# taz.de -- Die Wahrheit: Trockenfleisch für Tag X | |
> Die Wahrheit-Reportage: zu Besuch bei einem Prepper-Lieferdienst in | |
> Mecklenburg-Vorpommern, der bundesweit munter expandiert. | |
Bild: Auch lecker Dosenfisch gibt's beim Prepper-Lieferanten | |
Ein warmer Sommermorgen in Torgelow, Mecklenburg-Vorpommern. Die Sonne geht | |
gerade über der Tankstelle auf, an der heute Abend wieder das Stadtleben | |
pulsieren wird. Wir sind verabredet mit Norbert, dem Gründer von | |
„Prepper24“. Pünktlich fährt er mit einem in Tarnmuster gestrichenem | |
Geländewagen vor und tankt. Schüchtern hält der Geschäftsmann seine Hand | |
zur Begrüßung hin, während die tätowierte schwarze Sonne auf seiner | |
Schulter von der echten Sonne beleuchtet wird. | |
Prepper bereiten sich auf Katastrophenfälle vor. Ob Strom- oder | |
Wasserausfall, ein Atomkrieg oder der nächste Zitteranfall der Kanzlerin – | |
Prepper wissen, was zu tun ist. Seit einiger Zeit wird auch die rechte | |
Szene auf diesen Trend aufmerksam. Sie bereiten sich speziell auf einen | |
sogenannten Tag X vor, an dem sie die Kontrolle übernehmen und politische | |
Gegner in Lager stecken wollen. Todeslisten mit 25.000 Personen sollen sie | |
angefertigt haben. Grund genug, den Mann zu treffen, der sie alle versorgt. | |
Norbert, aus dessen Thor-Steinar-Tanktop die Tattoos drängen, erklärt, dass | |
er sich eigentlich nicht mit uns treffen wollte: „Ich habe in der letzten | |
Zeit schon zu oft meine Geschichte erzählt. MAD, Verfassungsschutz, NSU 2.0 | |
– alle wollten sie hören. Eigentlich wollte ich aufhören, aber dann dachte | |
ich mir, es sind doch die erstaunten Gesichter, das zufriedene Lächeln, die | |
mich durchhalten lassen.“ Langsam beginnt dieser sanftmütige Mann mit dem | |
Patronengurt, Vertrauen zu uns zu fassen. Nur so können wir unserer | |
journalistischen Pflicht nachkommen und herausfinden, was das Motiv des | |
Mannes mit dem „Rechtsextremismus“-Heckaufkleber ist. | |
## Geschäftsraum im Osten erobern | |
Als er fertig getankt und von der Kassiererin zehntausend Euro mit | |
vorgehaltener Waffe erpresst hat, steigen wir ein und fahren zu seinem | |
besten Kunden. Auf dem Weg erzählt er seine Erfolgsgeschichte. Anfangs habe | |
er lediglich ein paar aufrichtige, aber vereinzelte Kämpfer versorgt. Doch | |
mittlerweile habe er ins gesamte Bundesgebiet expandiert, besitze Geschäfte | |
in den Distrikten Ost, Süd, West und Nord. Längerfristig plane er besonders | |
jenseits der bundesdeutschen Grenze, Geschäftsraum im Osten zu erobern. | |
Fasziniert folgen wir seinen Worten, während wir den richtigen | |
Instagram-Filter für unser eben gemachtes Selfie aussuchen. | |
Nach einer knappen Stunde Fahrt kommen wir an. Es ist das Autohaus der | |
Familie S., die ihren Namen lieber nicht in der Presse lesen möchte. Sohn | |
André, der seine Bestellungen über seinen V-Mann-Führer beim | |
Verfassungsschutz abwickelt, wartet schon vor der Tür und begrüßt Norbert | |
mit einem schnippischen: „Hast du da ’ne Knarre in der Hose, oder freust du | |
dich nur, mich zu sehen?“ – „Beides!“, lacht Norbert. Wir dürfen derwe… | |
den Wagen ausladen. | |
## Prepper-Gut im unterirdischen Schutzraum | |
So nah sind noch nie Journalisten einer rechten Terrorzelle gekommen. | |
Trockenfleisch, Dosenessen, Wasserkanister, Zelte, Gasmasken, Tarnanzüge, | |
Unmengen an Waffen und die neueste Frei.Wild-CD hieven wir brüderlich aus | |
dem Laster und bringen das Prepper-Gut in den unterirdischen Schutzraum, | |
den André zusammen mit seiner Bundeswehrkompanie errichtet hat. Kurze Zeit | |
später verabschieden wir uns von André und wünschen ihm viel Glück im | |
nächsten Untersuchungsausschuss. | |
Ob Norbert sich manchmal Sorgen macht? Unternehmer werden in diesem nahezu | |
sozialistischem Land ja sehr unter Druck gesetzt. Überbordende Bürokratie, | |
unzählige Qualitätskontrollen, ständige Steuerprüfungen. „Nein, ich kann | |
mich nicht beschweren. Ich stehe zwar viel im Kontakt mit den Behörden, | |
erfahre aber nur Unterstützung. Deshalb habe ich als kleines Dankeschön | |
meine neue Filiale in Frankfurt auch ‚Revier 1‘ genannt – und es | |
funktioniert: Immer mehr Kameraden kommen dorthin.“ | |
## Panik im Büro | |
Die Stimmung ist gut, doch wir ahnen, dass nun der Zeitpunkt des Abschieds | |
gekommen ist. Wir tauschen noch Nummern aus sowie Fotos unserer Kinder und | |
versprechen uns, immer füreinander da zu sein. „Danke für eure Hilfe!“, | |
sagt Norbert mit diesem unvergleichlichen Augenaufschlag: „Wenn ihr mal | |
Hilfe braucht, sagt Bescheid. Vielleicht habt ihr ja ein paar Kollegen, die | |
eurer Karriere im Weg stehen, da kann ich vielleicht was machen.“ | |
Zwei Wochen später sitzen wir in der Redaktion und betrachten das Foto von | |
Norberts Kindern, das auf dem Schreibtisch steht. Mit angsterfüllten Augen | |
kommt ein Kollege panisch ins Büro gestürmt und erklärt, er habe in seinem | |
Briefkasten Patronenhülsen mit seinem Namen darauf gefunden. Wir lächeln | |
zufrieden und denken: „25.001.“ | |
9 Aug 2019 | |
## AUTOREN | |
Niklas Hüttner | |
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