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# taz.de -- Quereinsteiger im Schulunterricht: Musik beim Geologen
> In vielen Gegenden ist es normal, dem Lehrermangel mit Quereinsteigern zu
> begegnen. Das muss kein Problem sein. Oft aber fehlen Qualitätsstandards.
Bild: An Schulen unterrichten immer mehr Menschen, die kein Lehramtsstudium abs…
Bildung ist kein Glücksspiel. Sondern ein Menschenrecht. Das deutsche
Schulsystem jedoch gleicht immer mehr einer Lotterie. Mit etwas Glück gibt
es einen Hauptgewinn: engagierte, gut ausgebildete Lehrer und ein sauberes,
schönes Schulgebäude. Andere ziehen Nieten – oder haben nicht mal Geld für
ein Los.
In Nordrhein-Westfalen etwa, wo das Schuljahr gerade begonnen hat, konnten
von knapp 10.000 im Sommer ausgeschriebenen Stellen bei Lehrpersonal noch
nicht mal zu 60 Prozent besetzt werden. Ebenfalls eklatanter Mangel
herrscht in Hamburg, Berlin und in den neuen Bundesländern. Das Problem ist
bekannt. Mit Quereinsteigern versucht man sich zu helfen. [1][In Sachsen],
hier Spitzenreiter, wurden im vorletzten Schuljahr knapp die Hälfte der
neuen Stellen mit ihnen besetzt.
Das heißt, dass immer mehr Menschen an Schulen unterrichten, die kein
Lehramtsstudium absolviert haben. Derweil wird vielen Quereinsteigern, die
oft jahrelang teils sehr erfolgreich unterrichten, häufig das Referendariat
verweigert, wodurch die den ausgebildeten Lehrern nie gleichgestellt
werden, unter anderem finanziell. Kann das ein Zustand sein?
Klar, gar nicht zu unterrichten ist keine Alternative. Und es gibt ja
Kriterien für diejenigen, die aus anderen Berufen in den Schuldienst
wechseln wollen: [2][in Berlin ist das] unter anderem ein
Hochschulabschluss, von dem sich laut Senatsverwaltung „mindestens ein Fach
der Berliner Schule zuordnen lässt.“
Quereinsteiger im Schuldienst sind also, zumindest um einen temporären
Lehrermangel zu überbrücken, keine ganz schlechte Idee. Oft läuft es auch
gut für alle Beteiligten.
## Mangel an Mentoren
Doch meistens sieht es in der Praxis dann ganz anders aus. Denn während
Schulen in „besseren Vierteln“ häufig gar kein Problem damit haben, ihre
freien Stellen mit ausgebildeten Lehrern zu besetzen (und sich auch nicht
selten auf Druck der Eltern erfolgreich gegen die Einstellung von
Quereinsteigern wehren), haben die Schulen in sogenannten Problembezirken
oft gar keine Wahl.
Das heißt: Gerade Kinder aus „bildungsfernen“ Elternhäusern werden
verstärkt von Menschen unterrichtet, die das nicht gelernt haben und es
sich dazu in der Praxis häufig selber beibringen. Dazu mangelt es oft an
ausreichender Betreuung durch „Mentoren“, die den Neulehrern praktisch und
fachlich zur Seite stehen.
Natürlich kann es trotzdem klappen mit dem guten Unterricht, denn
Durchsetzungsvermögen oder Freude am Beruf lernt man nicht im Studium.
Trotzdem sollte es politisch möglich sein, für den beruflichen Quereinstieg
als Lehrer feste und einheitliche Voraussetzungen zu schaffen, auf die sich
sowohl die Quereinsteiger als auch die Eltern verlassen können. Eine
Eins-zu-eins-Betreuung durch einen Mentor sollte selbstverständlich sein,
ebenso wie ausreichend Zeit für Fortbildung. Niemand ohne
didaktisch-pädagogische Ausbildung sollte gleich im ersten Jahr Fächer
unterrichten, die er nicht studiert hat. Und vor allem sollte genau
festgelegt werden, wie viele Quereinsteiger ein Lehrerkollegium prozentual
verkraften kann.
## Wo Physiker Deutsch unterrichten
Mein Sohn geht seit sieben Jahren in Berlin zu Schule. So gut wie jedes
Jahr hatte er neue Lehrer, immer gab es gute und weniger gute. [3][Einige
wenige Quereinsteiger] waren auch immer dabei. Zwar hat es uns hin und
wieder irritiert, dass sein Sportlehrer eigentlich Fußballtrainer war, die
Deutschlehrerin promovierte Politologin und ein Geologe Musik
unterrichtete, aber erstaunlicherweise ging es trotzdem immer irgendwie.
Schwer vorstellbar allerdings, wie es an Schulen läuft, wo nicht temporär
Quereinsteiger Nebenfächer unterrichten, sondern zum Beispiel Kinder mit
nichtdeutscher Muttersprache von quereingestiegenen Diplom-Physikern lesen
und schreiben lernen sollen.
Und so wirkt die Politik letztendlich aktiv an der gesellschaftlichen
Spaltung mit. Denn natürlich sehen Eltern diesem Politikversagen nicht
einfach tatenlos zu. Die, die es sich leisten können, ziehen innerhalb der
Stadt um, wenn das Kind ins schulpflichtige Alter kommt.
So bleibt eine soziale Durchmischung der Schülerschaft, von der
letztendlich alle profitieren könnten, leider aus.
29 Aug 2019
## LINKS
[1] /Politische-Bildung-an-Schulen-in-Sachsen/!5616270
[2] /Beginn-des-neuen-Schuljahres-in-Berlin/!5610681
[3] /Quereinsteiger/!t5336795
## AUTOREN
Gaby Coldewey
## TAGS
Quereinsteiger
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Unterricht
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Zeitumstellung
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