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# taz.de -- Die Wochenvorschau für Berlin: Traumata, die nie ganz weggehen
> In dieser Woche gibt es viele Gelegenheiten, über die Funktionsweisen des
> Erinnerns nachzudenken. Und über das Erinnern an den Krieg.
Bild: Wurde die NS-Zeit nicht mehr los: Maler und Karikaturist George Grosz
Es steckt uns in den Knochen, es schnürt uns die Kehle zu: Redewendungen
wie diese zeugen davon, dass wir Erinnerungen nicht nur im Kopf
abspeichern, sondern auch im Körper. Genau darum geht es in der
Veranstaltungsreihe „Was der Körper erinnert. Zur Aktualität des Tanzerbes�…
in der Akademie der Künste, die am Freitag beginnt und die Befreiung aus
starren Geschlechterrollen und Körperbildern, utopische Aufbrüche und
politische Vereinnahmungen bei PionierInnen des Tanzes zum Thema hat.
Die 1892 in Berlin geborene Valeska Gert zum Beispiel, die ihre größte Zeit
in der Weimarer Republik erlebte: Sie widmete sich auf der Bühne gern
Tabus, ließ sich von „Dirnen, Kupplerinnen, Ausgeglitschten“ inspirieren,
wie sie selbst beschrieb. Kein Wunder, dass Gert von den Nazis Auftritts-
und Berufsverbot erhielt und emigrierte. 1949, zurück in Berlin, eröffnete
sie das Kabarett Hexenküche. Dort spielte sie unter anderem die
KZ-Aufseherin Ilse Koch. Gerts Antrag auf Entschädigung wurde abgelehnt.
Anders als beim Maler George Grosz, der tatsächlich kurz vor seinem Tod
Ende der fünfziger Jahre für die Verunglimpfung seines Werks durch die
Nazis finanziell entschädigt wurde. Wie wenig ihm dies trotzdem half: Das
ist das Thema der Ausstellung „Das Huhn im Kopf. Verfemung, Trauma und
Entschädigung“, die am Sonntag im Käthe-Kollwitz-Museum eröffnet. Es geht
um fünf Tuschezeichnungen, die Grosz kurz vor seinem Tod 1958 anfertigte –
zur Illustration einer Kurzgeschichte seines Freundes Rudolf Omansen.
Omansen war Leiter des ärztlichen Dienstes des Westberliner
Entschädigungsamtes und wohl einer der wenigen, dem Grosz erzählte, wie es
seelisch um ihn stand. Omansens Geschichte „Das unheimliche Huhn“ erzählt
jedenfalls von einem Professor, der jede Nacht ein Huhn auf seinem
Bücherregal sieht und darüber langsam den Verstand verliert.
Dass manche Traumata wie Krieg und Verfolgung vielleicht abgekapselt werden
können, aber nie ganz weggehen: Davon erzählt auch der Film „Frau Stern“,
der zwar erst in der nächsten Woche in die Kinos kommt, aber am Donnerstag
schon einmal vorab im Freiluftkino Friedrichshain zu bestaunen ist.
Frau Stern ist 90 Jahre alt, hat anders als der Rest ihrer jüdischen
Familie das Konzentrationslager überlebt – und nun wirklich keine Lust mehr
zu leben. Sie legt sich auf Gleise, will von der Brücke springen, aber der
Tod gelingt schlicht nicht. Der Holocaust liegt wie ein Schatten über
diesem Film. Und trotzdem wirkt er auf rätselhafte Weise beschwingt.
19 Aug 2019
## AUTOREN
Susanne Messmer
## TAGS
Schwerpunkt Nationalsozialismus
Holocaust
Exil
Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg
Dada
Tanz
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