# taz.de -- Mietendeckel und Enteignungen: Es geht ums Prinzip | |
> Der Mietendeckel kommt bald – wer braucht dann noch Enteignungen? Eine | |
> Frage, die zur Wurzel des Mietenwahnsinns führt. Ein Wochenkommentar. | |
Bild: Graffito „DW enteignen“ prangt an der Brandmauer eines Wohnhauses im … | |
Alle sprechen über den Mietendeckel, niemand mehr über Enteignungen. Das | |
war zuletzt der Eindruck, auch [1][nachdem sich die Koalitionäre auf ihren | |
Mietendeckel geeinigt hatten.] Dieser fällt nun zwar gemäßigter aus, als | |
ein Tage zuvor aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung | |
durchgestochenes Papier vermuten ließ. [2][Doch auch dieser Deckel wird die | |
Mieten auf eine Weise regulieren, die dem Mietenwahnsinn – trotz aller | |
Schwächen], Ausnahmen und praktischen Ungewissheiten – für die kommenden | |
fünf Jahre Einhalt gebieten wird. | |
Die Frage ist nun: Schafft der Deckel das auf eine solche Weise, dass die | |
Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne, wie von der Initiative | |
„Deutsche Wohnen und Co. enteignen“gefordert, überflüssig wird? Noch | |
entscheidender: Glauben die Berliner, dass es wegen des Mietendeckels | |
Enteignungen nicht mehr braucht? | |
Diesen Eindruck, hieß es immer wieder, würden manche Sozialdemokraten gern | |
vermitteln. Sie sähen den Mietendeckel nicht als Selbstzweck, sondern auch | |
als Gegengift gegen die Enteignungsbewegung, hörte man aus | |
Koalitionskreisen. Schließlich waren es drei sozialdemokratische Politiker, | |
die die Mietendeckeldebatte ursprünglich so richtig in Fahrt gebracht | |
hatten. | |
Was der Mietendeckel schon vor seiner finalen Realisierung bewirkt: Das | |
Enteignungsvolksbegehren befindet sich jetzt unter größerem Argumentations- | |
und Legitimationsdruck. Das ist nicht unbedingt schlecht für die Kampagne. | |
Und in jedem Fall ist es gut für die Debatte. Der Mietendeckel ist zwar ein | |
wichtiger Schritt im Kampf gegen den Mietenwahnsinn, er hat aber seine | |
Schwächen. | |
## Riskant, aber auch eine Chance | |
Da ist die Frage nach der Umsetzung, da sind die bürokratischen Hürden für | |
Mieter, die ihre Miete senken dürften. Da ist die Tatsache, dass | |
Immobilienkonzerne trotzdem weiterverdienen können – über Umwandlungen in | |
und Verkauf von Eigentumswohnungen zum Beispiel. | |
Ob die Enteignungskampagne trotz Mietendeckel eine gewisse Dynamik bewahren | |
kann, wird deshalb von der Diskursführung der Aktivisten abhängen. Schaffen | |
sie es, den systemkritischen Kern – Wohnen nicht als Ware, sondern als | |
Grundrecht – so zu vermitteln, dass den Berlinern klar wird: Hier geht es | |
um Grundsätzlicheres als um einen fünfjährigen Mietenstopp? Trauen sie | |
sich, das noch offener zu betonen als bisher? Das ist strategisch riskant, | |
aber vielleicht die einzige Chance auf Erfolg. | |
Ein [3][aktueller offener Brief der Aktivisten an Berliner | |
Sozialdemokraten] deutet zumindest darauf hin, dass sie diesen Weg gehen | |
werden. Mit Bezug auf den Mietendeckel heißt es dort: „Wir brauchen | |
dringend auch nachhaltige Maßnahmen, die das Problem an der Wurzel | |
bekämpfen.“ | |
9 Sep 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Mietendeckel-in-Berlin/!5619418/ | |
[2] /Mietendeckel-in-Berlin/!5622887/ | |
[3] https://twitter.com/dwenteignen/status/1169562708125081600/photo/1 | |
## AUTOREN | |
Volkan Ağar | |
## TAGS | |
Mietendeckel | |
Katrin Lompscher | |
Die Linke Berlin | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Umstrittenes Gesetz in Berlin: Linke schwächte Mietendeckel ab | |
Zugeständnisse an die Immobilien-Lobby schiebt die Linkspartei auf ihre | |
Koalitionspartner. Die sind aber wohl nicht allein schuld. | |
Mietendeckel in Berlin: Keine Ruhe um den Mietendeckel | |
Zwar hat sich der Senat Ende August auf einen Entwurf geeinigt. Der | |
Mietendeckel bleibt aber als Ganzes und in seinen Details umkämpft. | |
Gutachten Enteignungs-Volksbegehren: Enteignung zum Schnäppchenpreis | |
Bei einer Enteignung der Wohnungskonzerne muss nicht der Verkehrswert | |
gezahlt werden. Auch das Interesse der Allgemeinheit ist zu | |
berücksichtigen. |