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# taz.de -- Brexit-Strategien der Labour Party: Corbyn lässt Johnson schmoren
> Auf der Straße fordern linke Demonstranten Johnsons Sturz. Im Parlament
> verhindert die linke Opposition Neuwahlen – und den Sturz des Premier.
Bild: Wer hier eigentlich wen an der Nase herumführt, muss sich erst noch zeig…
Erneut wird Großbritanniens konservativer Premierminister Boris Johnson an
diesem Montag im Unterhaus den Antrag auf [1][Selbstauflösung des
Parlaments und vorgezogene Neuwahlen] stellen. Erneut, wie schon am
vergangenen Mittwoch, wird die Opposition Nein sagen und Neuwahlen
verhindern – so haben es jedenfalls Labour, Liberaldemokraten und
schottische Nationalisten vereinbart. Einer Selbstauflösung müssten zwei
Drittel der 650 Abgeordneten zustimmen. So viele bekommt Johnson nie
zusammen.
Verkehrte Welt in Großbritannien: Auf der Straße fordern linke
Demonstranten Johnsons Sturz, und Labour trommelt im Internet Erstwähler
zusammen, damit sie sich möglichst schnell im Wahlregister anmelden, weil
schließlich Wahlen vor der Tür stehen. Im Parlament aber verhindert die
linke Opposition die Neuwahlen und damit den möglichen Sturz des Premiers.
Boris Johnson bleibt ohne Wahlen im Amt – [2][dank Jeremy Corbyn].
Der Grund ist ein taktischer: Wenn jetzt Neuwahlen angesetzt werden, könnte
Boris Johnson sie auf den 15. Oktober legen – vor dem 31. Oktober, an dem
nach derzeitigem Stand Großbritannien die EU verlässt. Die Opposition hat
vergangene Woche mit Unterstützung mehrerer konservativer Johnson-Gegner
zwar ein Gesetz durchgepeitscht, das die Regierung verpflichtet, die EU um
einen erneuten Aufschub des Brexit zu bitten, wenn bis zum 19. Oktober
keine neue Vereinbarung über ein Austrittsabkommen steht. Aber wenn Johnson
vorher Neuwahlen gewinnt und sich eine solide Parlamentsmehrheit sichert,
die er derzeit nicht hat, könnte er das Gesetz einfach wieder kippen und
den No-Deal-Brexit, den die Opposition verhindern will, doch noch
durchziehen.
Deswegen ist die Marschroute jetzt: Erst den Brexit verschieben, dann
Neuwahlen ansetzen. Solange soll Johnson „in seinem Saft schmoren“, wie es
ein Labour-Politiker ausdrückte.
## Labour sackt ab
Aus Sicht so mancher Beobachter ist das ein klassisches Corbyn-Eigentor.
„Wählt Labour, aber jetzt noch nicht“, steht in einer Zeitungskarikatur.
Boris Johnson, ein begnadeter Wahlkämpfer, stilisiert sich jetzt als Opfer
eines undemokratischen Westminster-Klüngels, der vermeiden will, dass das
Volk sagt, ob es Ende Oktober einen No-Deal-Brexit geben soll oder nicht.
Zwar stößt ein No-Deal-Brexit in Umfragen nicht auf sonderlich große
Sympathien, die aktuelle Labour-Strategie allerdings noch weniger. In der
neuesten Meinungsumfrage verharren Johnsons Konservative bei 35 Prozent,
während Labour auf 21 zurückfällt.
Aus Sicht der Linken hofft man auf einen gegenteiligen Effekt: Indem man
Johnson zwingt, sein zentrales Versprechen eines Brexit am 31. Oktober
„ohne Wenn und Aber“ zu brechen, diskreditiert man ihn. Aber abgesehen
davon, dass enttäuschte Johnson-Wähler dann eher zu Nigel Farage überlaufen
dürften als zu Jeremy Corbyn, ist nicht klar, was das langfristig bringen
soll. Die aktuelle Sitzungsperiode des Parlaments endet kommende Woche; die
nächste soll am 14. Oktober beginnen – das hat die Regierung festgelegt,
bevor ihr die Idee mit den Neuwahlen am 15. Oktober einfiel.
Wenn tatsächlich am 14. Oktober die Queen das Parlament eröffnet und dann
ein EU-Gipfel stattfindet, kann Johnson frühestens eine Woche später den
Brexit-Aufschub bei der EU beantragen. Nach dem Drehbuch der Opposition
würde man danach Ja zu Neuwahlen sagen. Die könnten dann aber, da zwischen
Parlamentsauflösung und Wahltermin mindestens fünf Wochen liegen müssen,
frühestens Ende November stattfinden. Da ab Mitte Dezember Weihnachtspause
ist, bleibt dann keine Zeit für ausführliche Neuverhandlungen mit der EU,
und der verschobene Brexit-Termin 31. Januar 2020 wäre automatisch der
nächste No-Deal-Cliffhanger. Wozu dann die Verschiebung?
Vorerst aber stellt sich die Frage, ob Boris Johnson überhaupt den
Brexit-Aufschub beantragt. Er selbst sagt, er werde das nicht tun, trotz
Gesetz. Wenn er nicht vor Gericht landen will, müsste er zurücktreten,
statt den Antrag zu stellen. Tut er das spät, nach dem 19. Oktober, bleibt
kaum Zeit für einen Machtwechsel und eine Brexit-Verschiebung. Tut er es
früh, eventuell schon an diesem Montag, bleibt doch noch Zeit für Neuwahlen
im Oktober. Das letzte Kapitel im Brexit-Psychodrama ist noch längst nicht
geschrieben.
8 Sep 2019
## LINKS
[1] /Brexit-Debatte-im-britischen-Unterhaus/!5623703
[2] /Grossbritannien-vor-dem-Brexit/!5618379
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Schwerpunkt Brexit
Labour Party
Großbritannien
Boris Johnson
Jeremy Corbyn
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