmor | |
verzierte Traumsuiten, Edelrestaurants, verschiedene Wellness-Oasen, einen | |
üppigen Sandstrand am hoteleigenen Schwimmbad sowie ein dort platziertes | |
Piratenschiff in Originalgröße. Und als wäre das nicht genug, konnte das | |
DBB-Team auch auf die in China eigentlich gesperrten Internetportale wie | |
Facebook, Instagram oder YouTube zurückgreifen. Kurzum: Den deutschen | |
Basketballern fehlte es an nichts. | |
Auf dem Parkett harmonierten die Akteure der DBB-Auswahl dennoch nicht, | |
worüber die knappe Auftaktniederlage gegen die mit NBA-Stars gespickten | |
Franzosen noch hinwegtäuschte. Bei der desaströsen Niederlage gegen die | |
Dominikanische Republik war dies hingegen nicht mehr zu übersehen. | |
Maximilian Kleber vom NBA-Klub Dallas Mavericks wurde von Leistungsträger | |
Dennis Schröder kein einziges Mal in Szene gesetzt. Und da auch die anderen | |
Aufbauspieler den 2,11-Meter-Mann nicht ins Spiel brachten, bekam der | |
zweitbeste Akteur der deutschen Mannschaft im gesamten Spiel keine einzige | |
Wurfgelegenheit. | |
Schröder hingegen versuchte sich insgesamt 18 Mal, war jedoch nur in fünf | |
Fällen erfolgreich. Dabei bläute das Trainerteam um Headcoach Henrik Rödl | |
der Mannschaft vor der Partie unmissverständlich ein, die physisch | |
unterlegenen Dominikaner möglichst häufig über die Innenspieler am Korb zu | |
attackieren. Umgesetzt wurde diese Marschroute vom DBB-Team allerdings viel | |
zu selten. | |
## Mit so viel Gegenwehr nicht gerechnet | |
Stattdessen versuchte Schröder verzweifelt das Spiel an sich zu reißen. | |
Immer wieder wollte er seine Schnelligkeitsvorteile ausnutzen und zu | |
leichten Korblegern kommen. Doch nachdem er die Partie defensiv mit wenig | |
Körperspannung begonnen hatte und seine Gegner ihn während des ersten | |
Viertels ein ums andere Mal hinter sich ließen, verkrampfte Schröder mit | |
jeder Minute mehr – wie die gesamte Mannschaft. Es wurde klar: die | |
Dominikanische Republik ist an diesem Tag kein leichter, sondern ein ernst | |
zu nehmender Gegner. Statt lächelnd übers Parkett zu schlendern und die 70 | |
mitgereisten deutschen Fans durch Dunks oder Dreier zu begeistern, gerieten | |
die Spieler des DBB immer mehr ins Grübeln. | |
Mit so viel Gegenwehr hatten sie tatsächlich nicht gerechnet. „Wir haben | |
nicht erkannt, dass es bei diesem Spiel um alles geht“, gab Bayern Münchens | |
Power Forward Danilo Barthel zu. „Wir waren uns zu sicher, dass wir dieses | |
Spiel irgendwie noch gewinnen. “ | |
Die Einstellung stimmte also nicht, Kampfgeist war außerdem nicht | |
vorhanden. „Das Gefühl des hundertprozentigen Willens ist irgendwie nicht | |
aufgekommen“, gesteht Barthel. „Mehr Emotionen hätten uns in diesem Spiel | |
mit Sicherheit gut getan.“ Schröder sieht das ähnlich, auch er macht den | |
fehlenden Siegeswillen als einen der Gründe für das Scheitern bei der | |
WM-Vorrunde aus. „Die Gegner hatten mehr Energie als wir, sie haben sich | |
füreinander gefreut. Sie waren happy füreinander, wir haben das hingegen | |
nicht so getan.“ | |
## Platzierungsspiele gegen Senegal und Kanada | |
Bleibt die Frage: Warum konnte Bundestrainer Henrik Rödl nicht dafür | |
sorgen, dass seine Mannschaft mehr Geist an den Tag legt? Sein Team durch | |
gezielte Auszeiten wachzurütteln und es gegebenenfalls taktisch anders | |
auszurichten gelang ihm während der ersten beiden WM-Auftritte nur selten. | |
Die Trainerfrage stellt sich für die Verantwortlichen des DBB dennoch | |
nicht, zumal die Mannschaft nach dem Erfolg im letzten Gruppenspiel gegen | |
Jordanien immer noch Chancen hat, die Qualifikation auf ein Olympisches | |
Qualifikationsturnier zu erreichen. | |
Dafür sind am Samstag und Montag in den ausstehenden Platzierungsspielen | |
gegen Senegal und Kanada allerdings noch zwei weitere Siege nötig. Aber | |
auch mit Blick auf die bevorstehende Heim-EM 2021 in Köln und Berlin will | |
DBB-Präsident Ingo Weiss weiter an Rödl festhalten. „Selbstverständlich“, | |
sagt der Verbandschef. „Ohne Diskussion.“ Worte, die Aufbauspieler Schröder | |
gefallen. Die Führungsfigur des Teams ist trotz der enttäuschend | |
verlaufenen Weltmeisterschaft weiter von allen Beteiligten der Mannschaft | |
überzeugt. „In Zukunft haben wir sehr viel Potenzial. Wir können viel | |
erreichen, aber dafür müssen alle mitziehen. Solange alle mitziehen, bin | |
auch ich dabei, das ist keine Frage.“ Personelle Veränderungen wird es beim | |
DBB-Team also voraussichtlich auch nach der WM nicht geben. | |
Die Einstellung hingegen sollte zukünftig eine andere sein. Ansonsten | |
erleben die deutschen Basketballer in zwei Jahren die nächste große | |
Enttäuschung – dann sogar vor heimischem Publikum. | |
7 Sep 2019 | |
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## AUTOREN | |
Alexander Büge | |
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