# taz.de -- Proteste gegen den britischen Premier: „Stoppt den Putsch“ | |
> Zehntausende demonstrieren gegen die angekündigte Unterbrechung des | |
> Parlaments. Linke Protestler hoffen auf einen Volksaufstand gegen Boris | |
> Johnson. | |
Bild: Protestlerinnen im Londoner Regierungsviertel | |
BERLIN taz | Zu Zehntausenden strömten sie in Dutzenden britischer Städte | |
auf die Straßen, „Stop the Coup“ („Stoppt den Putsch“) lautete ihre Pa… | |
Die Proteste gegen den als undemokratisch empfundenen Umgang des britischen | |
Premierministers Boris Johnson mit dem Parlament haben am Wochenende an | |
Fahrt aufgenommen. Am Samstag sollen bis zu 100.000 Menschen an | |
unterschiedlichen Orten in London demonstriert haben. Am Sonntag kam es zu | |
weiteren kleineren Kundgebungen. | |
„Wenn sie versuchen, das Parlament dichtzumachen, werden wir die Straßen | |
dichtmachen!“, rief die einzige Unterhausabgeordnete der Grünen, Caroline | |
Lucas, auf einer Kundgebung in ihrem Wahlkreis Brighton. Die Abgeordneten, | |
warnte sie, „werden drinbleiben, bis sie uns hinaustragen müssen“, und | |
„wenn sie uns aus dem Parlament aussperren, werden wir ein alternatives | |
Parlament einrichten“. | |
Der Protest entzündet sich an der [1][Ankündigung Boris Johnsons vom | |
vergangenen Mittwoch], die seit 2017 laufende aktuelle Sitzungsperiode des | |
Unterhauses irgendwann zwischen dem 9. und 12. September zu beenden. Erst | |
am 14. Oktober soll die nächste Sitzungsperiode eröffnet werden, wie immer | |
mit der Thronrede der Queen, die als Regierungserklärung dient. | |
Was oft als fünfwöchige Zwangspause dargestellt wird, ist in Realität nur | |
eine Verschiebung um eine Woche, denn ab Mitte September bis in die erste | |
Oktoberwoche hätte das Unterhaus wegen der Jahresparteitage der großen | |
Parteien ohnehin nicht getagt. Das Parlament wird überdies an diesem | |
Dienstag ganz normal aus den Sommerferien zurückkehren. | |
## Die Bewegung ist nicht spontan entstanden | |
Dennoch erschwert Johnsons Schritt das Ansinnen seiner Gegner im Parlament, | |
einen No-Deal-Brexit am 31. Oktober per Gesetz zu verhindern. Indem die | |
Sitzungsperiode nicht bloß für die Parteitage unterbrochen wird, sondern | |
ganz endet, wird ein solches Gesetzesvorhaben hinfällig, sofern es nicht | |
schon vorher durchkommt, womit kaum zu rechnen ist, da der Regierung viele | |
Verzögerungsmittel zur Verfügung stehen. | |
Nach der Parlamentseröffnung dürfte die Zeit für einen zweiten Anlauf | |
genauso wenig ausreichen, zumal dann erst die Regierungserklärung ansteht. | |
Diese soll nach Johnsons Plänen auch einen neuen Brexit-Deal mit der EU | |
enthalten, den er beim EU-Gipfel am 16. und 17. Oktober unter Dach und Fach | |
zu bringen hofft. Für die Verhandlungen mit der EU bis dahin will er | |
möglichst kein Störfeuer aus Westminster, wie es Theresa May zu erleiden | |
hatte. | |
Linksradikale Johnson-Gegner setzen diesen Plan mit einem Putsch gleich. | |
„Verteidigt die Demokratie – widersetzt euch dem Shutdown des Parlaments“, | |
war die am häufigsten zu sehende Protestparole der Demonstranten am | |
Wochenende. Sie kann von der [2][Webseite der Organisatoren] von „Stop the | |
Coup“ heruntergeladen und in unterschiedlichen Größen als Plakat gedruckt | |
werden. | |
Die „Stop the Coup“-Bewegung ist keineswegs spontan entstanden. Kreiert | |
wurde sie von der linken Pro-EU-Gruppierung „Another Europe is Possible“, | |
die nach eigenen Angaben im Februar 2016 zu Beginn des Brexit-Wahlkampfs | |
entstand und linke Alternativen zur aktuellen EU-Politik propagiert. Sie | |
hat Kundgebungen unter anderem gegen Donald Trump und für eine humane | |
Flüchtlingspolitik organisiert, und nach Johnsons Parlamentsbeschluss rief | |
sie zum Massenprotest am vergangenen Wochenende auf – als | |
Mobilisierungschance jenseits des Streits um das Parlament. | |
Organisator Michael Chessum, zugleich Führungsmitglied der Corbyn-treuen | |
Labour-Graswurzelbewegung „Momentum“, begrüßte in einer Erklärung „die | |
Geburt einer riesigen Bewegung“, die „die Linke, die Arbeiterbewegung, die | |
Klimastreikenden und viele Empörte zusammenführt“. Kommentator Owen Jones | |
führte in einem Videobeitrag aus, man müsse jetzt „die Ungerechtigkeiten | |
überwinden, die überhaupt erst zu diesem Durcheinander führten – es gibt | |
dafür keine verfassungsmäßige Lösung“. Die Protestbewegung wirbt für | |
Straßenblockaden und zivilen Ungehorsam. | |
1 Sep 2019 | |
## LINKS | |
[1] /Grossbritannien-und-der-Brexit/!5619067 | |
[2] http://stopthecoup.org.uk | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
## TAGS | |
Boris Johnson | |
Schwerpunkt Brexit | |
Protest | |
Unterhaus | |
Schwerpunkt Brexit | |
Schwerpunkt Brexit | |
Prinz Andrew | |
Kolumne Macht | |
Schwerpunkt Brexit | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Urteil in Schottland: Parlamentsschließung „ungültig“ | |
Ein schottisches Gericht gibt Klägern gegen Boris Johnsons „prorogation“ | |
des britischen Parlaments recht. Das letzte Wort hat nun das oberste | |
Gericht. | |
Abstimmung über Brexit: Johnson droht mit Neuwahlen | |
Sollten die Abgeordneten am Dienstag gegen seinen Brexit-Kurs stimmen, | |
strebt der Premier laut Berichten im Oktober Neuwahlen an. | |
Die Wahrheit: Der geile Ersatzmann | |
Boris Johnson will das Parlament suspendieren. Als ob die Queen nicht schon | |
andere Probleme hätte! Zum Beispiel mit dem schwarzen Schaf der Familie. | |
Entmachtung des britischen Parlaments: Was Demagogen bedroht | |
Warum Trumps Tweets und eine AfD, die ihre Schrauben überdreht, Ablehnung | |
erzeugen könnten. Und warum das bei Boris Johnson noch nicht gilt. | |
Schottland, Nordirland und der Brexit: Johnsons Gegner sind erfolglos | |
Gerichte in Schottland und Nordirland schmettern Anträge gegen die | |
Zwangspause des britischen Parlaments ab. Zunächst. |